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Claus Föttingers Skulpturen aus Bildern von südostasiatischen Landschaften, Städten und Menschen setzen seine künstlerische Auseinandersetzung mit kultureller Identität und Diskrepanz fort – klar, schön, mit filmischem Blick, aber diesmal ohne cinematische ‚Umwege’ und wie immer mit dem psychologischen Interesse des Künstlers für Form und Gestalt.



In seiner ersten Einzelausstellung seit 2006 zeigen uns Föttingers leuchtende Skulpturen Ansichten und Ausschnitte vom asiatischen Alltag: Verkabelungen vor Reklametafeln in Bangkok, Saigon und Phnom Penh, Reisfelder in Java, Bali und Lombok, Mädchen auf Scootern in Saigon, Wohnblocks in Hong Kong, kambodschanische Tankstellen Hausmacher Art oder ein Schwefelabbaugebiet auf einem Vulkan in Java. 
Mal als typologische Serie, mal als kubistisch anmutender, multiperspektivischer Blick auf eine Situation bilden Föttingers tiefenscharfe Fotografien die Oberfläche seiner Skulpturen, deren Form sich auf die Motive bezieht, wie in „Reispille“ z.B. oder „Saigon Wrap“. Auch die an die Wand lehnenden, mit Stangen stabilisierten Zylinder nehmen das Motiv ihrer Abbildung auf, bzw. isolieren es. Die Kabel auf den Bildern bilden ein wildes Netz, das die Bewohner miteinander verbindet und telefonische und digitale Daten transportiert. Vor dem Hintergrund der Reklametafeln, auf denen Models und ihre Produkte durch die Kabel fast wie durch Zeichnungsschraffuren bearbeitet werden, wird klar, hier werden nicht nur individuelle, sondern auch kollektive, sprich Konsum-Botschaften transportiert. Phallisch und animistisch zugleich tragen Föttingers „Wire Sticks“ ihre Bilder, wie im Raum flexibel fixierte Wanderstäbe.



Das Individuelle und die Masse, das Männliche und das Weibliche durchkreuzen sich immer wieder in den Arbeiten Föttingers, die den touristischen, romantischen oder sexuell motivierten Blick auf das Fremde mit einbeziehen und verkehren; aber auch Föttingers politisches und historisches Interesse an Landflucht, Globalisierung oder Genderstudies wird evident.



Das der Natur geometrisch abgerungene Reisfeld als grüner Lebensraum von der Aussaat bis zur Ernte verrät die Anstrengung nicht, die die Bauern in die Stadt fliehen lässt, hin zu den miteinander verstickten Hochhausansichten auf Föttingers hängender Leucht-Skulptur, in der die Fassade drauβen quasi umgestülpt wird, zu einem Körper in einem Zimmer innerhalb eines Hauses.    

Van Goghs Brabanter Bauernbilder, Paul Citroens Hochhäusercollagen oder die Naturverherrlichung der Romantik bilden das Fundament für Föttingers sehr gegenwärtige Bildmontagen. In einem Fall zitiert der Künstler sein Vorbild ganz direkt, den Couturier Paco Rabanne, der mit seinem Catsuit für Jane Fonda in Barbarella 1968 bekannt wurde und dessen Kleiderentwürfe aus mit Metallringen verbundenen Plastikplättchen futuristisch, sexy und amazonenhaft anmuteten. Ein solches Kleid konstruiert Föttinger für seine Ausstellung, bedruckt mit einer Jackfruit, der schweren, riesigen gelben Brotbaumfrucht aus dem tropischen Asien, die mit ihrer biomorphen Form und ungewöhnlicher Noppen-Oberfläche viele sexuelle Symbole in sich vereint und am Eröffnungsabend von Julia Stoschek getragen wird. Das chic facettierte Kleid steht wie auch die anderen Skulpturen in einem interessanten Verhältnis zum Motiv, das nicht nur Fruchtbarkeitszeichen, sondern ebenfalls eine Schale, eine Hülle bildet. Diese wehrhafte Uniform für die moderne Frau aus Jakarta, Phnom Penh oder Saigon scheint mit einer umgestülpten vagina dentata besetzt, der Vagina mit Zähnen als mythologische, hier modernisiert verbildlichte Waffe. Der Widerstand gegen Ausbeutung und politische Pression, gegen den präsidialen Parteienstaat, das korrupte kommunistische oder das monarchistische Militärregime geht in dieser Region von Frauen aus. Und so entwirft Föttinger in einer patriarchal-feministischen Geste ein Befreiungskampf-Kostüm für eine asiatische Barbarella. 

Text: Rita Kersting


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Claus Föttinger