press release only in german

Claudia Wieser. Lobby

Wer die Installationen von Claudia Wieser betritt, taucht ein in ein Gesamtkunstwerk. Geometrische, oft serielle Formen aus Spiegelflächen und bunten Farben, mit Kacheln bedeckte Holzsockel und Podeste, Wanddrucke mit Ausschnitten gefundener, beiläufig wirkender Fotografien sind arrangiert zu losen Bühnen. Wir bewegen uns durch eine Welt der Erinnerungen, der Wiederentdeckungen und der reinen Fantasie. Die klassische Avantgarde, von Konstruktivismus bis Bauhaus, klingen darin ebenso an wie Bezüge zu Interior Design, Filmsets und Theaterkulissen – im Grunde besteht Wiesers Kunst darin, Atmosphären zu kreieren, die uns unsere Umgebung neu denken und fühlen lassen.

Für ihre vierte Ausstellung in der Sies + Höke Galerie hat sie den Hauptraum in kleine Abteile separiert: Mini-Kabinette sind entlang der Galeriewände aufgestellt, die sich anfühlen wie Separees oder Ruhezonen, überzogen mit Tapeten. „Lobby“, lautet der Titel ihrer Schau – und bereits mit dieser Assoziation geht die Künstlerin über die Parameter von Schönheit, Ästhetik und Harmonie hinaus, die ihrem Werk immer wieder zugeschrieben werden. So wirken ihre 5 x 5 cm großen Fliesenbilder dank einer speziellen Glasur wie Beton, kleinere Spiegelarbeiten aus Edelstahl und Kupfer verströmen etwas Glatt-Kühles, an anderer Stelle tauchen Kunstlederpolster auf. Die Lobby – ein Durchgangs- und Wartebereich ohne längere Aufenthaltserlaubnis, wie man ihn aus Hotels, Unternehmen und offiziellen Einrichtungen kennt – wird zum offenen Rahmen eines Bildes, in dem wir uns einem traumartigen Beziehungsspiel aus klaren Formen, essenziellen Materialien und figürlichen Andeutungen hingeben können.

„Ich arbeite immer im Dialog – sei es mit dem Raum, mit dem Ausstellungstitel oder mit einem Erlebnis wie Theaterstück oder Film. Dieser Auslöser ist aber für den Betrachter weniger wichtig als für mich selbst“, sagt Wieser. Referenzen zu Design, Architektur und Materialien ebenso wie zu Film, Theater und Kunst, die Wieser bei der Arbeit vorschweben, werden also nie direkt benannt – vielmehr sind sie wie Geister, die der Besucher intuitiv erspürt. „Meine Werke sind nicht didaktisch. Ich möchte den Betrachter berühren. Unsere Existenz, das menschliche Dilemma ist dabei immer ein Hintergrundrauschen, auch wenn es nie direkt zu sehen ist.“

Um Wiesers Arbeit genauer zu verstehen, muss man ihre vierjährige Ausbildung an der berühmten Kunstschmiede Bergmeister in Ebersberg bedenken, die sie vor ihrem Studium bei Axel Kasseböhmer und Markus Oehlen an der Münchener Akademie der Bildenden Künste absolvierte. Die Schmiede ist spezialisiert auf schlichte, frühmoderne Entwürfe für sakrale, kulturelle und politische Einrichtungen. Diesen Bezug zum Kunsthandwerk, bei dem pragmatische und künstlerische Gedanken verschmelzen (was das Bauhaus auf die Spitze trieb), hat Wieser nie verloren. Sockel und Spiegelbilder, Fototapeten, Wandreliefs und Podeste sind bei ihr stets in einem größeren Zusammenhang zu denken, als Elemente im Raum, der eine bestimmte Stimmung evoziert – und hier schließt sich der Kreis zu Wiesers langjähriger Arbeit im Bereich Szenenbild beim Film. Kunstwerke, so sieht sie es, sind nie vereinzelt zu betrachten, sondern sind Teil einer bestimmten Atmosphäre. Vor dem inneren Auge des Betrachters laufen Szenen und Zitate ab, die uns der Realität entheben und uns das Augenmerk auf Dinge richten lassen, die plötzlich ganz andere Qualitäten gewinnen, als sie uns der Alltag jemals beigebracht hätte. So wie man in die klassische Moderne einen Bezug zur Romantik und zur Irrationalität hineinlesen kann – man denke nur an Hilma af Klints und Emma Kunz‘ Inspirationen durch spirituelle Sitzungen oder an den Einfluss von Theosophie und Okkultismus auf Künstler wie Kandinsky, Klee und Mondrian – so haben auch Wiesers Arbeiten in all ihrer farbig-gemusterten Geometrie und collagenhaften Ästhetik einen Hang zum Traum, zum Stimmungsvollen und zur Abkehr vom Alltäglichen. Selbst, wenn es dabei nur um eine „Lobby“ geht.

*

The exhibition is part of DC Open, the joint season openings of galleries in Düsseldorf and Cologne.

Special opening hours for DC Open

Friday, September 4th, 2020, 11am - 10pm
Saturday, September 5th, 2020, 11am - 8pm
Sunday, September 6th, 2020, 11am - 6pm