press release only in german

„Meine Arbeiten sind näher bei der Malerei als bei der klassischen Fotografie - vom Denken her auf jeden Fall.“ Christoph Schreibers Arbeiten lösen sich vom dokumentarischen Anspruch der Fotografie. Sie sollen nicht Urkunde sein und auf etwas verweisen, das gewesen ist. Schreibers Interesse gilt sonderbaren Situationen, die ihn und, so sein Wunsch, den Betrachter seiner Bilder in Staunen versetzen, überraschen. Merkwürdige Gegebenheiten findet er meist bloss ansatzweise vor. Schreiber (geb. 1970) nutzt die Möglichkeiten der digitalen Technologie, um ein Motiv in jenen Zustand zu überführen, den er potentiell in diesem angelegt sieht. Als Fotograf erlangt er die gestalterische Freiheit eines Malers und mit diesem teilt er auch den Aufwand, der die Herstellung eines Bildes erfordert. Ein Bild erlangt seine gültige Form oft nach mehrmonatiger Arbeit am Computer.

Christoph Schreiber erachtet die digitale Bildmanipulation als „logische“ Fortsetzung der traditionellen fotografischen Kontrollmechanismen (Bildauswahl, Beleuchtung, Tiefenschärfe). Er verspürt keine Vorbehalte gegenüber der digitalen Bildverarbeitung, jedoch soll diese immer Mittel zum Zweck sein und nur in dem jeweils erforderlichen Ausmass eingesetzt werden. Eine vorgefundene Baumgruppe in einem ausgelassenen See ergänzte Schreiber einzig mit leicht aufsteigendem Nebel. Komplexer ist eine an den Rheinfall erinnernde Komposition, deren Elemente verschiedenen Bildquellen entnommen sind und in symmetrische Anordnung gebracht wurden. In einem Bild überschreitet Schreiber schliesslich die Grenzen dessen, was noch im Bereich des faktisch Möglichen liegt. Aus fotografischem Material, das er in Berlin gesammelt hatte, konstruierte er eine massive Bergkette und an deren Fuss impliziert er mit leuchtenden Strassenlaternen ein Dorf in Abendstimmung. Was generell als Problematik der digitalen Bildmanipulation hervorgehoben wird, nutzt Schreiber zu seinem Vorteil: Wird ein Bild aus diversen Quellen zusammengesetzt, so versucht er nicht, unterschiedliche Grössen- und Lichtverhältnisse aufzuheben. Diese Unstimmigkeiten wie auch der Einsatz verschiedener Perspektiven können, insofern die Abweichungen nicht allzu gross sind, seine von Seltsamkeit bestimmten Situationen verstärken.

Nicht Wiedergabe, sondern Konstruktion beziehungsweise Erfindung von Wirklichkeit ist Schreibers Anliegen. Welcher Art sind die Bildwelten, die er uns neu zeigt? Die Motive umfassen natürliche und kultivierte Landschaften, Architektur und industriell hergestellte Produkte. Gemeinsam ist diesen Bildern die generelle Abwesenheit von Menschen sowie die dominante symmetrische Komposition. Der Verzicht auf Personen, das Einmitten der Motive und die zurückhaltenden Farbtöne verbindet Schreiber durchaus mit der dokumentarischen Fotografie, insbesondere jener, die die Ansprüche wissenschaftlicher Bestandesaufnahmen reflektiert. Mit seinen zum Teil rigorosen gestalterischen Eingriffen und seinem Interesse für das Skurrile hebt sich Schreiber aber von diesen Fotografen ab und bekennt seine Affinität zu den Malern der deutschen Romantik. Seine Bilder laden zur Reflexion ein und belegen das Eigentümliche als Norm.

Ruth Littman Pressetext

only in german

Christoph Schreiber - Im Nebel wühlen
Neue Fotografien