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Christian Hoischen überzieht in seinen jüngsten Gemälden schäbige Alltagsgegenstände, sehnsuchtsbeladene Statussymbole, glitzernde Versatzstücke der Diskokultur sowie Ikonen der Medienwelt mit einer malerischen Haut, unter der alle diese Motive ein befremdlich eigenständiges Leben entwickeln, das der Selbstverständlichkeit des Dargestellten den Boden entzieht. In einer ganz eigenen, der Hinterglasmalerei verwandten Technik sprüht, gießt, malt und kratzt Hoischen auf eine Acrylschicht, die gehärtet auf dicke Styroporplatten aufkaschiert wird. So erhalten die Gemälde trotz der glatten, glänzenden Oberfläche, durch die das Gemalte durchscheint, eine selbstbewusste, kraftvolle physische Präsenz, die in ihrer Materialität konsequent an die früheren skulpturalen Arbeiten anschließt. Im Farbauftrag selbst finden sich bisweilen Lücken, die Bildoberfläche wird dann durch die dahinter liegende Struktur des weißen Styropors durchbrochen; an anderen Stellen ist die Farbe lasierend aufgetragen, anderenorts wiederum liegt sie in satten, pastosen Schichten übereinander und erzeugt so eine spannungsvolle Tiefe und malerische Sinnlichkeit.

Durch die Fokussierung auf das einzelne Motiv, dessen Monumentalisierung, und durch das Verweigern eines detail- und materialgetreuen Realismus unterliegen die Objekte einer Phasenverschiebung, die ein breites Spektrum potentieller Deutungen eröffnet: Wenn die Rolex-Uhr auf einmal nicht mehr nur das goldene Objekt für Protzbegierden ist, sondern ihr Zifferblatt im Malprozess verloren geht, ist sie eben auch mögliche Metapher für Zeit an sich. Die Diskokugel geht als Gestirn hinter einem gemalten Horizont auf, das Kinobild verliert seine glamouröse Oberfläche, und das abgewetzte Ledersofa könnte von all den Menschen erzählen, die es in seinem spießigen Dasein je gesehen hat. All dies sind aber nur Möglichkeiten, denn so wie sich die Malerei selbst unterschiedlich deutlich materialisiert, manifestieren sich auch die Sujets und mit ihnen ihre Realitäten.

Ralf Ziervogels neueste Arbeiten, gezeichnete gewaltige Panoptiken voller akribischer Details, erscheinen als zeitgenössische Varianten barocker Höllenphantasien, denen sie an Detailreichtum und bildnerischer Erfindungsgabe in nichts nachstehen: Die apokalyptischen Visionen der Alten Meister treffen auf Splattervideos, MTV und zu Sensationsgröße aufgebauschte Plattitüden des zeitgenössischen Medienspektakels. Ziervogel speit eine Phantasiewelt aus Gewaltorgien und sexuellen Pervertiertheiten aufs Papier, in der sich etwa der gefesselte Gulliver in die Andeutung eines nackten Frauenkörpers verwandelt, der von einer Unzahl kleiner böser Männer gemartert wird. Die Wucht dieser Szenarien wird aber immer wieder gebrochen durch kleine Momente absurder Komik, ironische Seitenhiebe auf Konsumverliebtheit und Heldenverehrung in Zeiten von Pop und Trash.

Durch ihre schiere Größe und bildnerische Informationsvielgestaltigkeit entziehen sich die Zeichnungen rotzig der Erfassbarkeit: Von weitem erscheinen sie als Wimmelbilder, deren einzelne Zeichenstränge geradezu ornamental das Blatt überwuchern, und die in ihrer Verzweigtheit und schieren Fülle das Auge des Betrachters absichtsvoll überfordern. Der Blick schweift umher, fokussiert hier ein Detail, versenkt sich dort in eine andere Geschichte, um dann gleich wieder von einem weiteren unerhörten Motiv angezogen zu werden. Immer wieder tauchen einzelne Figuren auf, die anderen bei ihrem Treiben mit Ferngläsern zusehen und zu Sinnbildern voyeuristischen Schauens werden. Fast scheint es beim Betrachten, als zappe man sich durch sämtliche Fernsehkanäle, um angesichts einer Unzahl von Bildfetzen den Überblick zu verlieren. So halten sich Ziervogels Arbeiten in einer spannungsreichen Balance zwischen Momenten von Lesbarkeit und schwindlig machendem Bilderwirbel, zwischen Bosch und Tarantino, und erzählen eigentlich von einer exzessiven Lust am Zeichnen selbst.

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