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Guerillataktik und ephemerer Kunstcharakter - Zu den Arbeiten von Christían Eisenberger von Walter Seidl

Die Repräsentanz aktueller Kunstproduktion verteilt sich in unterschiedliche Nischen, deren Divergenz am Beispiel einer beständigen, objekthafen und einer sich aufflösenden, Ietztendlich nur im dokumentarischen Zustand verweilenden Praxis Sichtbarkeit erlangt. Performative Einsätze des Körpers im öffentlichen Raum gelten spätestens seit den 1960er Jahren als wesentlicher Bestandteil einer Kunst, die politische Ziele mit der Temporalität ihrer Ausübung gleichsetzt. Der Künstler Christian Eisenberger nützt den öffentlichen Raum, um in diesem künstlerische Spuren zu hinterlassen, die als ephemereGesten Objekthaftigkeit und Körperlichkeit und deren Performativität miteinander verknüpfen.Seien es Versatzstücke des Alltags oder die Person des Künstlers selbst, der mit seinem eigenen Körper arbeitet und die objekthaften Residuen dieser performativen Momenteals Kunstobjekte und mittlerweile von Sammlerlnnen begehrte Ware zurücklässt.Der Kult, der um die Person Christian Eisenberger als im öffentlichen Raum jahrelanganonym agierender Interventionist gemacht wurde, führte schließlich zur namentlichen Personifizierung des Künstlers, dessen Arbeiten ebenso Eingang in den Galerienkontextfinden, obwohl die künstlerische Praxis nach wie vor auf Momente des öffentlichen Raums ausgerichtet ist. Kennzeichnend für Eisenbergers Arbeitsansatz ist die Verwendung von alltäglichen Materialien, vor allem Karton und Pappe, was ihn oftmals auf Fundstückeim öffentlichen Raum zurückgreifen lässt, um diese zu verarbeiten und als Recyclingobjekte wieder in den öffentlichen Raum rückzuführen. Jahrelang spezialisierte sich der Künstler auf Pappfiguren, die Personen aus Politik, Geschichte und Alltag in minimalistischer Schwarz-weiß Konturierung zeigen und in Guerillataktik weltweit in unterschiedlichen Orten aufgestellt werden, oftmals auch in einem Kunstumfeld wie etwa der Frieze Art Fair oder der Venedig Biennale. Die Pappkameraden wurden zu Ikonen des Stadtraumes, die vor allem in Wien in immer häufiger Anzahl an dicht frequentierten Orten auftauchten, sei es in U-Bahn Stationen, am Karlsplatz, in Off-Spaces und Kunsträumen wie etwa in dem von 2002-2005 sich unterhalb der Gleise des Pratersterns befindlichen FLUC. Die ursprüngliche Singularität der Figuren wurde im Laufe der Zeit verdichtet und bildet nun Konglomerate an Personen und Gesichtern, etwa jenes bekannte Bild aus dem Vietnam Krieg, bei dem Männer, Frauen und Kinder vor dem drohenden Unheil fliehen, was an aktuelle Terrorszenarien erinnert und an eine Welt, in der Friedenszustände nur mehr durch Krieg erzeugt werden können, der oftmals gegen einen virtuellen Feind geführt zu werden scheint. Die leicht bedrohlichen Gesten der einzelnen Figuren mahnen Passantlnnen jener Grauzone zwischen Realität und Fiktion, die durch mediale Bilder entsteht und unsere Vorstellung von Wirklichkeit verquert. In dieser Hinsicht knüpft Eisenberger an Jean Baudrillards Modell des Simulacrum an, das als massenmedialesKonstrukt die Unterscheidung zwischen Original und Kopie, Vorbild und Nachbild oftmalserschwert. Allgegenwärtige fotografische Abbilder und ihre Verfremdung begegnen demPublikum als Unzahl von Figuren, die Konterfeis von Albert Einstein, George W. Bush, CheGuevara, Mahatma Ghandi, Osama bin Laden oder auch Joseph Beuys und Oscar Wildezeigen. Diese werden oftmals in Gruppen zusammengeführt und als massenwirksamesInstrument im öffentlichen Raum eingesetzt.Die Frage des Materials ist bei Eisenberger stets kontextbezogen, da sein Kunstbegriffnicht von einer vorformulierten Medialität ausgeht und je nach lokalen Gegebenheite adaptiert werden kann. Die Akkumulation vongefundenem und daraufhin transformiertemMaterial führt in den meisten Fällen zu überbordenden Wucherungen oder Metastasen, wie auch dem Titel einer Installation im Projektraum Viktor Bucher 2007 in Wien zuentnehmen war. Eisenberger lässt aus den gefundenen Kartonagen jedoch nicht immernur Pappfiguren entstehen, sondern setzt sich mit urbanen Fragestellungen auseinander, die die überbordende Wohnungsnot und Situationen in sozialen Randzonen thematisiert.Die Installation Sassi City etwa zeigt ein Kartonhäuserdorf, das in unterschiedlichen Dimensionen Giebelhäuser ineinander verfrachtet und in seiner Gesamtsituation einerKirchenarchitektur ähnelt. Referenzen an den Turmbau zu Babel sind in diese Installationebenso eingeschrieben wie die Problematik der Überpopulation und Slumentwicklung.Die ,,sassiness" oder Frechheit, mit der der Künstler an die Dinge herangeht, birgt jenesaktionistische Potenzial in sich, das als Kennzeichen von Eisenbergers Arbeitsansatz gilt.Akribisch in der Produktion und aktionistisch in der Umsetzung könnte als Dialektik für diezwei von Eisenberger verfolgten Arbeitsmethoden gelten. Wenn der Künstler nicht geradeResiduen an Material als objekthafte Szenarien in öffentlichen und privaten Räumenzurück lässt, benutzt er den eigenen Körper als künstlerisches Medium der Interaktion.Die Aktionen von Eisenberger variieren je nach bewusst gewähltem Umgebungszusammenhang. Dabei geht der Künstler u.a. der Frage nach, wie Körperlichkeit als massenmedial am weitesten verbreitetes Werbetool und gleichzeitig verwundbarste menschliche Befindlichkeitsebene auf den Prüfstand gestellt werden kann. Zu diesem Zweck zog sich Eisenberger 2007 vierzig Tage in eine katholische Kirche zurück, die dem österlichen Ritual des Fastens bzw. einer innerlichen Katharsisfolgt. Nach Verlassen dieser Zeit der Abgeschiedenheit stellte der Künstler innerste Èrfahrungsmomente durch die physische Präsenz von Körperlichkeit in der Offentlichkeitzur Schau. Als Resultat folgte eine Déjà-vu artige (Re-)Aktion auf der Art Cologne, diedarin bestand, dass sich der Künstler den Körper mit seinem eigenen Sperma einriebum sich dann auf eine, auf seine Körpergröße abgestimmte Spiegelplatte am Boden zu legen und mit einem Tuch zugedeckt eine Stunde lang dort zu verweilen. 1/960 also ein Neunhundertsechzigstel gilt als Ausschnitt jener 960 Stunden bzw. 40 Tage, die Eisenberger zu künstlerischen Selbstfindungszecken in kirchlicher Abgeschiedenheit zubrachte. Durch den spärlichen Umgang mit den zur Verfügung stehenden Objekten diente der eigene Körper in dieser Zeit zur intensiveren Erkundung und der hier erzeugte Fruchtbarkeit-spendende Anteil als Residuum künstlerischer Produktion.Referenzen an aktionistische Tendenzen im Österreich der 1960er Jahre, bei denen die Objekthaftigkeit des Körpers ein zentrales Moment der vorwiegend männlichen künstlerischen Betrachtungsweise darstellte, wurden offenkundig. Andererseits betont Eisenberger auch die Subjekthaftigkeit des Körpers, die wiederum ein wesentliches Kriterium in den Arbeiten von VALIE EXPORT bildet, etwa der Aktion Eros/ion aus dem Jahr 1969, bei der sich die Künstlerin am Boden nackt über Glassplitter und eine Glasplatte wälzte. Eisenbergers Performance nützt ebenso den Boden als Element der Handlung, jedoch liegt der Künstler dort nach dem Akt des Einbalsamierens bedeckt mit einem Tuch, um den voyeuristischen Blicken der Betrachterlnnen zu entgehen. Die (religiöse) Zwiespältigkeit des zur Schau getragenen Rituals schließt gleichzeitig an die Problematik einer möglichen Verletzung von Tabus in der Öffentlichkeit bzw. der veränderten Sichtweise auf Körperflüssigkeiten im Zeitalter von Aids an. Während sichVito Acconci bei seiner Masturbationsszene Seedbed in der Sonnabend Gallery 1972 unter einer Rampe verbirgt und lediglich Geräusche seiner Aktion hörbar werden, steht bei Eisenberger das Ergebnis dieser Handlung im Vordergrund, die als Akt selbst ebenso unsichtbar bleibt. Das Resultat von Eisenbergers Aktion ist jedoch nicht sofort als solches erkennbar und könnte auch mit Kosmetikprodukten verwechselt werden, die eine lange Frische und Natürlichkeit von Körper suggerieren, letztendlich aber kúnstlich erzeugt werden.Der Körper als architektonisch vorformulierte Oberflächenzusammensetzung, dessenGrenzen Künstlerlnnen immer wieder aufzubrechen versuchen, zeigt sich weiters in jenenFiguren aus braunem Klebeband, die den Körper des Künstlers markieren bzw. um diesenherum geformt wurden. Solche Figuren finden sich immer wieder auch im öffentlichen Raum, in jüngster Zeit werden sie auch mit Beton ausgefüllt, wodurch Eisenberger zum klassischen Skulpturenbegriff der körperlichen Repräsentation zurückkehrt. Fragen nach Bondage, Einbalsamieren bzw. körperlichen Hüllen und deren Verletzbarkeit definieren die Fragilität bzw. Balance von physischen und psychischen Momenten als subjektstiftende Einheiten.Andere Aktionen vermengen politische Bilder mit surrealen Wirklichkeitsmomenten, wenn der Künstler etwa als Clown mit Sprengstoffgürtel durch die Straßen oder die Wiener Kunstmesse zieht und den Hinweis Help me / Kill me auf seiner Brust trägt. Die Frage nach Problem- oder Lösungsansätzen in gegenwärtigen Krisenmomenten bleibt hier jedoch den jeweiligen Betrachterlnnen überlassen. Ebenso bei den Installationen imöffentlichen Raum, wenn Versatzstücke des AIItags miteinander verbunden werden, etwader Reinszenierung einer Obdachlosenszene, bei der der Künstler ein Spielzeugrad mitPedalen auf einen umgekippten Kochtopf neben eine auf einem Karton kauernde Personstellt und dadurch an Duchamps Ready Mades als Modul für Kinder verweist. Letztereskennzeichnet Eisenbergers Arbeitsansatz, bei dem situative Momente hergestellt werden,deren weiteres Schicksal der Natur der Dinge überlassen wird. Im Sinne einer situationistischen Betrachtungsweise postuliert Eisenberger dadurch jene Schnittstelle von Kunst, Politik und Wirklichkeit, in der die Realisierung der Kunst im Alltagsleben eingefordert wird. Eine ebensolche ironische Eingliederung in einen organischen Kreislauf bildet Eisenbergers Umgang mit Zuckerwürfel, die im Wald Schriftzüge wie Bank erkennen lassen, jedoch unmittelbar darauf von Ameisen aufgelöst werden und zu einer Ants' Bank mutieren. Dies gilt auch für die Installation des Peter Eisenman Ants Memorial, ein Karree aus Zuckerwürfel, das an Peter Eisenmans Holocaust Memorial in Berlin erinnert und dessen vermeintliche Vergänglichkeit Eisenberger durch die Vernichtung der Zuckerwürfel seitens der Ameisen persifliert. Die Kulmination von zahlreichen Einzelelementen, die in ihrer Fülle meist in Materialwucherungen münden, kennzeichnet Eisenbergers Ansatz im Umgang mit Räumen. Oftmals werden Röhrengebilde, die an Krücken bzw. Prothesen erinnern, durch gelenkartige Verbindungen als vertikales und horizontales Gitter in den Raum eingefügt und dieser dadurch in seiner Struktur durchschnitten. Auch hier dient braunes Klebeband als zentrales Verbindungsglied der einzelnen Teile. Ob als häusliche Umgebung während des Rückzugs in die Kirche, als erweiterte Ateliersituation oder Galerienver- bzw. -ausbau, die Verzweigungen aus Karton im Röhren- oder Schachtelzustand nehmen immer wiederneue Dimensionen an, die auf Momente einer Überbevölkerung und den daraus resultierenden Behausungsbedarf verweisen. Eisenbergers Eingriffe in unterschiedliche Modelle des öffentlichen Raums erfolgen stets in Form einer Guerillataktik, bei der der Künstler als anonyme Person agiert und künstlerische Spuren mit ephemerer Lebensdauer hinterlässt.