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Es sind nicht zuletzt die elementaren Kräfte der Erdanziehung, die sich Christian Berg für seine plastischen Gestaltungen zu Nutze macht, sind sie doch nachgerade konstitutiv bei seinen Betongüssen. Sie machen die Gesetzmäßigkeiten der Elemente nicht nur visuell erlebbar, sondern erhalten vor allem erst durch diese ihre spezifische Form. Überprüfbare Belege hierzu bietet nun, nach seiner Beteiligung in einer Gruppenausstellung im vergangenen Jahr seine erste Einzelausstellung in den Räumen der Galerie unter dem Titel ‚mental polis’.

Der 1972 geborene Schüler von Georg Herold an der Kunstakademie Düsseldorf zeigt darin neben einer Auswahl von Pastellkreidezeichnungen im hinteren Raum an der Wand die Arbeit ‚Atlas’, eine schwarz eingefärbte Betonplastik, die in ihrer Form an eine Konsole erinnert und unmittelbar an Ort und Stelle an der Wand gegossen wurde. Ob der plastischen Gestaltung mit dieser Geste auch eine Funktion des Gebrauchs zukommt, oder vielmehr ein bildhauerisches Grundprinzip von Tragen und Lasten visualisiert wird, darf zunächst einmal offen bleiben. Auch für das skulpturale Arrangement im vorderen Raum gilt zunächst ähnliches. Vier kegelförmige, unbehandelte Betongüsse fungieren dort unmissverständlich als Raumhindernisse und bremsen den Bewegungsfluss. In ihren Abmessungen variieren sie leicht, erreichen aber in etwa Hüfthöhe. Nicht nur das Material, auch die Form und ihre Platzierung wirkt auf den ersten Blick ausgesprochen abweisend und fordert Abstand ein. Die konkrete skulpturale Setzung folgt dabei einer operativen Logik und scheint sich einer Autorität des Einfachen zu unterwerfen. Offensichtlich bilden die pyramidenartigen Formen untereinander eine ‚geistige Gemeinschaft’ und halten den Betrachter in nachgerade aufdringlicher Manier auf respektvoller Distanz. Dennoch bieten uns die Formen einige Anknüpfungspunkte. Weitreichende Assoziationen können sich einstellen, wie etwa an einige in den 30er Jahren angelegte Verteidigungslinien aus Panzersperren, welche auch Drachenzähne oder Höckerlinie genannt werden. Die Einfachheit der Form korreliert demnach nicht unbedingt mit der Einfachheit der Erfahrung. Viele der Arbeiten von Christian Berg lassen sich in die Geschichte präexistenter Gestaltungsformen einordnen, untersuchen deren fortdauernden Gehalt und stehen dennoch zuallererst für sich selbst.

Dieser Vorgang durchmisst dabei einen langwierigen Prozess, der mit einem Vorstellungsbild anhebt und zunächst zwingt, ein Negativ dieser Vorstellung zu entwerfen und zu konstruieren. In dieser Gussform bezeichnet die Skulptur zunächst einen leeren Raum. Erst durch das kompromisslose Vertrauen in die Schwerkraft, das Ausfüllen der Leere mit der angerichteten Betonmasse, verfestigen sich die flüssigen Strukturen. Diverse Aggregatszustände werden folglich durchmessen. Die Kunst gleicht dabei einer Aktivität, die sich selbst ausbrennt und verzehrt, und dabei etwas anderes entstehen lässt. Aus kreativer Beharrlichkeit erwächst somit eine spezifische Interaktion mit der Welt.

Wenn das Leben leicht wäre, gäbe es vielleicht gar keine Skulptur. Schließlich sind auch wir durch physikalische Gesetzmäßigkeiten eingeschränkt, zu unserer Form von Existenz verurteilt. Seit jeher gehört es daher zu den vordringlichsten Anliegen der Bildhauer ihren Skulpturen Standfestigkeit und einen sicheren Halt zu geben. Auch wir benötigen wenigstens ansatzweise einen sicheren Rückhalt für unser Dasein. Das Augenmerk des Bildhauers gilt in erster Linie der Fragestellung nach dem Körper im Bezug zu seiner Umgebung. Innen und Außen, Hülle und Inhalt, Gefäß und Raum, Schwerkraft und Gleichgewicht: hier berühren wir elementare Bereiche plastischen Empfindens und Gestaltens. Es geht um eine spezifische Aneignung von Welt, die durch die unmittelbare Anbindung an das eigene Körperempfinden Möglichkeitsformen eben dieser Aneignung kommunizierbar und reflektierbar macht. Der Kunst fällt dabei die Aufgabe zu, als Mittel zur Selbst- und Welterforschung in Stellung gebracht zu werden. Die plastischen Gestaltungen von Christian Berg fordern dazu auf, sie in den Kreis unserer geistigen Gemeinschaft mit aufzunehmen.

Auch die Pastellkreidezeichnungen des Künstlers lassen sich hier einreihen. Zugrunde liegt ihnen ein System von Raum erzeugenden pikturalen Elementen, die einer Syntax zu gehorchen scheinen, einem Regelwerk der spielerisch-kalkulierten Kombination und Reihung dieser Elemente. Alle Oberflächen bestehen aus demselben optischen Material. Vor allem erscheinen diese Oberflächen ausgesprochen dünn und filigran, in Teilen nahezu gläsern transparent. Die verschachtelten Flächen, Kuben oder Würfel auf diesen hermetisch prismatischen Bildern sind gleichsam Konsumenten des Lichts. Die Zeichnungen von Christian Berg sind zunächst ein reines Urteilen über Formen, zugleich jedoch auch eine intensive Tätigkeit des Geistes und damit selbst Medium der Erkenntnis.

Harald Uhr

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Christian Berg: mental polis