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Die Galerie Nordenhake freut sich, die zweite Einzelausstellung des schwedischen Künstlers Christian Andersson in Berlin zu präsentieren. Andersson nutz in seinen neusten Arbeiten Elemente aus der Vergangenheit als Ansatzpunkte um Fragen von Zeitlichkeit, Wahrnehmung, Sichtbarkeit und Repräsentation zu erkunden.

Gleich bei Betreten der Galerie ist der stechende Geruch wahrnehmbar, der aus den 49 Tongefäßen der Arbeit Paper Clip (The Baghdad Batteries) verströmt. Die kleinen, antik anmutenden Gefäße sind mit Essig gefüllt und über Kupferdraht mit einem Eisenstab verbunden. Anderssons Apparatur repliziert, was einige Wissenschaftler für eine frühe elektrochemische Zelle halten, die in Bagdad gefunden wurde und auf das erste Jahrhundert nach Chr. datiert wird (und damit beträchtlich älter wäre, als die anerkannte Erfindung Voltas von 1800.) Die Verbindung von Kupfer und Eisen mit der Säure des Essigs erzeugt einen elektrischen Magneten. Die positive Ladung wird durch die Büroklammer sichtbar, die an der Spitze der Eisenstange haftet.

In der Installation Sistine Chapel (B.C.) dient die abgebrochene Ecke des Glastisches als Instrument, um einen verzerrte Comic zu präsentieren, der nur in der Spiegelung auf der Oberfläche des Tisches lesbar wird. Die kurze Bildsequenz zeigt zwei Höhlenmenschen, die verblüfft die Wolkenformation im Himmel mit der Decke der Sixtinischen Kapelle vergleichen. Zeitliche Verbindungen und Prähistorie spielen auch in der Fotografie von drei farbigen Flammen eine Rolle, die wie Molotowcocktails aus Chemikalienflaschen züngeln. Untitled (Fire) übersetzt, was einst ein unbegreifliches Wunder darstellte, in die heute geläufige Sprache der Bildwiedergabe, das RGB Spektrum elektronischer Bildschirme von Fernsehern und Computern. Das Photo deutet auf vergangene Entdeckungen und die psychologische und technische Evolution des modernen Menschen, indem es auf Farbtheorie und die Farbphotographie verweist, und damit auf eine Repräsentationsweise, die der Wirklichkeit näher zu kommen scheint, als ihre Vorläufer.

Die zweite Photographie in der Ausstellung reproduziert ein gepixeltes Foto in einem Rahmen mit leicht gesprungenem Glas. Auf dem Foto ist eine eingepackte Skulptur zu sehen, die — anscheinend mitten beim Aufbau — frei in der Luft schwebt. Es handelt sich um Georg Kolbes Bronzeplastik Alba (Morgen) aus Mies van der Rohes deutschen Pavillon für die Weltausstellung 1929 in Barcelona. Der Pavillon, der als Empfangshalle für die Ausstellungseröffnung errichtet wurde und später als Durchgangshalle diente, war aufwendig mit Onyx, Travertin, Glas und verschiedenem Marmor ausgestattet. Das einflussreiche Gebäude, das nach Ende der Ausstellung abgerissen worden war, wurde einschließlich der Replik der Kolbe-Plastik Mitte der 1980er am ursprünglichen Ort wieder rekonstruiert. In Anderssons Arbeit versinnbildlichen der haarfeine Riss im Glas und der vergebliche Versuch, ihn durch eine zweite Bildschicht zu verbergen, unvoraussehba re Schwierigkeiten — eine Idee, die falsch gegangen ist. Die unidentifizierbare, in der Luft hängende Plastik eines Deutschen Bildhauers aus den 1930ern umschreibt einen Moment des Schwebezustands und visualisiert die zeitliche Differenz zwischen ursprünglichem Pavillon und seinem späteren Wiederaufbau.

Auf den Barcelona-Pavillon bezieht sich auch die Installation are we not drawn onward, we few, drawn onward to new era. Den Raum durchzieht eine fotografische Detailvergrößerung aus der Onyxwand des Pavillons, die als Ready-made Rorschach-Test inszeniert wird. Die Temporalität des Pavillons beschwören die Lichtblitze eines Stroboskops, die das Foto für Bruchteile von hinten beleuchten und plötzlich ungeahnte Details sichtbar werden lassen. Der palindromartige Titel bildet einerseits einen vollständigen Satz, ist aber gleichzeitig als gespiegeltes, unvollständiges Fragment lesbar. Er deutet auf die Ära der 30er Jahre (die kurze Existenz des Pavillons, den Niedergang der Weimarer Republik und den Aufstieg des 3. Reiches) und stellt gleichzeitig eine Frage, die ihre eigne Antwort als Spiegelung beinhaltet. Die gemischte Zeitlichkeit, der wir in 51 Days in June durchweg begegnen, machen die Wendungen des Titels are we not drawn onward buchstäblich: der Übergang von der Vergangenheit in die Gegenwart und wieder zurück.

Christian Andersson wurde 1973 in Stockholm geboren. Er lebt und arbeitet derzeit in Malmö.

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Christian Andersson