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SCHLEICHER/LANGE freut sich, die Einzelausstellung Local Horizon des in London lebenden Chris Cornishʼ zu zeigen: Ohne Frage wandelt der Künstler mit einer beeindruckenden Sicherheit auf der Grenze zwischen realen und virtuellen Räumen.

Wie ein Medienarchäologe arbeitet er sich in die Geschichte der Computertechnikebenso wie in das tradierte Wissen der Kunst- und Technikgeschichte hinein, um die Perspektivierung auf die Welt (etwa seit Leon Battista Alberti) zu erforschen. Cornish bewegt sich im Zwischenraum unterschiedlichster medialer Schichten. Dabei geht esihm in seiner Medienarchäologie darum, Informationen, Objekte und Umgebungen aus virtuellen oder historischen Quellen zu heben, um diese – von ihm künstlerisch umgeformt als Skulpturen, Fotografien und Filme – in reale Räume zu übersetzen. Nur selten finden sich Künstler, die diese Verbindung von etablierten Medien der Kunstproduktion auf solch eine poetische Weise mit virtuellen Techniken verbinden wie es Chris Cornish vermag. Für die Show hat er vollständig neue Arbeiten produziert, die er lose mit dem Konzept des „Local Horizon“ aus der Astronomie verknüpft. So besagt dieser Ansatz, dass die Sicht auf die Welt ebenso wie auf die Sterne vom Standpunkt des Betrachters abhängig ist. Dabei müsse ebenfalls die Krümmung der Erdoberfläche berücksichtigt werden, denn alles was jenseits der Sichtachse des Betrachters läge, bleibe unsichtbar. Diese Auseinandersetzung mit der sozialen, historischen, örtlichen und medialen Perspektivierung je nach Standort und technischen Hilfsmitteln des Betrachters im Raum überträgt Cornish nicht nur formal in die unterschiedlichen Medien, sondern er spielt damit auch inhaltlich. Der Künstler dazu: „ I think this is why the concept of local horizon caught my imagination −the world according to a specific view, time and space; rather than a shared perspective.” Viele der vollständig neuen Werke enthalten dabei sowohl eine Prise von Wissenschaft als auch eine von Magie.

Die sechs runden Bodenskulpturen der Horizons (2012), die in ihrer Form und taktilen Oberfläche die traditionelle Herstellungstechnik von Globen nutzen, scheinen zunächst nur unterschiedliche Farbskalierungen zu zeigen. Wenn man dann aber weiß, dass ihre Einfärbung die genaue 360-Grad-Lichtsituation zu einemspezifischen Moment an einem spezifischen Ort abbildet (von der Reflexion der blauen Berglandschaft in Utah bis hin zum lichtdurchbrochenen Dunkel des Himmels über Tokyos Skyline), dann erschließt sich förmlich ein ganzes Universum von Zeit-Licht-Raum-Abbildungen. Wenn diese genauen Licht-Mappings dann in den realen Raum der Galerie und ihrer gleißend hellen Lichtverhältnisse gelegt werden, entsteht ein doppeltes Echo zwischen der festgefrorenen Lichtsituation der Skulpturen undderjenigen des Ausstellungsortes.

Der Film What follows (2012) zeigt einen Viewing Booth, der auch im Graphik- und Produktdesign zur Beleuchtung und Produktion von Gegenständen verwendet wird. Die Kammer dieser Box ist in einer Farbtemperatur kalibriert, welche akkurat nach dem Tageslicht eingestellt ist. Wie vor einem künstlichen Himmel dreht sich ein mysteriöser Schattenriss in einem zeitlosen Raum und verändert seine Form. Chris Cornish erzählte dazu, dass er auf frühe Radierungen der deskriptiven Geometrie und Schattendarstellungen zurückgreife, um Ideen zum Screen, der Projektion und Schatten zu erkunden. Betrachtet man den Film formell, lassen sich Verbindungen zur jüngeren Kunstgeschichte finden, wie etwa zu Larry Bells Kuben, die mit Licht und Raum experimentieren, und minimalistische Werke aus den 1970er-Jahren wie etwa von Dan Graham.

Außerdem zeigt Cornish neue fotografische Arbeiten: So handelt es sich bei The Logic of Being (2012) um ein Triptychon, dessen Lesart wiederum von der Perspektivierung durch den Betrachter abhängt. Jede Fotografie ist ein Panorama von Fotografien. Die verschiedenen Ausrichtungen der Kamera, nur durch die Verwendung von Zielmarkern ersichtlich, wurden auf dem papierenen Hintergrund zufällig gesetzt. Das resultierende Bild − vollständig technisch hergestellt − evoziert ein neues Universum. Denn die Markierungen werden zu Navigationspunkten im Bildraum, einem Sternenfeld gleich. Ebenfalls neu ist die Arbeit Out of the Blue, into the Black (2012), die zwei Fotografien von Seifenblasen zeigt. Doch während das eine Bild die glänzende Oberfläche dieser faszinierenden Hybride (geschaffen aus Atem und einfacher Seifenlauge) aufnimmt, ist die zweite Oberfläche nur matt zu sehen. Durch eine einfache Geste, wie dem Austauschen eines Filters sowie das Abschalten des Kamerablitzes, schweben diese Seifenblasen wie Geister durch die Dunkelheit und lassen ihre Konturen vage erahnen. Alle Arbeiten in der Ausstellung fächern Raum durch die besondere Perspektivierung des Local Horizon und durch traditionelle Techniken wie der Kamera, die Herstellung von Globen und dem Viewing Booth auf. Mit diesem Blick Cornishs eröffnen sich neue Sichtweisen auf Raum: Reales und Virtuelles greift ineinander und lässt den Betrachter nicht selten ob der akkurat produzierten Effekte und hoch ästhetischen Umsetzung verblüfft zurück.

Text: Dr. Christine Nippe