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Eröffnung am 07-Nov-08 um 19:00 h

Jochen Hempel, Galerist der Dogenhaus Galerie Leipzig, zeigt Mark Lombardi und Julius Popp – zwei Positionen, die eine große Präzision in ihrem künstlerischen Arbeiten verbindet. Wo Lombardi Machtgefälle und Ökonomien minutiös auseinandernimmt, fokussiert Popp die Mechanismen von Wahrnehmung und Bewegung, Kommunikation und sprachlichen Prozessen. Beide Künstler widmen sich gesellschaftlicher Restriktion, Kontrolle und den Bedingungen der Systeme, in denen wir uns bewegen.

Der US-amerikanische Künstler Mark Lombardi (geb. 1951 in Syracuse, New York, gest. 2000 in Brooklyn, New York City) ist vor allem für seine so genannten ›Soziogramme‹ bekannt, die politisch-ökonomische Strukturen darstellen. Lombardi beschäftigte sich intensiv mit einigen der größten finanziellen Affären der 1990er Jahre, in die wichtige Figuren der Weltpolitik involviert waren. Beispiele hierfür sind die Verflechtungen der Institutionen und Personen von BCCI, Lincoln Savings, World Finance of Miami, Vatican Bank, Opus Dei, Silverado Savings und George W. Bush. Geradezu obsessiv sammelte der Künstler Informationen aus Presseberichten und Firmendokumentationen. Die aus seinen Recherchen resultierenden Arbeiten sind detailliert gezeichnete Diagramme – ›narrative Strukturen‹ –, die PolitikerInnen, Banken, Terrororganisationen, Konzerne und Mafiabosse zu einem globalen Netzwerk verbinden. Die akribische Offenlegung von persönlichen Beziehungen und damit verbundenen Abhängigkeiten begründet die enorme Brisanz der Arbeiten Lombardis zur Zeit ihrer Entstehung. Abstrahiert von den konkret genannten Personen und Institutionen zeichnen sie ein Bild globaler Machtstrukturen und sozialer Kartelle, das universell anmutet, aber doch fragmentiert bleibt.

Julius Popp (geb. 1973 in Nürnberg) dienen ebenfalls soziale Strukturen als Grundlage für seine Arbeit, jedoch auf sehr viel abstrakterer Ebene. Die ›bit.series‹ analysieren gesellschaftliche Informationsflüsse. ›bit.fall‹ etwa verarbeitet nach den Regeln eines einfachen statistischen Algorithmus Schlagwörter, die im Internet gespeichert und vernetzt sind. Für einen Moment macht Popp sie sichtbar – als flüchtigen, jedoch optisch und akustisch erfahrbaren Wasserfall im Ausstellungsraum. ›bit.flow‹ geht noch einen Schritt weiter und führt vor, wie nah Ordnung und Chaos einander sind bzw. sich sogar gegenseitig bedingen. Die Lesbarkeit der hier generierten Texte findet nur räumlich und zeitlich ausschnitthaft statt – bevor die Trägersubstanz sich wieder in ordnungslose Beliebigkeit zerstreut. Ein zweiter Schwerpunkt in Popps Arbeit stellen seine ›micro.series‹ dar. In ihnen führt er die wechselseitige Beeinflussung allen Seins mit seiner Umgebung vor. Die Arbeit ›micro.perpendiculars‹ besteht aus einer Reihe von Kapseln, in denen Prozessoren stecken, die diverse Umwelteinflüsse verarbeiten: Luftströme, Bewegungen von BesucherInnen im Raum sowie die Bewegung der anderen Kapseln. So entsteht ein ebenso labiles wie dynamisches System aus Bewegung und fortwährender Reaktion, eine Auseinandersetzung mit den Bedingungen gesellschaftlicher und kommunikativer Prozesse, die auch erkennen lässt, dass identitäre Zustände flüchtig sind und Faktoren wie Wissen, Macht oder auch die Betrachtung selbst ununterbrochen neuen Kontextbedingungen ausgesetzt sind.

So unterschiedlich die ästhetischen Konzepte und die Wahl der künstlerischen Mittel sind, so nah liegen inhaltliche Interessen. Strukturen, keine Einzelfälle, werden analysiert, elementare Fragen an Subjekt und Gesellschaft gestellt. Und letztendlich lässt sich von beiden von Hempel ausgewählten Positionen auch eine Verbindung zum fragil anmutenden System der Kunst herstellen, einem System, in dem es komplexe Machtmechanismen und Abhängigkeiten zwischen den unterschiedlich Beteiligten gibt, in dem ständige Verlagerungen und Verschiebungen im Kräfteverhältnis zwischen Markt, Museum, KünstlerInnen und Publikum stattfinden.

Die Dogenhaus Galerie wurde von Jochen Hempel 1992 in Leipzig gegründet. Die Galerie arbeitet mit deutschen und internationalen KünstlerInnen. Neben langjährigen Kooperationen mit ostdeutschen Künstlern, z. B. Frank Berendt, Hartwig Ebersbach, Ulf Puder, Matthias Hoch, Kaeseberg und Peter Krauskopf, werden auch Stephan Balkenhol, Ina Bierstedt, Ruprecht Dreher, Leif Trenkler, Joe Amrhein, Reed Anderson, Graham Gillmore, Kent Iwemyr, Esko Männikkö, Ati Maier und Beat Streuli vertreten. Die jüngere Generation Leipziger KünstlerInnen in der Dogenhaus Galerie ist durch Tilo Schulz, Julius Popp, Albrecht Tübke, Andreas Schulze und Rebecca Wilton präsent.

Von 2008 bis Anfang 2010 widmet sich die GfZK privatem Engagement in der Kunst. Elf Privatpersonen und Unternehmen sind eingeladen, ihre Aktivitäten in Form von Ausstellungen darzustellen. Sie erhalten eine ›Carte Blanche‹, das heißt es bleibt ihnen überlassen, wie sie die Aufgabe interpretieren bzw. mit welchen KuratorInnen sie zusammenarbeiten wollen. Im Gegenzug übernehmen sie die kompletten Kosten für ihr Projekt. Kurator dieser Ausstellung ist Jochen Hempel selbst.

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Carte Blanche IV
Dogenhaus Galerie Leipzig: Mark Lombardi, Julius Popp
kuratiert von Jochem Hempel in Zusammenarbeit mit Ilina Koralova und Joe Amrhein