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Geister schauen dich an. Manche sind nur schwach umrissen und nur als Ahnung erkennbar. Manche sind gesichtslos und versenken die Blicke in einem hellen Nichts. Manche sind versteckt, übermalt, verschwunden. Sie sind immer präsent.

Sie sind Erinnerung. Sie waren einmal Freunde, Idole, Vorbilder, Feinde. Sie waren Leitbilder in einer bildgeleiteten Zeit. Sie sind Material, für unsere kollektive Erinnerung, für unser eigenes biografisches Memoryspiel, für Carsten Focks Kunst.

Fock macht Erinnerungskunst. Seine Bilder, die manchmal so graphisch und direkt wirken, so farbig und flächig, so laut und schnell, diese Bilder sind gestaffelt, sind geschichtet, sie sind wie ein Ariadnefaden, an dem entlang wir uns zurücktasten können in eine Zeit, die war und die ist. Denn wir kommen immer wieder bei den gleichen Bildern an, wir kommen immer wieder bei uns an, wenn wir den Weg gehen, querfeldein durch Focks Porträts hindurch. Fock macht Gegenwartskunst.

Und diese Gegenwart ist eben so untief nicht, wie sie vielleicht erscheint. Sie saugt nur schneller auf, verarbeitet atemberaubender, baut die Erinnerungsstücke ein in das wackelige Gebilde, das unsere Zeit ist. Nimm einen Stein heraus, und all das bricht zusammen.

So funktioniert Focks Malerei. Er gräbt, er versteckt, er übermalt und unterminiert. Er stellt seine Figuren in den weißen Raum, vor die weiße Wand. Er trägt die Malerei auf unsicheren Grund.

Das Porträt, das weiß er, ist heute im Grunde nur noch im Verschwinden zu fassen. Zu allgegenwärtig sind die Fotos und Vorlagen, die Gesichter und die Visagen, zu direkt ist der Weg vom Bild zur Bedeutung zur Bedeutungslosigkeit. Fock umgeht diese semantische Sackgasse, indem er etwas anderes malt als ein Gesicht oder eine Figur. Er stellt die Distanz dar, die zwischen uns und diesem Porträt liegt, er belässt die Entfernung und gibt dem Zwischenraum Gestalt.

Also übermalt er George Bush, bis nur noch sein Schatten erkennbar ist in einem schwarz-weißen Strahlengewitter, das dem Krieg seinen Klang zurückgibt; also lässt er einen Umriss frei, dort wo eigentlich das Gesicht von Kate Moss scheinen müsste, aber wie kann man diese Lichtgestalten jenseits der Abbildbarkeit sonst zeigen; also nimmt er Matti Nykänen oder Lou Reed oder Helmut Lang, er nimmt Penck und Baselitz und Georg Forman, er übermalt sie oder streicht sie durch oder behandelt sie mit zärtlicher Härte. Er mischt die Farben, vor allem aber mischt er seine Privatmythen, seine Malervorbilder, seine Musik, seine biographischen Verweise und die Politik, wie er sie sieht, und erreicht damit eine, und das ist das Besondere, nicht bloß selbstbezogene Geschichtentiefe, die den Bildern bei aller Luftigkeit ihr Gewicht gibt.

Fock reproduziert dabei nicht verhangene Gegenwart mit jener modischen Melancholie, wie manche der Maler seiner Generation. Er ist von einer echten, tiefen Trauer, wenn es um den Verlust geht, den er in seiner Malerei beschreibt. Es sind die Bilder, die uns umgeben und die er im Verschwinden benennt – es ist aber vor allem eine Zeit, eine Art dauernde Gegenwart, der Fock eine Gestalt gibt.

Seine Bildern handeln letztlich fast immer von dieser ominösen kollektiven Jugend, von der wir nur wissen, dass es sie wohl gab, aber nicht so, wie wir uns daran erinnern. Wir wissen nur, dass wir sie verloren haben mit all ihrer nie zu erreichenden Unschuld und Erfüllung. Und wir wissen, dass wir sie nie verlieren werden. Wir tragen sie in uns. Als Erinnerung.

Das alles macht Focks Bilder so traurig. Und so tröstlich. (Georg Diez)

Pressetext

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Carsten Fock