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Eröffnung: Fr., 12.12., 19 Uhr

A thing is nothing other than the difference between that which is in the thing and that in which this thing is. (Tristan Garcia, in: Form and Object, 2014:122)

„Cacophony of Things“ setzt sich mit Entwicklungslogiken der zeitgenössischen Kunst auseinander, deren häufig hybride und offene Werke eine äußerst vielfältige Bandbreite von Themen und Bezugssystemen beschreiben. Die Unbegrenztheit von künstlerischen Referenzen geht unmittelbar auch mit der Frage einer künstlerischen Idee einher, wie diese entsteht und wie sich diese in einem Werk vermittelt. Die Ausstellung möchte sich diesen Fragen widmen. Sie teilt sich in zwei Räume auf: dem Teil der Werke und dem der Dinge. Werk und Ding unterscheiden sich darin, dass das eine abgeschlossen und definiert und das andere (zumindest in der Welt der Kunst noch) unbestimmt scheint. Was beide jedoch verbindet ist die Sprache. Diese zeigt sich in der Ausstellung mehrstimmig, wenn nicht sogar disharmonisch. Es ist die Sprache, die Werken und Dingen eigen ist und die Sprache, die Bezüge zwischen Werken und Dingen herzustellen versucht. Die Ausstellung beschreibt damit einen physischen und sprachlichen Moment des Übergangs vom Raum der Dinge in den der Kunstwerke.

Im vorderen Raum der Temporary Gallery finden sich auf einem Tisch unterschiedliche Dinge präsentiert. Jedes Objekt, ob MP-3 Player mit einer persönlichen Musikauswahl, ein Brief der Künstlerin, ein ausgewähltes Zitat, oder die Leihgabe eines Freundes, wurde von einem der fünf jungen internationalen Künstlern dieser Ausstellung – Paweł Kruk (1976, PL), Mélanie Matranga (1985, F), Shelly Nadashi (1981, IL), Sue Tompkins (1971, UK) und Jala Wahid (1988, UK) – bereitgestellt und ist als Fragment eines komplexeren, subjektiven Bezugssystems zu verstehen. Die Gründe ihrer Wahl und die ihnen immanenten Bedeutungen und Lesarten mögen sich im Laufe der Ausstellung sukzessiv in öffentlichen Gesprächen zwischen den Künstlern und eingeladenen Gästen erschließen. Diese Gespräche sind wesentlicher Bestandteil der Ausstellung, in denen die jeweilige künstlerische Idee und Verbindung zum Werk erkundet wird.

Der hintere Raum der Temporary Gallery gilt den Werken. Unter einem beigen Teppich, der den Boden des Ausstellungsraums bedeckt, verlaufen Kabel, die an Datenkanäle eines Sitzungssaals erinnern, mäandernd, jedoch ohne sichtlichen Ein- und Ausgang. Fehlende Zusammenhänge, semantische Unbestimmtheit und ein Informationsfluss als Metapher bestimmen diese Arbeit „Complexe ou compliqué“ (2014) der französischen Künstlerin Mélanie Matranga. Eine Bettkonstruktion schwebt an dünnen Drähten unter der Decke. Auch hier geht Matranga der Frage nach der Alternität von Räumen im digitalen Zeitalter nach: Das Schlafzimmer ersetzt zunehmend das Büro, Intimität und Datenuniversum verschmelzen.

„Backpacks and Other Objects“ (2014) bezeichnet die mehrteilige Installation der israelischen Künstlerin Shelly Nadashi aus baumartigen Skulpturen mit Ästen und filigranen Metallständern und maskenartigen Köpfen aus Papiermaché sowie drei farbigen gerahmten Kohlezeichnungen, die unterschiedliche Rucksäcke abbilden. Der Gedanke eines Körpers als amorphe Gestalt oder Behälter äußert sich auch in Nadashis Projektion „A Hidden Quiet Pocket“ (2014) im Mittelraum der Galerie. In der zwanzigminütigen Videoarbeit treffen eine Masseuse und eine reiche Klientin aufeinander. Die Frage, wie sich Kapital am Gewinnbringendsten in einer Immobilie anlegen lässt, kulminiert in einem surrealen und orgiastischen Kräftemessen ihrer Körper und Sprachen.

Auf einem Flatscreen kristallisiert die Videoarbeit „I’ve got a burning desire (come on, tell me boy)“ (2014) von der Londoner Künsterin Jala Wahid einen Moment leiblich-sinnlichen Begehrens. In dem vierminütigen Loop lässt Wahid nicht nur wiederkehrende Soundpatterns aus Lana Del Reys gleichnamigen Musikclip potentielle Dialoge ersetzen, sondern verwendet die wenigen technischen Mittel von Blaufilter und begrenztem Bildausschnitt, um die Indifferenz zwischen anorganischen und organischen Körpern deutlich werden zu lassen.

Der Verlust von Sprache ist auch Thema von Paweł Kruks Beitrag „The Lost Interview“ (2009). Die Videoarbeit

des polnischen Künstlers stellt das Reenactment eines TVInterviews aus dem Jahre 1971 dar, in dem er die Rolle des Action-Stars Bruce Lee verkörpert. Lippensynchron spricht er Auszüge nach, doch technische und sprachliche Interferenzen bewirken einen verstörenden Rollentausch zwischen Künstler und Abbild.

Sue Tompkins, die in zahlreichen Performances und Textarbeiten das geschriebene Wort aus persönlichen Notizen, Texten und Alltagssprache herausfiltert und in rhythmische Sprechgesänge übersetzt, wird im Rahmen der Ausstellung eine neue Performance aufführen. Sprache präsentiert sich hier nicht nur ephemer, sondern überträgt sich auch körperlich in die Räume dieser Ausstellung.