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01. - 22. Mai 2022
Eröffnung: Donnerstag, 05. Mai, 18 Uhr
Pressegespräch: Donnerstag, 05.05., 18 Uhr
Zum Pressegespräch mit der Künstlerin und dem Kuratorinnenkollektiv laden wir Sie herzlich auf den Friedrichsplatz ein.

BYPASS
Jenny Brockmann

Mit BYPASS richtet der Kasseler Kunstverein das Projekt der Künstlerin Jenny Brockmann in Zusammenarbeit mit dem Kuratorinnenkollektiv Jatiwangi art Factory aus.

Jenny Brockmann ist davon überzeugt, dass Kunst einen sozialen Raum herstellen und ein gemeinsames Lernen ermöglichen kann.

Sie stellt sowohl im öffentlichen Raum von Kassel auf dem Friedrichsplatz 7 Editionen als auch in der Justizvollzugsanstalt Kassel I eine Edition von Seat#12 auf. Dabei handelt es sich um metallene Sitzskulpturen mit 12 Armen für 12 Personen, die auf einer einzigen Mittelachse montiert sind und ein Ausbalancieren erfordern, wenn darauf Platz genommen wird. Jede Bewegung, die von den Sitzenden ausgeführt wird, wirkt sich direkt auf die Sitzposition aller anderen aus. Auf der Installation auf dem Friedrichsplatz sind Passantinnen und Besucherinnen eingeladen auf den Sitzen Platz zu nehmen, sich gegenseitig auszubalancieren und sich zu Zeit und Rhythmus auszutauschen. Hier wird ein Team von Kunstvermittlerinnen des Kasseler Kunstvereins den Besucherinnen Informationen zum Projekt geben. Die Sitze werden zu den Öffnungszeiten der Ausstellung nutzbar sein, außerhalb der Öffnungszeiten sind die Metallsitze arretiert und damit unbeweglich.

Das interdisziplinär angelegte Projekt BYPASS wird gleichzeitig im öffentlichen Raum von Kassel und in der Justizvollzugsanstalt Kassel I stattfinden und zwischen diesen sonst so hermetisch voneinander abgetrennten Räumen eine temporäre Verbindung mit den Mitteln der Kunst schaffen. Das Projekt sucht nach Wegen, um westliche Zeitstandards und -vorstellungen kreativ-kritisch zu beobachten und für die Dauer der Ausstellung ein temporäres, öffentliches und partizipatives Denklabor im öffentlichen Raum Kassels zu sein. In workshopartigen Events, den sogenannten diskursiven Performances werden Expertinnen, Aktivistinnen, Künstlerinnen und Besucherinnen aus der Nachbarschaft eingeladen, sich an dem Projekt zu beteiligen.

Für die Verbindung des Inneren der Justizvollzugsanstalt mit dem öffentlichen Raum spielt eine spezielle Art des Lehms (im indonesischen Tanah: Lehm, Erde, Erinnerung, Körper, Ländlichkeit, etc.) eine zentrale Rolle: Dieser Tanah wird sowohl von den Insassinnen der Justizvollzugsanstalt bearbeitet als auch von Personen im öffentlichen Raum von Kassel und z. B. in Klang transformiert, wodurch er sich als Diskursobjekt auf Rhythmus und Zeit(en) bezieht.

Die Ausstellung wird von vier kuratierten Veranstaltungen flankiert: drei sogenannte diskursive Performances in der Justizvollzugsanstalt auf einer Edition von Seat#12 und drei Veranstaltungen außerhalb der Justizvollzugsanstalt auf sieben Editionen von Seat#12. In diesem Spannungsfeld zwischen innen und außen erforscht das Projekt Zeit, Rhythmus und Prozesse des Austauschs mit der uns umgebenden Welt und den in ihr lebenden und nicht lebenden Existenzen. Durch die Mittel der Kunst wird ein Raum für die Bildung einer neuen Subjektivität geöffnet, die über unsere Sinne hinausgeht und unerwartete Begegnungen und Empfindungen ermöglicht und zu einer Neubewertung des Bekannten und zur Entwicklung neuer Ideen und Ansätze beiträgt.

Das Projekt ist in engem Dialog und Zusammenarbeit mit dem Dezernat Kultur der Stadt Kassel, dem Hessischen Ministerium für Justiz (HMdJ) und der Justizvollzugsanstalt Kassel I entstanden.

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Jenny Brockmann ist Künstlerin und Bildhauerin und lebt in Berlin und New York. Ihre Arbeiten verbinden Technologie, Wissenschaft und Kunst und wurden international gezeigt. Sie studierte Bildende Kunst an der Universität der Künste Berlin, unter anderem bei Rebecca Horn, und erhielt ein Diplom in Architektur von der Technischen Universität Berlin. Brockmanns Werke zeichnen sich durch diskursive Ästhetik aus. In Form von Skulpturen, interaktiven räumlichen Anordnungen oder Gedankenskizzen erforscht die Künstlerin so seit Jahren dynamische, räumliche und soziale Prozesse, sowie natürliche Zyklen. Brockmanns Arbeiten sind Ausgangspunkt für den philosophischen Diskurs und für Fragen nach Mustern menschlichen Verhaltens und sozialer Strukturen. www.jennybrockmann.de

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Die 2005 gegründete Jatiwangi art Factory (JaF) ist eine Gemeinschaft, die zeitgenössische Kunst und kulturelle Praktiken als Teil des lokalen Lebensdiskurses in einem ländlichen Gebiet einbezieht. Zu ihren vielfältigen Aktivitäten, die stets die lokale Öffentlichkeit einbeziehen, gehören ein Videofestival, ein Musikfestival, ein Residenzprogramm, eine Diskussionsreihe sowie ein Fernseh- und Radiosender. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts war Jatiwangi dank seiner Tonindustrie die größte Region Südostasiens, die Dachziegel produzierte. Hundert Jahre später, im Jahr 2005, ermutigt JaF die Einwohner von Jatiwangi, mit Hilfe desselben Tons ein kollektives Bewusstsein und eine Identität für ihre Region durch Kunst und kulturelle Aktivitäten zu schaffen. Auf diese Weise versucht JaF, den Ton mit mehr Würde zu kultivieren und das kollektive Glück der Gemeinschaft zu steigern. Jatiwangi art Factory ist Teil der documenta fifteen. https://jatiwangiartfactory.tumblr.com/