press release only in german

Bettina van Haaren - Marien und Motten Eröffnung: Donnerstag, 10. September 2020, 18 - 21 Uhr

Marien und Motten, die Heilige Maria und das flatterhafte Geschöpf der Nacht — bereits der Titel der Ausstellung ist eine Anmaßung. Nicht etwa, weil hier die Mutter Jesu assoziativ-additiv mit einem Insekt in Verbindung gebracht wird. So etwas schockt in der Kunst schon lange niemanden mehr. Nein, die Anmaßung liegt an anderer Stelle und ist künstlerisch wie gesellschaftlich hochaktuell: Marien, das sind viele. Durch die Mehrzahl werden Unverwechselbarkeit und Unaustauschbarkeit der Einen begrifflich untergraben. Eine blasphemische Provokation. Schließlich ist die Heilige Maria nicht irgendeine Mutter, sondern DIE Mutter per se. Der Titel kratzt an diesem weiblichen Archetyp, Maria wird gewöhnlich. Schon hier bringt Bettina van Haaren also auf den Punkt, was sie formal wie thematisch in ihren Zeichnungen entwickelt: das Dilemma der weiblichen Position, die Zerrissenheit zwischen archetypisch verklärter mütterlicher Einheit und als zersetzende Bedrohung empfundener Vielheit. Maria oder Motte. Göttin oder Plage. Jungfrau oder Flittchen.“ (Marie von Heyl im Katalogtext) Die Zeichnung steht in Bettina van Haarens Werk als Medium gleichberechtig neben der Malerei und der Druckgrafik. Sie lässt uns unmittelbarer noch als in ihrer Malerei am bildlichen Denken und Arbeiten van Haarens teilnehmen, das sie selbst so beschreibt: „Es ist Überprüfungsgeschehen von Erfahren, Erinnern und ein Neu-Erfinden. Es ist eine Arbeit gegen das Sich-Verlieren, an der Fremdheit und Unsicherheit des Da-Seins, ein ständiger Such- und Erkenntnisprozess.“ Und: „Es hat mit Zeitaushalten zu tun und mit Spiel.“ Folgt man dem Strich der auf die Umrisslinie reduzierten Zeichnungen, kann man sehen, wie er Dinge, Körper abtastet, sich herantastet, vor der endgültigen Umgrenzung einer Form zögert, abbricht und an anderer Stelle wieder neu ansetzt. Figuren, Dinge, die die Linien umschreiben, sind aus gewohnten Zusammenhängen extrahiert, sie lösen sich auf, vervielfältigen sich und tauchen in neuen Kombinationen wieder auf. Sie werden in ein labiles System überführt, das den Moment des Zerfalls als andere Seite der Ordnung immer schon in sich trägt.

Bettina van Haaren wird für die Ausstellung eine große Wandzeichnung entwickeln. Es ist ein Katalog erschienen mit Texten von Marie von Heyl und Gerhard van der Grinten.