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Angesichts der „ikonografischen Verschmutzung” der von Konsumzwang und Massenmedien geprägten „Gesellschaft des Spektakels” beschloss er schon früh, die Malerei aufzugeben, und begann Mitte der 1990er-Jahre, „Plattformen” und „Pavillons” zu schaffen, die die Individuen, die sie nutzen, – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne – sichtbar machen und erheben. So präsentierte er auf der Biennale von Venedig 1995 Potemkin Lock, einen vollkommen weißen Pavillon, der zu Kontemplation und Entspannung einlud. 1997 schuf er anlässlich der Skulptur Projekte Münster die Philosophical Platform als Ort des Austausches und der Teilhabe, der beim Publikum unmittelbar Anklang fand. Von da an widmete er sich der Verfeinerung der grundlegenden Prinzipien dieser beiden Werke sowie der umfänglichen Erschließung ihres Potenzials. Sein Interesse für historische, gesellschaftliche und urbane Kontexte brachte ihm mehrere Aufträge für den öffentlichen Raum ein, so etwa die Warburg Spirale. Un monument aux vivants in Straßburg, die 2002 eingeweiht wurde, und die Installation 2551913, die er 2013 für den Park der Butte-du-Chapeau Rouge in Paris produzierte. 2001 war er außerdem an der Gründung des Isola Art Center im Mailänder Arbeiterviertel Isola beteiligt, wo er seit 1993 lebte, und nutzte diese kollektive Plattform von und für Künstler, Architekten, Philosophen und Bürger als Ausgangspunkt für die Errichtung einer „konkreten Utopie” mit künstlerischen Mitteln. Fünfzehn Jahre lang fanden dort im kollektiven Kampf für den Erhalt des traditionellen Sozialgefüges und gegen Immobilienspekulationen in Isola Ausstellungen, Performances, Vorträge und Veranstaltungen statt. Seit Theis’ Tod im Oktober 2016 füllen Bürger, Arbeiter, Intellektuelle und eine Generation junger Künstler seine Ideale mit dem Gemeinschaftsgarten Isola Pepe Verde und in der Kooperative RiMaflow mit Leben. Building Philosophy – Cultivating Utopia ist die erste Retrospektive des Werkes von Bert Theis, der mit der Qualität seiner Arbeiten, der Relevanz seiner Interventionen und seiner Großzügigkeit als Künstler und Mensch viele Künstler geprägt hat. Entlang von Modellen, Dokumenten, Fotografien und Videos bietet die Ausstellung einen umfassenden Überblick über Theis’ Projekte im öffentlichen Raum, die ihn berühmt gemacht haben. Weiterhin eröffnet sie den Besuchern Einblicke in weniger bekannte Aspekte seines Schaffens, etwa seine Collagen und die Werke, in denen er sich der kritischen Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte, der Gesellschaft und dem Status des Bildes widmete, weiterhin seine Performances und auch einen Teil seiner text works.

Ergänzend zur Ausstellung ist eine Monografie erhältlich, die vom Mudam in Zusammenarbeit mit Mousse Publishing herausgegeben wird.

Kurzbiografie
Bert Theis (1952–2016) lebte und arbeitete in Luxemburg und Mailand. Seine Werke waren auf den größten Kunstschauen der Gegenwart vertreten, darunter die 46. Biennale von Venedig (1995), Skulptur Projekte Münster (1997), die 4. Biennale von Gwangju (2002) und die 10. Biennale von Istanbul. Im Rahmen von Auftragsarbeiten und Wettbewerben schuf er außerdem zahlreiche Dauer-installationen für den öffentlichen Raum, so die Warburg Spirale. Un monument aux vivants in Straßburg (2002), den European Pentagon, Safe & Sorry Pavilion in Brüssel (2005) und im Anschluss in Luxemburg (2007), Le Troisième Système im Park der Domaine départemental de Chamarande (2007) sowie 2551913 im Park der Butte-du-Chapeau-Rouge in Paris (2013). Sein Werk wurde bereits mit zahlreichen Einzelausstellungen gewürdigt, etwa im PAV – Parco Arte Vivente in Turin (2015), im Centro Pecci in Prato (2009), im Mamco in Genf (2007), in der Federico Bianchi Contemporary Art Gallery in Lecco (2008) und in Mailand (2011) sowie in der Erna Hecey Gallery in Luxembourg (1999, 2003) und in Brüssel (2008). Die Ausstellung Building Philosophy – Cultivating Utopia 2019 im Mudam ist die erste Retrospektive für Bert Theis.