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"Wir wissen, dass es unter dem Bild, das enthüllt wird, ein anderes gibt, das der Realität mehr entspricht, und dass darunter ein weiteres liegt, und darunter noch eines, und so geht es immer weiter. Bis zum Bild der absoluten Realität, das mysteriös bleibt, und das niemand jemals sehen wird." Michelangelo Antonioni

Beat Streuli ist mit seinen fesselnden Strassenporträts bekannt geworden, die im Laufe der Jahre die anonymen Bewohner in verschiedenen Städten auf der ganzen Welt dokumentiert haben, von Sydney und Tokio über Athen bis New York. Auf systematische – sogar unbeirrbare – Weise nehmen Streulis Fotografien den gewöhnlichen Stadtbewohner und den zeitgenössischen "Flaneur" oder "Helden des modernen Lebens" in den Blick, wie sie ihren alltäglichen Geschäften nachgehen. Die Heterogenität der Menschenmenge, über die – als der zentralen Komponente der kulturellen Dynamik der Moderne – unter anderm auch Charles Baudelaire geschrieben hat, und die Position des Individuums in dieser Menschenmenge bilden den Kern von Streulis Praxis. Abhängig von den Aspekten der Bewegung, des Rhythmus und der Zeit, die er jeweils hervorheben möchte, arbeitet der Künstler in einer Bandbreite von Präsentationsmedien, von grossformatigen Farbfotografien und Diapositiven, die im Wechsel von einem Motiv zum nächsten ineinander übergehen, bis hin zu Video. Seine Kamera lässt den Fluss des Alltagslebens, die unaufhörliche Bewegung der Menschen in der Stadt einfrieren, schafft davon ein Destillat, um so aus einer gänzlich anthropozentrischen Perspektive alltägliche Realität zu reflektieren. Indem er aus einer unversperrten Distanz mit einem Teleobjektiv fotografiert, fängt der Künstler seine Sujets in einem ungeschützen Zustand ein, rückt sie dem Betrachter so sehr nahe, akzentuiert ihre körperliche Präsenz im Raum und verleiht ihnen eine ikonische Aura, welche die Gewöhnlichkeit der porträtierten Szene zu transzendieren vermag. Dennoch bleibt die Szene, die im Rahmen der Fotografie erscheint, immer ganz plausibel, pragmatisch und in der Wirklichkeit verwurzelt. Vielleicht wirken die meisten Menschen, die im Bild eingefangen werden, deswegen so unbefangen, weil sie sich dessen nicht bewusst sind. Streuli gelingt es, ein beeindruckendes Spektrum von Ausdrücken vorzuführen, aber auch das Gefühl von Entfremdung, Distanziertheit und – manchmal – das Gefühl des Abdriftens zu vermitteln, welches einen grossen Teil der heutigen Erfahrung der Stadt durchdringt. Als Guy Debord über öffentliches Verhalten in Die Gesellschaft des Spektakels schrieb, merkte er an, dass es sich dabei um eine Frage der Beobachtung handele, um passive Partizipation, um eine gewisse Form des Voyeurismus, die Honoré de Balzac einst als "Gastronomie des Auges" bezeichnet hat. Aus dieser Position eines freundlich distanzierten Voyeurs mit einem nichtsdestotrotz standhaften Blick, führt uns Streuli ein reiches Tableau des menschlichen Lebens vor, in dem er vorurteilsfrei den gewöhnlichen Mann und die gewöhnliche Frau unsterblich macht. [...]

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Beat Streuli