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Nolan Judin Ber­lin freut sich, das umfang­rei­che zeich­neri­sche und skulp­tu­rale Schaffen des New Yorker Künstlers Barry Le Va (*1941) in zwei Aus­stel­lun­gen zu würdi­gen. Im Zentrum der ers­ten Aus­stel­lung, die der Zeit von 1966 bis ca. 1985 gewidmet ist, ste­hen drei Skulp­turen aus Flei­scherbeilen, die der Künstler in die Wände und den Boden der Gale­rie schlug. Die phy­si­sche Prä­senz die­ses ele­menta­ren Werkzeugs ruft unweiger­lich Asso­zia­tio­nen mit Gewalt und Brutalität hervor. Die „psycho­logi­sche“ Wirkung ist jedoch der am wenigs­ten inter­essante Aspekt die­ser Installa­tion. Viel­mehr ver­körpert sie exem­plarisch Le Vas Beses­sen­heit von „Indizien“ – den Hin­ter­las­senschaf­ten der Hand­lun­gen und Ereig­nisse – und seine Beschäf­tigung mit Zeit und Raum, Mate­rial und Energie, Ord­nung und Chaos.

Das Pro­zes­shafte und das Ver­gängli­che siedeln sein Werk am äußers­ten Rand einer zeit­ge­nös­si­schen Defi­ni­tion von Skulp­tur an – eine Aus­sage, die so seit sei­nen ers­ten, Auf­se­hen und Ent­rüs­tung erre­genden Installa­tio­nen vor über vierzig Jahren zutrifft und Barry Le Va als einen der bedeu­tends­ten ame­rika­ni­schen Künstler der Gegenwart aus­zeichnet. Zu sei­nem erklär­ten Ziel gehört die Über­windung des Ver­ständ­nis­ses von Skulp­tur im Sinne von umschlos­se­ner, gestalte­ter Masse. Seine Werke resul­tie­ren aus dem Pro­zess von Ver­teilen, Aus­schüt­ten, Zer­streuen, Ver­we­hen, Schich­ten, Fallenlas­sen, Wer­fen und Zertrümmern.

Die ers­ten raumgreifenden Installa­tio­nen der Jahre 1967 und 1968 bestanden aus Filz­stü­cken, Eisenkugeln (aus Kugellagern) und Holzleis­ten, die Le Va auf dem Boden ver­streute. Die Anord­nung wirkte plan­los und aus­ufernd – Momentauf­nahme eines Pro­zes­ses, des­sen Anfang und Ende nicht erkennbar sind. Durch die scheinbar zufäl­lige Aus­brei­tung der Mate­rialien erlan­gen diese eine räum­li­che Anord­nung und Aus­deh­nung, mit­tels derer sie in ein „Ver­hält­nis“ zu ihrem Umraum tre­ten.

Der Erwei­terung sei­nes Ver­ständ­nis­ses von Skulp­tur folgte die Erwei­terung sei­ner Mate­riali­enpalette: Alumi­nium­bän­der, zähflüs­siges Öl, Mehl, Kreide, gegos­se­ner Zement und Gummi. 1967 ent­stand die erste Skulp­tur aus auf­ein­an­der gewor­fe­nen Glasschei­ben. 1969 ver­blies Le Va in einer epo­chalen Grup­pen­aus­stel­lung im Whitney Museum of Ame­rican Art Mehl auf dem Boden – und erreichte damit einen bis dahin nicht gekann­ten Grad von Instabilität und Ver­gänglichkeit in der Kunst. Eben­falls im Whitney Museum schlug er 1970 zum ers­ten Mal Flei­scherbeile in die Wand. Im Jahr zuvor war eine Ton­in­stalla­tion ent­standen, die das Geräusch sei­nes beständig gegen eine Wand pral­lenden Kör­pers wiedergab. Ein ande­res Mal ließ Le Va einen Polizis­ten mit einer Pis­tole Löcher in die Wand einer Gale­rie schießen. Das Ziel des Künstlers war stets, „Skulp­tur als voll­ende­tes, völ­lig ein­deu­tiges Objekt aus­zu­schließen. Einen Ein­druck von Ganzheit aus­zu­schließen und sich auf Einzel­teile, Fragmente, unvoll­ständige Hand­lun­gen und Strukturen zu kon­zen­trie­ren. Besonde­ren Nach­druck auf Durch­gangs­sta­dien einer Hand­lung zu legen oder vie­ler Hand­lun­gen ohne vor­her­sehba­res Ende.“

Den Zeich­nun­gen misst Barry Le Va die glei­che Bedeu­tung zu wie den Skulp­turen und Installa­tio­nen. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar. Die Ent­würfe auf Papier und die aus­geführ­ten dreidi­men­sio­nalen Arbei­ten ste­hen in einem dialek­ti­schen und gleichzei­tig symbio­ti­schen Ver­hält­nis zu­ei­nan­der.

Eine Skulp­tur ist nicht mehr als eine momentane Fest­stel­lung, wäh­rend die Zeich­nun­gen den Varian­tenreichtum und die Mög­lichkei­ten zur Wei­ter­entwick­lung auf­zei­gen. „Zeich­nen ist für mich eine Form des Denkens, eine Mög­lichkeit, mich auf bestimmte Ideen zu kon­zen­trie­ren und Klarheit über sie zu gewin­nen.“ Diese Klarheit ist er aber nicht immer wil­lens, mit dem Betrach­ter zu teilen. Auf den ers­ten Blick wirken die Zeich­nun­gen nüchtern; sie schei­nen wis­senschaft­li­chen Erkennt­nis­sen zu fol­gen. Doch das Dar­ge­stellte ist oft unver­hoh­len „schön“ und ent­puppt sich bei ein­ge­hen­der Betrach­tung als eine Mischung aus Kon­struk­tion und Intui­tion. Der Künstler lässt uns im Dun­keln dar­über, welchem Prinzip er letzt­lich folgt.

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Barry Le Va
Sculptures and Drawings 1966-2009 (Part I)