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In der Ausstellung „Barock im Vatikan – Kunst und Kultur im Rom der Päpste“ werden etwa 300 Kunstwerke gezeigt: Die teilweise erstmals ausgeliehenen Kunstwerke der Kooperationspartner im Vatikan, der Biblioteca Apostolica Vaticana, der Fabbrica di San Pietro und der Musei Vaticani werden ergänzt durch Leihgaben aus zahlreichen europäischen Sammlungen.

Die Bau- und Ausstattungsgeschichte St. Peter in Rom zieht sich wie ein roter Faden durch die einzelnen Sektionen. Am Bau beteiligt waren die berühmtesten Künstler jener Epoche, darunter Michelangelo, Bernini, Borromini, Sacchi, Guercino und Reni. Gianlorenzo Bernini und seine wichtigen Projekte für St. Peter – Baldachin, Cathedra, Papstgräber und Platzanlage – werden in der Ausstellung durch Zeichnungen, Modelle, Bozzetti und Skulpturen gezeigt. Da die Altarbilder der Peterskirche heute durch Mosaikkopien ersetzt sind, wurden sie bislang wenig beachtet. Die Originale werden in Berlin ,neu’ zu entdecken sein, darunter Poussins Martyrium des Heiligen Erasmus aus der Pinacoteca Vaticana oder Sacchis Gemäldezyklus für die Vierungsaltäre aus dem Besitz der Bauhütte von Sankt Peter.

Im päpstlichen Rom des späten 16. und 17. Jahrhunderts bündeln sich wie in einem Brennglas die religiösen, künstlerischen und wissenschaftlichen Strömungen der Epoche. Rom sei, wie der venezianische Botschafter 1623 bemerkte „aufgrund der antiken Überreste und auch wegen der modernen Sehenswürdigkeiten, die man besuchen kann und denen fast die gleiche Beachtung geschenkt wird, eine Art Marktplatz der Welt“. Auf diesem ‚Markplatz der Welt’ fanden Kunst, aber auch die neuesten geistigen und wissenschaftlichen Errungenschaften das entsprechende Publikum. Daher nutzten die Päpste und ihre Kardinäle, die großen Ordensgemeinschaften, aber auch die römischen Adelsfamilien Kunst und Wissenschaft mit Konsequenz und Erfolg zur Verherrlichung der in der katholischen Reform erneuerten Kirche und zur Inszenierung ihrer jenseitigen und diesseitigen Repräsentanten.

Dass Kunst gerade in Rom als Mittel zur Legitimierung von Macht und Ansehen eine so gewichtige Rolle spielen konnte, hatte seinen Grund in der bis heute einzigartigen politischen Struktur des päpstlichen Kirchenstaates als einer Wahlmonarchie: Jede Wahl veränderte die Machtverhältnisse zwischen Papst, Kardinälen, dem römischen Adel und den mächtigen Ordensgemeinschaften. Die Förderung der Künste und Wissenschaften war daher ein allgemein übliches Mittel, die eigene Position im Spannungsfeld von geistiger und politischer Macht aller Welt vor Augen zu führen und sie möglichst über den Tag hinaus zu sichern.

Barocke Kunst wirkt im Zusammenspiel von Architektur, Malerei und Skulptur, im wohlüberlegten Zusammenwirken von Licht, Material und Farbigkeit. Die Ausstellung unternimmt es, dies durch die Einbeziehung unterschiedlicher Medien wie Gemälde, Skulpturen, Bildteppiche, Paramente, Bücher, Stiche und Zeichnungen für den Besucher erlebbar zu machen. Dabei werden die großen Aufgaben päpstlichen Mäzenatentums, aber auch die Auftraggeberschaft von Kardinälen und Orden, konzentriert auf die wichtigsten (und schönsten) Beispiele, vorgestellt: Dazu zählte etwa der Bau und die Ausstattung von Familienpalast und Villa, die Errichtung einer Familienkapelle und vor allem auch die Errichtung und Ausstattung großer Ordenskirchen. Zur Repräsentation gehörten auch die im barocken Rom allgegenwärtigen und aufwändig inszenierten religiösen und weltlichen Feste, mit deren Ausgestaltung die führenden Künstler der Epoche betraut wurden. Pracht und Raffinesse des erneuerten Stadtbildes wurden durch großformatige Kupferstiche europaweit publik gemacht.

Eine eigens für die Ausstellung produzierte CD erinnert an die Musikkultur des barocken Vatikans. Giorgio Allegris Miserere etwa, 1638 für Papst Urban VIII. entstanden, galt als berühmteste Komposition der Epoche und war der päpstlichen Kapelle vorbehalten, Kopien waren bei Strafe verboten.

Nicht nur römische Kunst fand europaweit Beachtung. Rom und der Vatikan waren, nicht zuletzt durch die weltweiten Beziehungen der Missionsorden, auch als Wissenschaftszentrum von Bedeutung.

Die Biblioteca Apostolica Vaticana und der Kreis um Kardinal Cesar Baronius waren entscheidend für die Begründung der kritischen Kirchengeschichte und die Herausbildung der christlichen Archäologie. Die inhaltlich neuen Forschungen im Zusammenhang des Abrisses von Alt-St. Peter gaben wichtige Anstöße für die Entwicklung der modernen Kunstgeschichte.

Eine Vorreiterrolle bei der Heranbildung unseres modernen Weltbildes hatte die römische Accademia dei Lincei, Vorbild aller modernen Wissenschaftsakademien. Benannt nach dem scharfäugigen Luchs (ital. lince) hatte sich die Accademia kein geringeres Ziel gesetzt als das Studium des theatrum totius naturae, der bildlichen Erfassung aller Naturerscheinungen. Die erst kürzlich wiederentdeckten Zeichnungen der Lincei gehören zu den detailliertesten und schönsten Naturstudien der Epoche. Den ‚Luchsäugigen’ ist die erste, mit Hilfe eines Mikroskops entstandene Abbildung zu verdanken: Dargestellt sind bezeichnenderweise die Wappentiere Papst Urbans VIII., die Bienen.

Die Ausstellung belegt den aktiven Anteil der Päpste und der Orden, vor allem der Jesuiten, an der Herausbildung des modernen Weltbildes in der Astronomie. Der berühmteste Wissenschaftler der Epoche, Galileo Galilei, seit 1611 Mitglied der Lincei, war mit Papst Urban VIII. befreundet, mehr als 30 Mondkrater sind nach Jesuiten benannt. Der Jesuit Adam Schall von Bell stieg als erster und einziger Europäer zum Hofastronom des chinesischen Kaisers auf.

Thematisiert werden aber auch die Schwierigkeiten, die mit Hilfe von neuen Instrumenten wie Teleskop oder Mikroskop und durch konsequente Anwendung der Leitwissenschaft des Jahrhunderts, der Mathematik, gewonnenen Erkenntnisse mit Bibel, Tradition und vor allem päpstlicher Deutungshoheit in Einklang zu bringen. Dabei zeigt die in Zusammenarbeit mit dem Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik der Humboldt-Universität Berlin konzipierte Ausstellungssektion nicht nur zeitgenössische Dokumente, Instrumente und ‚Wundermaschinen’: Nachbauten der wichtigsten Instrumente können unter Anleitung benutzt werden und ermöglichen so einen ungewöhnlichen und oft erstaunlichen Einblick in die Wissenskultur des Barock in Rom, ganz im Sinne der Zeit. Getreu der Kunsttheorie der Epoche wirken Wissenschaften und Kunst ähnlich: Sie sollten bei dem Betrachter stupore, Erstaunen und meraviglia, Verwunderung, erzeugen. So werde die Neugierde angeregt, der Erkenntnisprozess ausgelöst und gleichzeitig das Vergnügen gewahrt: Dies hat sich auch die Ausstellung Barock im Vatikan zum Ziel gesetzt.

Die Ausstellung wird in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland Bonn vom 25. November 2005 bis 19. März 2006 präsentiert.

Veranstalter: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, in Kooperation mit den Musei Vaticani, der Fabbrica di San Pietro, der Biblioteca Apostolica Vaticana, dem Martin-Gropius-Bau und den Berliner Festspielen, Berlin

Pressetext

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Barock im Vatikan. Kunst und Kultur im Rom der Päpste
Ort: Martin-Gropius-Bau

Stationen:
25.11.05 - 19. 03.06 Kunst- und Ausstellungshalle, Bonn
12. 04.06 - 10.07.06 Martin Gropius Bau, Berlin

Werke von Giovanni Lorenzo Bernini, Michelangelo Buonarroti, Giacomo della Porta, Ercole Ferrata, Giovanni Lanfranco, Carlo Maratta, u.a.