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Zwei Generationen deutscher Künstler der Nachkriegszeit stehen sich in der Ausstellung „Aufruhr in Augsburg“ mit Hauptwerken aus den Sammlungsbeständen der Pinakothek der Moderne gegenüber. Was sie vereint, ist die Tendenz zur figürlichen Malerei, die weder persönliche noch politische Kommentare ausklammert und damit den Ansätzen der Concept Art und Minimal Art begegnet.

Die Ausstellung zeigt rund 40 Werke Hauptwerke aus den Sammlungsbeständen der Pinakothek der Moderne, darunter Arbeiten aus der Michael und Eleonore Stoffel-Stiftung und dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds. Zahlreiche dieser Werke sind seit der Eröffnung der Pinakothek der Moderne nicht mehr gezeigt worden. Die Ausstellung ermöglicht eine neue Begegnung mit einem zentralen Kapitel deutscher Kunst- und Sammlungsgeschichte.

Das ausdrückliche Interesse für Malerei bei gleichzeitiger kritischer Hinterfragung von Inhalt und Stil vereint bereits die Generation der 1938 bis 1945 geborenen: Georg Baselitz, Jörg Immendorff, Markus Lüpertz und A. R. Penck. Ihre Revolutionierungen und Neudefinitionen wirken auf die nachfolgende Generation der sogenannten „Neuen Wilden“, darunter Walter Dahn, Rainer Fetting, Markus Oehlen und Salomé, die zu einer noch intensiveren und farbintensiven Bildsprache finden.

In der Nachkriegszeit suchten deutsche Künstler nach Erneuerung der Malerei, - neben der Aktions- und Objektkunst, dem Environment, der Performance und anderen innovativen Medien. Beispielhaft dafür ist Georg Baselitz (*1938 Deutschbaselitz). Er findet in der Methode der Fragmentierung und Umkehrung der Motive eine Loslösung von vorherrschenden Wahrnehmungsmechanismen, wie es das Werk „Der Adler“ (1978) zeigt: Das Sinnbild der deutschen Geschichte und des Reiches steht Kopf.

Die Gemälde und Skulpturen von Markus Lüpertz (*1941 Reichenberg) zeichnen sich durch eine archaische Monumentalität aus, in der Gegenständliches und Abstraktion zu einer eigenen Formensprache werden. Jörg Immendorff verfolgt wiederum einen erzählerischen wie kritischen Ansatz. Das Werk „Café Deutschland VII“ (1980) widmet sich der deutsch-deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg, der Trennung in Ost und West, die in exemplarischem Dialog zwischen Immendorff und seinem aus Dresden stammenden Künstlerkollegen A. R. Penck geführt wurde. Während jedoch Immendorff eine narrative Bildsprache entwickelt, eröffnet Penck dem Betrachter eine Welt mit individuell entwickelten, chiffrenhaften und archaisch anmutenden Zeichen.

Etwa gleichzeitig bilden sich in Berlin, Köln und Hamburg Zentren mit Vertretern einer rund zehn Jahre jüngeren Generation. Bei aller stilistischen Vielfalt vereint sie die Beschäftigung mit einer spontanen, oftmals subjektiven Bildsprache. 1977 gründen Kunststudenten in Berlin, darunter Rainer Fetting, Helmut Middendorf, Salomé und Bernd Zimmer eine Selbsthilfegalerie am Moritzplatz. Einerseits werden persönliche Erfahrungen aus der geteilten Großstadt zu ihrem Sujet, das sie in dynamischen Pinselstrichen bewältigen. Andererseits werden Kunstgattungen wie Stillleben oder Landschaften beispielsweise von Bernd Zimmer neu interpretiert. Salomé (1954 Karlsruhe) besticht in seinem Gemälde „Sumo-Angriff“ von 1982 mit der Gegenüberstellung von zwei Kämpfern. Die flüssige Malweise und die Darstellung der ruhenden Körper, die gleichwohl zum Angriff bereit sind, geraten zum Sinnbild polarer Kräfte im ästhetischen wie im politischen Sinne. Die in Köln entstehenden Werke zeigen eine Tendenz zur symbol- oder chiffrenhaften Verschlüsselung von Inhalten. So zeigt Walter Dahn (1954 Krefeld) in dem Gemälde „Die Mülheimer Freiheit (Zeitungsleser)“ von 1981 einen Lesenden, dessen Kopf hinter dem unbeschriebenen Papier verschwindet, während daneben gleich sechs weitere Köpfe als Säule übereinander dargestellt sind. Wie der Lesende selbst blickt auch der Betrachter auf die leere Fläche der Zeitung, die es zu füllen gilt.

Eine gänzlich andere Bildsprache entwickeln die Protagonisten der wilden Malerei in Hamburg. Während Kippenberger sich mit scharfsinniger Ironie auf die Geschichte der Kunst (u.a. Picasso bis Pop Art) und akute soziale Fragen bezieht, entwickelt Albert Oehlen eine irritierende Ausdrucksweise, die gegenständliche Identifikation fast unmöglich erscheinen lässt und sie doch auf subtile Weise evoziert. Dabei werden Errungenschaften historischer Stilrichtungen vom Kubismus bis hin zur Farbfeldmalerei neu definiert.

Die Vielfalt der künstlerischen Handschriften und die Individualität der Errungenschaften sind an den Werken der Sammlung exemplarisch zu beobachten. Die Arbeiten zeugen von einem inspirierenden, bis heute nicht zur Ruhe kommenden Gegen- und Miteinander. Im Glaspalast wird diese bewegte Zeit lebendig - Aufruhr in Augsburg.