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Artists & Agents – Performancekunst und Geheimdienste
26.10.2019 - 22.03.2020

Im Zentrum der Ausstellung stehen die Akten, die diverse Geheimdienste in Osteuropa und darüber hinaus über Performancekunst der 1960er bis 1990er Jahre angelegt haben – um sie dann umso besser „infiltrieren" und von innen „zersetzen" zu können. Dafür mussten sie jedoch quasi selbst zu Performancekünstler*innen werden.

Ab dem 26. Oktober 2019 ist die aufwändig recherchierte internationale Gruppenausstellung Artists & Agents – Performancekunst und Geheimdienste im HMKV (Hartware MedienKunstVerein) zu sehen. Kuratiert wird die in Kooperation mit dem Slavischen Seminar der Universität Zürich entwickelte Ausstellung von Inke Arns, Kata Krasznahorkai und Sylvia Sasse.

Im Zentrum der Ausstellung steht die Interaktion zwischen Geheimdiensten und Performancekunst – einer Kunstform, die als besonders gefährlich galt. Fast nur in Osteuropa sind die Archive zugänglich und offenbaren die „Zersetzung" und „Liquidierung" kritischer Künstlerinnen durch die Staatssicherheitsdienste. Dafür mussten die Agentinnen jedoch teils selbst zu ‚Performancekünstler*innen' werden. Artists & Agents versammelt z.T. noch nie gezeigte Beispiele künstlerischer Subversion und geheimdienstlicher Unterwanderung. Neuere Arbeiten zeigen: Die Frage nach dem zunehmenden Einsatz geheimdienstlicher Methoden in Politik und Alltag ist hochaktuell.

Mit Arbeiten von Künstler*innen aus Bulgarien, Deutschland, Chile, Kroatien, der Tschechischen Republik, Polen, Rumänien, Russland, Ungarn, und den USA.

Künstler:
Alexandru Antik (RO)
Tina Bara & Alba D'Urbano (DE)
Kurt Buchwald (DE)
Károly Elekes / Árpád Nagy / Gruppe MAMŰ (RO)
György Galántai / Artpool (HU)
Ion Grigorescu (RO)
Sanja Iveković (HR)
Voluspa Jarpa (CL)
Jens Klein (DE)
Daniel Knorr (RO/DE)
Csilla Könczei (RO)
Korpys/Löffler (DE)
Jiří Kovanda (CZ)
Jill Magid (US)
Simon Menner (DE)
Arwed Messmer (DE)
Clara Mosch (DE)
Orange Alternative (PL)
Peng! Collective (DE)
Józef Robakowski (PL)
Cornelia Schleime (DE)
Nedko Solakov (BG)
Gabriele Stötzer (DE)
Tamás St.Turba (NETRAF-agent) / Gábor Altorjay (HU)

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Nach 1990 wurden viele Geheimdienstarchive der ehemaligen Ostblock-Länder für die wissenschaftliche Forschung geöffnet. Dadurch war es erstmals möglich, die Dokumentation von Kunst durch Spitzel und die Einflussnahme der Geheimdienste auf künstlerische Arbeiten zu untersuchen. Die Ausstellung will vor allem die Interaktion von Geheimdienstaktionen und Performancekunst zeigen, jener Kunstrichtung, vor der sich die totalitären Staaten Osteuropas am meisten fürchteten.

Die Recherche für dieses Projekt hat verdeutlicht, dass die Geheimdienstakten wenig über die Beobachteten, viel hingegen über die Ängste und Strategien der Beobachterinnen offenbaren. Diese Ängste und Strategien, die sich selbst bis in die kleinsten Details dieser Akten zurückverfolgen lassen – Narrative, Wortwahl, Abkürzungen, Satzzeichen und Auslassungen –, sind nicht nur für die Kunstgeschichte von besonderer Bedeutung, sondern leisten auch einen Beitrag zur Sensibilisierung der heutigen demokratischen Gesellschaften für die Gefahren und Warnzeichen von Diktaturen. Die Geheimdienstberichte dokumentieren, zuweilen bis ins kleinste Detail, künstlerische Tätigkeiten; sie sprechen von der Überwachung und „Bearbeitung" („Zersetzung", „Liquidierung") der Künstlerinnenszene und geben Informationen über das aktive, operative Eingreifen des Staates in die künstlerische Produktion preis. Allerdings verwendeten nicht nur die Künstlerinnen performative Techniken; auch die Agentinnen mussten „performen", um relevante Informationen über Performancekunst zu gewinnen.

Um die Relevanz dieser Fragen für die Gegenwart zu verdeutlichen, findet die Ausstellung 2019 statt, in dem Jahr, in dem sich der Fall des Eisernen Vorhangs zum 30. Mal jährt. In der DDR war es die demokratische Opposition (darunter auch viele Künstlerinnen), die 1989 die Stasi-Zentralen stürmte und die Vernichtung der Akten durch Stasi-Mitarbeiterinnen stoppte. Im Vorfeld der Ausstellung wurden umfangreiche und gezielte Recherchen in Geheimdienstarchiven in Ungarn, Polen, der Tschechischen Republik, Rumänien und Deutschland durchgeführt. Die Ausstellung konzentriert sich auf Beispiele aus diesen Ländern aus den Jahren 1960-1990.

Eine Ausstellung des HMKV (Hartware MedienKunstVerein) in Kooperation mit dem Slavischen Seminar der Universität Zürich

Die Ausstellung wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes, das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und vom European Research Council (ERC) im Rahmen des Forschungsprojekts "Performance Art in Eastern Europe 1950-1990. History and Theory".

Der HMKV wird gefördert durch die
Kulturbetriebe Stadt Dortmund / Dortmunder U – Zentrum für Kunst und Kreativität