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Art & Language war ursprünglich der Name einer Gruppe englischer Künstler, die es vorzogen, kollektiv und anonym zu arbeiten, und einer 1968 gegründeten Zeitschrift. Art & Language steht für eine kritische Analyse der Beziehungen zwischen Kunst, Gesellschaft und Politik. Vor dem historischen Hintergrund des Linguistic Turn verknüpfen Art & Language Kunst mit Sprache und hinterfragen damit die systemischen Annahmen von Kunsttheorie und Praxis. Seit 1976 betreiben Mel Ramsden und Michael Baldwin in Zusammenarbeit mit Charles Harrison das Projekt Art & Language. In ihrer medial vielfältigen Arbeitsweise – diese reicht von Malerei bis Rockmusik – setzen sich Ramsden und Baldwin noch immer mit den Hinterlassenschaften des Zusammenbruchs des Modernism auseinander.

Teile der documenta X-Installation Sighs trapped by Liars (1997) sind in der aktuellen Ausstellung zu sehen. Es sind Möbelstücke – ein Tisch und vier Stühle – deren Oberflächen den mehr oder weniger leserlichen Text eines aufgeschlagenen Buches abbilden. Jedes einzelne Fragment dieser Oberfläche ist ein Bildtext bzw. ein Textbild, wobei der fortlaufende Inhalt das Umschlagen der Seiten suggeriert. Das Lesen dieses Textes wird – neben der experimentellen „Hängung“ in Form eines Möbelstücks – zusätzlich durch den fehlenden Bedeutungszusammenhang erschwert. Ausgehend von einer trivialen sadomasochistischen Erzählung hat der ursprüngliche Text mehrere Umformungen durch homophonen Austausch einzelner Wörter erfahren: Der Titel Sighs trapped by Liars ist das Ergebnis einer solchen Transformation und hat seinen Ursprung in der Formulierung Thighes wrapped by wires. Die Rezeption des Werkes schwankt zwischen Sehen und Lesen. Zugleich verweisen die Möbelstücke ironisierend auf den potentiellen Geburtsort von Conceptual Art, in einer Zeit, als den Ateliers als Produktionsort eine Absage erteilt wurde, als diese Kunst noch homeless war und auf der Suche nach einem Ort der Präsentation. Das Sujet des aufgeschlagenen Buches symbolisiert in diesem Zusammenhang ein gescheitertes Souvenir der Conceptual Art.

Das Wissen um die Vorlage für die abstrakten monochromen Gemälde von Now They Are Again (2002) macht es unmöglich, die erste Wahrnehmung zu rekonstruieren. Now They Are Again ist ein serielles Projekt, in dem Gustave Courbets Skandalbild L´Origine du monde (1866) von Art & Language reproduziert, bearbeitet und u. a. in einer Art Schichtenmodell mit weiteren Ikonen modernistischer Malerei überlagert wurde. Die Version von Now They Are Again aus dem Jahr 2002 kommentiert die oftmals als Endstadium bezeichnete Phase modernistischer Kunst, die der weissen und schwarzen entleerten Gemälde.

Index 003 von 1973 besteht aus dem Beziehungsgefüge zwischen drei Texten. Klammern über und unter den Zeilen verweisen auf Zusammenhänge zwischen den einzelnen Teilen. Index 003 (Bxal) reiht sich in die Serie weiterer Indexarbeiten Art & Languages ein. Dieses Indexsystem umfasst sämtliche Publikationen von Art & Language. Damit bietet es dem Betrachter die Möglichkeit interaktiv an der Arbeit zu partizipieren und formuliert die potentielle Ununterscheidbarkeit von Künstler und dem Betrachter des Werkes. In diesem Vorgehen weiten Art & Language den Skeptizismus gegenüber Kunst auf eine Kritik an den Konventionen der Kunstbetrachtung aus.

Study for Index: Landscape with St. George (2000-2001) ist eine Allegorie auf modernistische Statements seitens der Künstler und der Kritiker über Malerei, speziell zu der Farbfeldmalerei von Kenneth Noland. Jener Kampfplatz, an dem eine Bürokratisierung der Empfindung eingeleitet wird, etwa dann, wenn der Betrachter eines Bildes des Unvermögens bezichtigt wird, die Ausdrucksformen nicht zu erkennen. Dieses Vorgehen gleicht einer Entmündigung und leitet eine gesellschaftliche Entwicklung ein, in der Schlagworte als Erkenntnisse ausgegeben werden und generalisierende Werturteile gefällt werden.

Die Bilder der Installation Homes from Homes 2 (2000-2001) beziehen sich auf frühere Arbeiten von Art & Language und auf ältere Werke der Sammlung des migros museums für gegenwartskunst. Indem die Reproduktionen in der Grösse, der Farbgebung, in der verwendeten Technik und den eingebauten Textbausteinen differieren, erscheinen sie als Kopien und Travestien, als eine potentiell konkurrierende Parodie der Originalwerke. In dieser, der dichtesten Hängung, ergeben sich Fragen nach dem Bezugssystem der Bilder und Texte untereinander, das, worauf der Betrachter trainiert ist – das Erstellen von Bezügen über kompositorische Entscheidungen – ist hier zum Scheitern verurteilt. Der Indexcharakter von Homes from Homes 2 – und das ist wesentlich – offenbart sich erst in der Erschliessung der Quellen.

Das Element der Störung ist ebenfalls dem Werk Mother, Father, Monday (2001-2002) eigen: jedes Element beeinflusst die Rezeption des benachbarten Fragments. Auf den verschiedenformatigen Bildern sind Ausschnitte der Art & Language internen Kommunikation geschrieben, deren wörtliche Bedeutung die räumliche Orientierung ersetzt. In der Summe bilden sie eine Landkarte, die horizontal gelagert, einen grossen Tisch bildet. Mother, Father, Monday bezieht sich auf Weltkarten, die von Kidron und Segal in den 80er Jahren entwickelt wurden, um auf die Verteilung der Ressourcen, auf das Gefälle von Wohlstand und Reichtum aufmerksam zu machen. Die Frage lautet nun: Betrachtet man ein Gemälde? Mehrere Gemälde? Oder den Ausschnitt einer geografischen Region? Ist das Ergebnis eine Allegorie auf Malerei und Kontextkunst? Oder ist jedes Fragment dieser Karte ein autonomes, an eine zurückliegende Konversation gebundenes Teilchen, das auf ein nicht abbildbares Aussen verweist? Pressetext

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