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Künstliche Welten 2003 Die künstlichen Welten Armin Boehms haben während ihres langwierigen Entstehungsprozesses unzählige Stadien der Metamorphose durchlaufen. Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen verwendet der Maler keine Fotovorlagen oder sonstiges schon vorhandenes Bildmaterial, um es verfremdet zu übertragen oder direkt auf die Leinwand zu projizieren. Der gesamte Bildaufbau entspringt allein seiner Vorstellungskraft und eine exakte Planung vom ersten Moment an ist nicht gegeben; kontinuierliches Abwiegeln, Herumprobieren und Experimentieren sind daher unabdingbar. Zunächst wird viel Farbe flächig aufgetragen, sie breitet sich aus, verläuft, vermischt sich, stinkt, klebt und trocknet irgendwann um die nächste Lage zu empfangen. Armin Boehm spachtelt, spritzt, klekst, sprayt, kratzt und schrubbt, nimmt an einigen Stellen bereits Gemaltes komplett wieder herunter, präzisiert an anderen Stellen durch Abkleben, formuliert plötzlich mit feinen, exakten Strichen noch die geringste Kleinigkeit aus und malt mit größter Genauigkeit bis ins letzte Detail durch. Penibel Gepinseltes bricht sich mit malerischen Auslassungen, zarte Lasuren schweben neben dick Geschichtetem. Feste Konzepte veralten durch den Spieltrieb des Malers und immer neu sich ergebende Zufälligkeiten in kürzester Zeit und müssen der veränderten Situation angepaßt oder neu entwickelt werden. Eventuell wird ein Bild im wahrsten Sinne des Wortes auf den Kopf gestellt und wächst dann von allen Seiten zu, sodaß strenge Gesetzmäßigkeiten wie "oben" und "unten" völlig über den Haufen geworfen werden.

So verdichten sich verschiedenste Malweisen und die Vielfalt oft scheinbar widersprüchlicher Techniken zu Atmosphären von beinahe unerträglicher Intensität. Aggressive Farbigkeit und alptraumartige Szenarien vermitteln eine bedrohliche Stimmung. Dem Betrachter eröffnen sich Räume von verschlingender Tiefe, giftige Landschaften, beschienen von kalten Lichtquellen und unwirkliche Wälder in violettem Neonschimmer. Das Bild "Stadt III" läßt aus einer urzeitlichen Höhle, seit jeher Symbol für den Zyklus aus Tod und Wiederkehr, mythenumwitterter Geburtsort von Göttern und Eingang zur Unterwelt, auf eine dunkel glimmende Metropole blicken. Wie durch ein Nachtsichtgerät erkennt man in der von Tannen beschatteten Grotte schemenhafte Affen, listige Steinzeitkrieger, die dort ihr Unwesen treiben, offensichtlich einen Angriff vorbereiten, Feuer machen und mit Fackeln hantieren. Halb verborgen hinter geheimnisvollen Nebelschleiern, in einer tiefen Schlucht, von kleinen Irrlichtern (oder sind es Ufos? Oder Sternschnuppen?) umschwirrt, zeichnen sich die gigantischen Hochhäuser einer Zukunftsstadt gegen den lila-roten, unheilvoll dräuenden Himmel ab. Der Wald aus Wolkenkratzern, gestützt auf glänzende Pfeiler und gekrönt von runden oder ellipsenförmigen Kuppeln, läßt immer wieder Durchblicke auf weitere, noch gewaltigere Gebäude zu. So wird ein optischer Sog erzeugt, der den Betrachter dazu verleitet, immer tiefer in diesen verwunschenen Großstadtdschungel vordringen zu wollen. Gleichzeitig dienen die Skyscraper sowie die Baumstämme in den Waldbildern als formgebendes Element für die großen Formate (bis zu 2,30 x 3,30 m). Durch ihre recht strenge architektonische Struktur findet trotz der inhaltlichen Überladenheit und des starken Erzählmoments, welches alle Arbeiten Armin Boehms auszeichnet, eine partielle Abstraktion statt.

Klassische romantische Motive wie stimmungsvolle Himmel, weite Ebenen, mystische Höhlen oder Wälder und Schluchten von großer räumlicher Tiefe erscheinen in neuen Zusammenhängen; traditionelle Symbole finden sich in ungewohnter Umgebung wieder. Assoziationen zu Science Fiction- Metropolen wie Coruscant, die einen ganzen Planeten bedeckende Kapitale des Imperiums und Wohnsitz des Imperators im "Krieg der Sterne", oder das Los Angeles des Jahres 2019, wie es in Ridley Scotts "Blade Runner" dargestellt wird, bleiben vor allem angesichts "Stadt III" nicht aus. Der Künstler stellt seine Arbeiten nicht in einen konkreten sozio-politischen oder kunsthistorischen Kontext und verzichtet auf zusätzliche Erläuterungen. Er drängt dem Betrachter keine bestimmte Sichtweise auf, sondern läßt ihn seine eigene "Wirklichkeit" suchen. Armin Boehms Bilder stehen jedoch trotz ihrer Future-Thematik in enger Verbindung mit der Jetztzeit. Als übersteigerte Darstellung individueller Weltanschauung vertreten sie mit einer gehörigen Portion hintersinnigen Humors, ohne jedoch in Zynismus oder Ironie zu verfallen, eine kritische Haltung zur Gegenwart. Denn "Wenn zu viel leuchtet, lacht und blinkt, vergißt man leicht, daß sich alles vor einer bedrohlichen Atmosphäre entwickelt. Eine Menge Stoff für Bilder, sofern man Lust hat, Geschichten zu erzählen." Lena Brüning

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Armin Boehm - Malerei