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„Politik selbst hat mich nie interessiert, wenn ich es so formulieren kann. Ich versuche nur auf poetische Weise über Politik zu reden. Was meine Arbeiten in einen politischen Kontext rückt, sind die Analysen,“ so Armando Lulaj während der Vorbereitungen zur Ausstellung.

Der Künstler, geboren 1980 in Albanien, lebt und arbeitet seit einigen Jahren in Italien. Seine erste Einzelausstellung in Deutschland, “Silent Sozial Corruption”, thematisiert seine Reflexion und Prüfung der aktuellen Situation der Welt. Er spricht eindeutig und mutig über hochsensible Themen, mit denen wir heute als gesamte Gesellschaft konfrontiert sind. Lulaj möchte provozieren. Nicht nur die Autoritäten, sondern uns alle. Denn in gewisser Weise sind wir alle schuldig. Schuldig durch unsere passive und gleichgültige Art zu leben. Wir spielen ohne es zu merken die Hauptrolle in dieser korrumpierten Gesellschaft.

Die Katastrophen und Desaster des Kapitalismus und der diktatorischen Fehlschläge des letzten Jahrhunderts werden uns durch Arbeiten wie „Schizophrenic Nostalgia“ und „Passion“ vorgeführt. In der Lightbox-Arbeit „Schizophrenic Nostalgia“ wird die Nostalgie durch Wiederholung und Verdopplung schizophren. Der Stern als Symbol für den Sozialismus wird vom Künstler als symmetrisch gespiegeltes Bild verdoppelt – ein Verweis auf die symmetrischen Symbole eines Psychiaters, der damit die Schizophrenie seiner Patienten attestiert. Auch die front and rear Projektion „Passion“ reflektiert die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts: In einer Schlachterei sprechen drei Männer über Kommunismus und westlichen Fortschritt.

Die Arbeit “Reflection on Black” handelt von der Wirtschafts- und Machtlobby. Sie ist unter anderem ein Verweis auf den Roman “Petrolio” von Pier Paulo Pasolini über die Zusammenhänge von Staatsmacht und luxuriösem Politikerleben. Der erste Teil der Arbeit spielt in Rom. Dort trägt der Künstler ein mit Öl gefülltes Fass herum und spiegelt in der Oberfläche des Öls die Altstadt von Rom und reflektiert damit sowohl historische, als auch stark von Korruption geprägte Orte. Im zweiten Teil platziert Lulaj ein leeres Ölfass vor dem Sitz der UN in New York – einer architektonischen Struktur, die dazu dient globale Demokratie zu sichern. Dieses Projekt spielt auf den Skandal um die „Oil for food Campaign“ in der UN zwischen 1996 und 2003 an, währenddessen hohe Beamte millionenschwere private Geschäfte mit Ländern wie Kuwait und Irak gemacht haben. Die UN soll weltweit Demokratie und ihre Strukturen sicherstellen, ist aber selbst nur Spielball der Mächtigen.

Für die Ausstellung hat Lulaj während der zwei Monate, die er in der Villa Waldberta in München Stipendiat war, zwei neue Arbeiten produzieren lassen. Der erste Teil der Arbeit „WORK SETS YOU FREE“ stellt eine site specific Intervention dar, während derer fünf in Deutschland lebende Migranten aus Palästina, Afghanistan, Iran und Kurdistan gegen Bezahlung im Angesicht von zwei (ebenfalls bezahlten) Dobermännern eine Stunde lang aushalten mussten. Die fotografische Dokumentation dieser Aktion wird in der Ausstellung zusammen mit einem Neonschriftzug mit dem spiegelverkehrten Wortlauf „arbeit macht frei“ ausgestellt. „WORK SETS YOU FREE“ handelt von Flüchtlingen, Migration, politischem Asyl, Rassismus, Bürokratie sowie generell von Arbeitsmigranten in Europa. Die in Deutschland lebenden Migranten sollten in dieser Aktion ihre eigene Lebensrealität darstellen, auch wenn diese in den Kontext eines Kunstraumes verschoben wurde. Lulaj erklärt dazu „die heutigen Juden sind die Menschen aus Palästina, Afghanistan, Irak und Kurdistan.“

Die zweite für die Ausstellung in der Lothrigner13 produzierte Arbeit, die als eine Art Orientierung für die ganze Ausstellung dienen kann, ist der Neonschriftzug “WHEN YOU COME HERE WHAT YOU SEE HERE WHAT YOU HEAR HERE WHEN YOU LEAVE HERE LEAVE IT HERE”. Diese Arbeit funktioniert als eine Art POLITICALMASTURBATION: Wenn wir die Ausstellung ansehen, „sehen“ wir sie nicht nur an, sondern wir „kommen“ auch in einem anderen Kontext. Ursprünglich stammt diese Anweisung aus dem Kontext der rassischen Segregation in den USA und verweist auf einige Grundregeln, die dort zu befolgen waren. Beide Neonschriftzüge wurden in Albanien produziert, von illegalen aus China stammenden Arbeitern.

Der Künstler ist bekannt für das Auslösen von provokativer Unruhe, welches ihm des Öfteren Ärger mit dem Staat und anderen Autoritäten eingebracht hat. Gleichzeitig sucht der Künstler aber auch genau das: Reaktionen und Feedback. Indem er seine „künstlerische Freiheit“ geschickt ausnutzt, definiert Lulaj neue Grenzen und Standards – er sucht und kämpft für neue performative Räume.

Armando Lulaj’s investigative und provokative Recherchen kulminieren somit in einem Kunstwerk, welches nicht nur für die Kunstwelt interessant ist. Die meisten seiner Projekte haben kein klares, kein vordefiniertes Ende. Sie sind vielmehr Teil eines Entwicklungsprozesses, der eng mit der jeweiligen Thematik verknüpft ist.

Ein gesonderter Ausstellungsraum in der Lothringer13 – Städtische Kunsthalle München wird von Armando Lulaj Münchener Künstlern zur Präsentation ihrer eigenen Arbeiten angeboten. Bewerber können den Künstler über die Webseite der Lothringer13 persönlich kontaktieren, woraufhin er entscheidet, ob er die Arbeiten der Künstler zeigen möchte oder nicht.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Beiträgen von Pier Luigi Tazzi, Marco Scotini und Edi Muka.

Adela Demetja