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Mit der Eröffnung des neuen Kunstmuseums Ravensburg übergibt die Stiftung Selinka der Stadt Ravensburg über 200 bedeutende Kunstwerke des 20. Jahrhunderts als Dauerleihgabe. Das Konvolut an Werken aus dem Bereich des Expressionismus sowie der Gruppen Cobra und Spur bildet die Grundlage für die zukünftige Ausstellungstätigkeit des neuen Hauses. Als Hommage an die Leihgeberin Gudrun Selinka startet das Kunstmuseum sein Ausstellungsprogramm mit einer um private und öffentliche Leihgaben erweiterten, besonderen Präsentation der Sammlung.

Appasionata

So trägt die Eröffnungsausstellung den Titel Appassionata (Die Leidenschaftliche) nach dem gleichnamigen Gemälde Asger Jorns aus der Sammlung. Dieser Titel fungiert zugleich als Motto, das sich zum einen auf die Sammelleidenschaft von Peter und Gudrun Selinka bezieht. Zum anderen beschreibt das Emotionale als Leitbegriff auch den Blick, unter dem die Werke von der Leiterin des Museums, Dr. Nicole Fritz, für die Schau ausgewählt und präsentiert werden. Wie wurde der Begriff des „Gefühls“ in den Programmen der Künstlergruppierungen Expressionismus, Cobra und Spur verwendet und wie lässt sich dies an den Kunstwerken ablesen? Die Sammlung Selinka mit ihrer expressiv-gestischen Ausrichtung eignet sich hervorragend, dem roten Faden der Emotion durch das 20. Jahrhundert zu folgen. Antworten auf diese Fragen geben über 80 Werke aus dem Expressionismus über die Kunst der Nachkriegszeit bis in die Gegenwartskunst.

Subjektive Empfindung als Imperativ des Expressionismus

Der Mensch, seine Emotionen und Sehnsüchte waren das zentrale Thema des Expressionismus. Die künstlerische Avantgarde setzte dem konservativ-autoritären Wilhelminismus den Imperativ der subjektiven Empfindung entgegen: „Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht das wiedergibt, was ihn zum Schaffen drängt“, heißt es in dem von der Brücke 1906 formulierten Manifest. Um die gemeinhin unsichtbaren Gefühle künstlerisch auszudrücken, ist den Brücke- Künstlern die Farbe ein wichtiges bildnerisches Mittel. In dem Männerbildnis (1919) von Erich Heckel beispielsweise wird die Farbe zum Ausdrucksträger eines von Kriegserlebnissen geprägten inneren Erlebens. Mit „Eros und Ekstase“ überschrieben sind die Werke, in denen die Künstler mit der Methode des Viertelstundenaktes „die Ekstase des ersten Sehens“ (E. L. Kirchner), d.h. das subjektive Erleben im Medium der Zeichnung zu fixieren suchten. Die in der freien Natur entstandenen Akte wie beispielsweise der Liegende Akt (um 1910) bezeichnete Ernst Ludwig Kirchner selbst als das „Reinste und Schönste“ in seinem Werk. Die Themenräume „In Harmonie mit der Natur“ und „Suche nach Ursprünglichkeit“ belegen eindrücklich, wie die Künstler der Brücke sich auf der Suche nach einem gesteigerten Lebensgefühl der Natur sowie den außereuropäischen Kulturen zuwandten.

Emotion und Spontanität bei Cobra und Spur bis …

In der Nachkriegskunst forderten die Künstlergruppen Cobra und Spur, ähnlich wie die Brücke Künstler, eine Rückkehr zu ursprünglichen Wahrnehmungs- und Ausdrucksweisen. Bilder wie Le Cri (1953) bringen unbewusste und vitale Lebensenergie in automatisch-informeller Maltechnik zum Ausdruck. Um den eigenen psychischen Vorgängen möglichst nahezukommen, wurde die Farbe von den Künstlern meist spontan mit Pinseln beziehungsweise Spachteln dick aufgebracht oder sogar mit dem bloßen Finger oder der ganzen Hand schnell aufgetragen. Als Inspirationsquelle diente neben der eigenen und der fremden Kultur vor allem auch die Kunst von Kindern.

… in die Gegenwartskunst

Der chronologisch angelegte Ausstellungsparcours folgt der expressiv-gestischen Tradition bis in die unmittelbare Gegenwartskunst. Gezeigt wird, wie die in der Sammlung Selinka vertretenen Positionen auch jungen Künstlerinnen und Künstlern wie André Butzer, Hadassah Emmerich oder Sebastian Hammwöhner als Bezugs- und Orientierungspunkte dienen und in eigens für die Ausstellung angefertigten Werken nicht zuletzt auch Anlass waren, den roten Faden der expressiven Kunst bis in die Gegenwart zu verlängern.

Beteiligte Künstlerlinnen und Künstler (Auswahl): Pierre Alechinsky, Karel Appel, André Butzer, Constant, Otto Dix, Hadassah Emmerich, Lothar Fischer, Sebastian Hammwöhner, Erich Heckel, Alexej von Jawlensky, Asger Jorn, Lucebert, Hermann Max Pechstein, Heimrad Prem, Max Kaus, Anton Kerschbaumer, Ernst Ludwig Kirchner, Gabriele Münter, Otto Mueller, Franz Nölken, Joseph Anton Rooskens, Karl Schmidt-Rottluff, Renée Sintenis, Helmut Sturm.

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Appassionata
Die Sammlung Selinka im Dialog

künstler:
Pierre Alechinsky, Karel Appel, Josephine Baker, André Butzer, Jerome Chazeix, Constant , Guillaume Corneille, Otto Dix, Hadassah Emmerich, Lothar Fischer, Sebastian Hammwöhner, Erich Heckel, Alexej von Jawlensky, Asger Jorn, Georg Kolbe, Lucebert , Max Pechstein, Heimrad Prem, Max Kaus, Anton Kerschbaumer, Ernst Ludwig Kirchner, Jonathan Meese, Ludwig Meidner, Gabriele Münter, Otto Mueller, Edvard Munch, Maurizio Nannucci, Saskia Niehaus, Michael Nitsche, Emil Nolde, Franz Nölken, Heimrad Prem, Tal R, Anton Rooskens, Karl Schmidt-Rottluff, Renée Sintenis, Helmut Sturm, Mary Wigman, HP Zimmer...

kurator:
Nicole Fritz