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Anouk Kruithof
Universal Tongue
April 24–October 30, 2022

Die holländische Künstlerin Anouk Kruithof hat mit der umfassenden Recherchearbeit Universal Tongue (2018) diese weltweite kulturelle Praxis in ihrer Sedimentation als Youtube-Videos und -Clips recherchiert und zusammen mit einem Team von 50 Helferinnen und Helfern rund 8800 Filme zusammengetragen. Entstanden ist daraus eine 8-Kanal-Videoinstallation, die auf jedem Kanal eine vier Stunden dauernde Auswahl unterschiedlichster Tanzstile als Einzel-, Paar- und Gruppentänze choreografiert. Begleitet werden die Filme von einem vierstündigen Musikzusammenschnitt aus dem gefundenen Filmmaterial. Dieses Kaleidoskop zwischen Virtuosität, Lebensfreude und ritueller Überformung berührt und fasziniert in der Vielgestaltigkeit der Ausdrucksformen. Teil des Projektes ist eine Buchpublikation, ein umfassendes Kompendium von 1000 Tanzstilen aus der ganzen Welt – von Abakuá-Dance (Kuba) bis Zydeco (USA).

Kruithof findet das Film- und Bildmaterial für ihre vielseitige künstlerische Praxis in den sozialen Medien und reflektiert damit, wie sich unsere Lebenswelt aus digitalen Quellen konstituiert und mit dem endlosen Fluss von Bildern, die wir täglich konsumieren, die dystopischen Aspekte unseres Daseins nivelliert. Neben dem berauschenden und überwältigenden animierten Bilderreigen von Universal Tongue, der zum Verweilen und zur Partizipation einlädt, präsentiert die Ausstellung im Museum Tinguely eine zweite Videoarbeit von Kruithof: Ice Cry Baby, 2017 entstanden, ist ein Zusammenschnitt von Youtube-Filmen, die abbrechendes und kollabierendes Gletschereis dokumentieren. Mit einer Tonspur, die nur sporadisch einsetzt, unterstreicht sie die Ambivalenz der Bilder zwischen einer beinahe meditativen Anschauung taumelnder Zeugen des Klimawandels und einem vergnügungsparkähnlichen Spektakel, das den Wettbewerb um einzigartige Bildereignisse feiert.

Mit der Ausstellung Anouk Kruithof. Universal Tongue eröffnen wir einen weiteren Dialog mit Jean Tinguelys spätem Hauptwerk Mengele-Totentanz von 1986. Bei Tinguely steht der letzte Tanz im Zentrum, den alle Menschen unabhängig von ihrem sozialen Status als Paartanz mit dem Tod vollführen, bevor sie mit leeren Taschen abtreten müssen. Der Bilderreigen der Danse Macabre ist aus Bildtraditionen des katholischen Volkskatechismus entstanden, die die armen Sünder vom Feiern während der Fastenzeit abhalten sollten, um ihre Seelen vor dem Gang in die Hölle zu bewahren. Ein Ursprung der humanistischen Bildtradition des Totentanzes wird auch in den Pestepidemien des späten Mittelalters verortet. Universal Tongue soll dazu einladen, den Tanz nicht nur als Zelebration des Lebens zu feiern, sondern darüber hinaus das Verbindende und Solidarische zu betonen.

Begleitend zu Ausstellung erscheint eine Publikation, ein Lexikon von 1000 Tanzstilen aus der ganzen Welt – von Abakuá-Dance (Kuba) bis Zydeco (USA): Anouk Kruithof. Universal Tongue, 17 × 10 × 7.5 cm, 2008 S., ills colour, paperback, ISBN 9789493146686, 2. Edition, publiziert von Art Paper Editions in Ghent Belgien, 2021 38 CHF während der Ausstellungsdauer.