press release only in german

Die Galerie Thomas Zander präsentiert in ihrer aktuellen Ausstellung eine Auswahl von Fotografien (unikate Silbergelatineabzüge) aus den 1970-80er Jahren sowie Screen Tests des amerikanischen PopArt-Künstlers Andy Warhol. 25 Jahre nach seinem Tod ist Andy Warhol (1928 Pittsburgh - 1987 New York) bekannter denn je, umso überraschender wirkt das breite Oeuvre seiner weitgehend unbekannten Fotografien. Tatsächlich nimmt die Fotografie im Werk des Künstlers eine herausragende Position ein, denn all seinen emblematischen Gemälden liegen fotografische Vorlagen zugrunde.

Auch als Fotograf arbeitete Warhol tatkräftig. Besonders in den 1970er und 1980er Jahren entstand ein bedeutender Fundus an Fotografien, die mit einer Vielfalt von kompakten Automatik- und Sofortbildkameras aufgenommen wurden. In ihrer einfachen Handhabung boten sie die Möglichkeit, zu jeder Zeit und an jedem Ort ein Motiv spontan und unbeobachtet aufzunehmen. Die entstandenen Fotografien zeigen das allgemeine Zeitgeschehen genauso wie persönlichen Obsessionen des Künstlers und dokumentieren die USA als ein faszinierendes Land voller Widersprüche.

Besonders im Medium Fotografie spiegelt sich Warhols radikale Ästhetik, die sich etwa in der strategischen Verwendung von s/w-Filmen niederschlägt und auf die allseits präsenten Bilder der Massenmedien verweist. Motivisch knüpfen die Fotografien an die demokratische Gleichwertigkeit der Malerei an und dokumentieren einerseits Warhols ausgeprägte Aufmerksamkeit für das aktuelle Zeitgeschehen und andererseits den Versuch, die Grenzen zwischen Kunst und Kommerzialität aufzuheben. Zu sehen sind immer wiederkehrende Motive wie Zeitungen in Verkaufsboxen, Schaufenster mit gefüllten Auslagen, Kurioses, Klischeehaftes, aber auch die Realität sozialer Unterschiede und Armut. Jene Szenen des Alltags repräsentieren den „American Way of Life“, der in Warhols Fotografien zu einer eigenständigen Ikonografie und einem beredten Abbild Amerikas kulminiert. Die spontane Ästhetik von Schnappschüssen kontrastiert dabei immer wieder mit strengen, fast gestellt wirkenden Fotografien. Arrangements aus Möbeln, Obst, Gemüse oder auch einfachen Tellern forderten den Künstler offenbar zu fotografischen Experimenten heraus, die sich der Abstraktion annähern und sein großes ästhetisches und stilistisches Interesse am Medium selbst dokumentieren. Andy Warhols Fotografien stellen in seinem Werk eine eigenständige Kunstform dar, der eine wichtige Mehrdeutigkeit innewohnt.

Eine Auswahl von 12 Screen Tests ergänzt den Blick auf Andy Warhols filmisches und fotografisches Schaffen. Bei Screen Tests handelt es sich ursprünglich um Testaufnahmen von Schauspielern, woraus der Künstler jedoch eine spezifische Form des Experimentalfilms für sich entwickelt hat. Gegenstand der Kurzfilme waren Porträts seiner Mitarbeiter, Freunde und von Besuchern der Factory, darunter die Musiker Bob Dylan und Lou Reed, die Schauspieler Dennis Hopper und Baby Jane Holzer, die Künstler Marcel Duchamp und Paul Thek und viele mehr. In einem Spannungsfeld von Glaubwürdigkeit und Vermitteltheit des individuellen „Image“, wurden diese filmischen Porträts faszinierende Dokumente der Zeitgeschichte von bedeutenden Personen des öffentlichen Lebens, der Medien oder der Kulturszene.

Bei den Filmaufnahmen ging Andy Warhol konzeptuell vor, so saß der Porträtierte meist auf einem Stuhl vor einer Leinwand und wurde in Nahaufnahme, aus einer starren Kameraposition in einer durchgehenden Einstellung gefilmt. Während die Kamera lief, verließ Warhol den Raum und ließ den Protagonisten allein. Die Aufnahmen dauerten in der Regel drei Minuten, da jene Zeitspanne dem Durchlauf einer kompletten 16mm Filmrolle entspricht. In den Jahren 1964 bis 1966 entstanden in seiner New Yorker Silver Factory die meisten der annähernd 500 Screen Tests. Daraus resultieren lebendige und individuelle Porträts, die nicht nur psychologische Studien intendieren, sondern auch das kulturelle Leben in den 1960er Jahren in New York widerspiegeln. An Überwachungsfilme erinnernd, bestechen die Screen Tests heute auch durch das besondere Spannungsverhältnis von Künstler, Kamera und Betrachter. Zugleich beschreiben diese Aufnahmen Andy Warhols ambivalente Beziehung zu den Medien. Angezogen von der Glamourwelt der Hollywoodstars, parodiert und ironisiert der Künstler diese durch seine eigenen Castings und fokussiert das arrangierte, mediale Bild, welches „seine Factory-Stars“ selbst inszenieren.

Aus seinen Erfahrungen mit den Screen Tests heraus entwickelte sich der Film zu einer weiteren großen Leidenschaft Warhols, die sich in diversen Filmarbeiten spiegelt, darunter Lonesome Cowboys, Eat, Flesh for Frankenstein/Andy Warhols Frankenstein und Empire. Einige dieser Screen Tests flossen auch in Filme wie Thirteen most beautiful girls (1964) und Thirteen most beautiful boys (1965) ein.