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DAS NEU BERECHNETE BILD Was zeigt ein Bild? Vorsichtig gesprochen zeigt ein Bild immer Farben und Formen. Farben sind aus keinem Bild wegzudenken, auch wenn es schwarz-weiß ist. Weiß in allen seinen Tönungen ist immer eine mehr oder weniger gleichmäßige Mischung aller Farben, schwarz existiert überhaupt nur als Farbe von so geringer Helligkeit, daß der Farbwert für das menschliche Auge nicht mehr wahrnehmbar ist. Formen sind ebenfalls in jedem Bild zu finden, wenngleich sie manchmal eine Gestalt annehmen, die unserem begrifflichen Repertoire noch nicht zugänglich ist. Doch bisher hat die Kunstgeschichte noch immer solche Phänomene begrifflich einzuholen vermocht; und es bedarf keiner allzu großen Zuversicht um zu behaupten, daß ihr das auch weiterhin gelingen wird.

Die Bilder aus Andrej Barovs Serie ‚Digital Album‘ zeigen nun vertraute Formen: Buchstaben- und Ziffernkolonnen. Jedoch ergeben sie keinen Sinn. Einen solchen Sinn unterstellt jedoch der jeweilige Titel, zum Beispiel ‚Wien‘, ‚New York‘, für jedes einzelne Bild. So sollte man vielleicht vorsichtiger sagen, daß sich der Sinn der Formen wenigstens dem menschlichen Betrachter verschließt. Dennoch ist er in diesen Formen enthalten. Nur eben so, wie auch eine Pflanze nicht als miniaturisiertes Exemplar, sondern irgendwie anders in ihrem Keim enthalten ist. Doch könnten wir den Sinn der Bilder für uns erschließen, wie er als Code für den Computer lesbar ist, für den dieser von uns geschaffen ist? Obwohl von Menschenhand (und -geist) geschaffen wird uns der Sinn des Computercodes immer ein Rätsel bleiben, wie es schon einmal in einem anderen, ähnlich gelagerten Fall gezeigt wurde: Auch von der Fledermaus ist uns die Architektur ihresWahrnehmungsapparates und ihres Nervensystems bekannt und zugleich wissen wir doch nicht und werden auch niemals wissen, wie es ist, eine Fledermaus zu sein. Also zeigt sich dem Betrachter des ‚Digital Album‘, daß sein besonderer Begriff der Welt immer schon in deren Ansicht enthalten ist, der Mensch also schon mit dem bloßen Auge begreift. Die Gegenstände – im Fall des ‚Digital Album‘ sind es Stadtansichten – nehmen keine andere Gestalt an, sondern sie nehmen nur anders dieselbe Gestalt an: nicht mehr auf den Menschen hin angelegt, wie es seit der Malerei der Renaissance üblich ist, sondern für den Computer berechnet. Das ist ein Novum.

Das ist aber nicht die einzige Explikation im ‚Digital Album‘. Verschiedene Stadtansichten sind nicht allein in unvertrauten Begriffen zu sehen, sondern auch in einem solchen begrifflichen Code, der ihre exakte mechanische Reproduzierbarkeit ermöglicht. Dabei ist die mögliche Übereinstimmung zwischen den einzelnen Exemplaren erstmals vollständig, es gibt also weder Original noch Kopie. Zugleich ermöglicht der begriffliche Code neue Möglichkeiten der Manipulation, die nicht mehr vom fotografierten Objekt oder von der fotografischen Technik im weitesten Sinne induziert sind, sondern eben von Variationen im begrifflichen Code. Solche Variationen erlauben erstmals den Schritt in die Räumlichkeit der Fotografie, ja des einzelnen Fotos selbst.

‚Digital Album‘ ist auf jede dieser Weisen Digitalfotografie, die sich in der Form des Computercodes der Bilder selbst zeigt. Digital Album‘ ist in diesem Sinne nach Theo van Doesburg konkrete Kunst, erstmals und endlich konkrete Digitalfotografie‘.

Karsten M. Thiel • Lehrstuhl für Philosophie und Ökonomik Pressetext

ANDREJ BAROV 1958 geb. in Leningrad, Russland • 1976 - 1981 Studium an der Akademie für Theater, Musik und Spielfilm, Leningrad (Diplom) • 1981 - 1988 Stellvertretender Produktionsleiter im Spielfilmstudio Lenfilm, Leningrad • 1989 Einwanderung nach Deutschland; Regie für zwei Theaterstücke am Universitätstheater in Tübingen; Film für den Südwestfunk, Baden-Baden: „Asyl in der Kaserne“ • 1994 Dozent an der Neuen Akademie der Schönen Künste, St. Petersburg • Seit 1990 künstlerische Tätigkeit als Fotograf; lebt und arbeitet in München.

PREISE/STIPENDIEN 2003 Bronze ADC Deutschland („Bitte ein Byte“, SZ Magazin) • 2002 LGS Kronach, Kunst am Bau • 1998 Auszeichnung des Kultusministeriums der Russ. Föderation • 1993 European Photography Award

EINZELAUSSTELLUNGEN (Auswahl) 2004 „My favourite films “,Galerie Benninger, Köln; „Wahrnehmungen“, Galerie Andrea Brenner, Düsseldorf; „Digitalisierte Welten“, Galerie Digital Art, Frankfurt a. M. • 2003 „Fotoarbeiten“, Taylor Wessing, Frankfurt a. M. • 2001 „Raumdefinitionen“, Galerie Benninger, Köln • 1999 Galerie „Goethe 53“, Landeshauptstadt München / Kulturreferat; Galerie Benninger, Köln; Videoinstallation „Reality TV“ (Erste lange Nacht der Münchner Museen) • 1995 Museum der Neuen Akademie der Schönen Künste, St. Petersburg • 1993 Graphik-Photo-Art-Galerie, München • 1991 Galerie Fischinger, Stuttgart; Galerie Grießhaber, Tübingen

BETEILIGUNGEN (Gruppenausstellungen / Projekte - Auswahl) 2004 Fördergemeinschaft Fotografie (FFA), Kommunale Galerie, Neues Rathaus, Bielefeld; „Gay Surfaces“, Pasinger Fabrik, München; „Images Against War“, Galerie Lichtblick, Köln; • 2003 „Lavori Fotografici“, Comune di Gargnano, Italien; „Abstraktion“, Kunstverein Schloss Plön; „Wohnträume - Wohnräume“, Museum für Gestaltung Zürich; Galerie RAAB, Berlin • 2002 „Unsolid Icons“, International Meeting of Photography, Plovdiv, Bulgarien • 2000 „Erbgut“, Galerie Benninger, Köln • 2001 „Initiale 7“, Projektraum M54, Basel • 1999 „Hertener Phototage“, Herten; „Biennale della Fotografia Storica e Contemporanea“, Venedig; „Biennale der Photographie“, Moskau; „Aufbruch - Zeitgenössische Kunst aus Russland“, AGFA / photokina ‚98, BAYER Leverkusen (später St. Petersburg, Moskau); „Modernism and Postmodernism: New Russian Art of the Ending Millennium“, Oneonta / New York (später Baltimore, Detroit, Philadelphia) ; „Neue Tendenzen aus Sankt Petersburg“, Galerie ArtKiosk, Brüssel • 1997 „Kabinett - Sankt Petersburger Tendenzen“, Stedelijk Museum, Amsterdam; „Biennale der Photographie“, Vilnius, Lettland „Moderne Kunst aus Sankt Petersburg“, Galerie ArtKiosk, Brüssel • 1996 „Metaphern des Entrücktseins - Aktuelle Kunst aus Sankt Petersburg“, Badischer Kunstverein, Karlsruhe • 1991 - 1994 Münchner Stadtmuseum; Galerie Albrecht, München; European Photography Award

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Andrej Barov "Digital Album"