Kunstsammlung Jena

Jena Kultur | Städtische Museen Jena, Stadtmuseum & Kunstsammlung Jena | Markt 7
07743 Jena

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Vernissage: Donnerstag, 4. März 2010, 20 Uhr

Andreas Siekmann, der mit seinen Installationen auf der documenta 12 und bei den skulptur projekte münster 07 große Aufmerksamkeit erregte, untersucht politische, gesellschaftliche und/oder soziokulturelle Prozesse und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft und den öffentlichen Raum. In seinen inhaltsreichen und oftmals erzählerischen Skulpturen und Installationen, die er aus Beobach­tungen, Analysen und Gesprächen entwickelt, verdichtet er komplexe Zusammenhänge in einprägsamen Bildern, die sich kraft- und gehaltvoll mitteilen. In kritischer Reflexion nimmt sich Siekmann der künstlerischen Verarbeitung jener Prozesse an, die uns und unsere Zeit bewegen. Dabei sind die von ihm gewählten Themen oftmals so komplex und sperrig, dass sie neue Formen der Verarbeitung verlangen. Rund um das Standbild des Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Kassel errichtete Siekmann 2007 seine Installation „Die Exklusive – Zur Politik des ausgeschlossenen Vierten“. Mit einem Karussell thematisierte er hier die relative Ohnmacht des Individuellen im Zeitalter neoliberaler Weltwirtschaft. Für die Arbeit „Trickle down. Der öffentliche Raum im Zeitalter seiner Privatisierung“ formte Siekmann aus den Resten von 13 Buddy-Bären eine große Kugel, die er zusammen mit der zum Zerkleinern der Bären verwendeten Schrottpresse präsentierte. Die oft besprochene Arbeit thematisiert den ästhetischen Ausverkauf des öffentlichen Raumes. Andreas Siekmann nimmt regelmäßig an internationalen Projekten und Aus­stel­lungen teil und arbeitet dabei oft mit der Künstlerin Alice Creischer zusammen. Im Herbst 2009 war er an der Ausstellung Utopie und Monument. Über die Gültigkeit von Kunst zwischen Privatisierung und Öffentlichkeit beim Festival Steirischer Herbst (Graz) beteiligt und ebenso an dem Projekt Modernologies – Contemporary artists researching modernity and modernism in Barcelona. Die meisten Werke entstehen als Installationen für bestimmte Projekte und Ausstellungen und thematisieren politische oder kulturpolitische Fragen. Darüber hinaus war Andreas Siekmann wiederholt als Kurator tätig und hat beispielsweise (zusammen mit Alice Creischer) 2002 die Ausstellung Violence on the Margin of All Things für die Generali Foundation – Center for Contemporary Art in Wien organisiert. In „Faustpfand, Treuhand und die unsichtbare Hand“ thematisiert Andreas Siek­mann die wirtschaftliche Umstrukturierung Ostdeutschlands nach der Wieder­ver­eini­gung. Die zentrale Koordinationsstelle dieses Privatisierungs­pro­zesses war die Treuhandanstalt, die ihren Sitz im Gebäude des ehemaligen Reichs­luftfahrt­minis­teriums, dem jetzigen Finanzministerium, hatte. Die Treuhand­anstalt privatisierte von März 1990 bis Dezember 1994 13.800 ostdeutsche Betriebe, das heißt, pro Tag wurden 15 Betriebe privatisiert. Die Verwandlung von volkseigenen Betrieben in Kapitalgesellschaften, ihre Inwertsetzung, wurde als Faustpfand einer ökonomischen Konsolidierung betrachtet, als eine Bedingung dafür, dass die unsichtbaren Hände der Privatwirtschaft ein erneutes Wirtschaftswunder besorgen würden. Die Geschichte der Treuhandanstalt ist somit Teil der Transformationsökonomie, die zunächst Osteuropa betraf und sich dann global ausbreitete. Ihre Protagonisten, beispielsweise Investmentbanken und Beratungsgesellschaften, sind heute ein selbstverständlicher Bestandteil politischer Entscheidungsprozesse, der sich nach den neuen Formen des neoliberalen Kapitalismus ausrichtet. Das Motto der Treuhandanstalt „Privatisierung vor Sanierung“ produzierte Methoden, die durch ihre Alternativlosigkeit eine immer schnellere Abwicklung forderten und zu Lehrbeispielen politisch-ökonomischen Handelns wurde. Andreas Siekmann hat seine Installation in zahlreichen grafischen Tafeln realisiert, deren Bildsprache bei den „Kölner Progressiven“ zu Beginn der 1920er Jahre frühe Vorläufer hatte. Im Zentrum der Ausstellung steht ein „Theatrum mundi“. Solcherart mechanische Theater wurden bis zum Ende des 19. Jahr­hunderts von arbeitslosen Bergarbeitern in Sachsen und Thüringen gebaut, um Naturkatastrophen oder bedeutende Weltereignisse darzustellen. Andreas Siekmann thematisiert hingegen mit seinem „Welttheater“ die Mechanismen der ökonomischen Liquidation und nutzt hierfür Abbilder der originalen Handlungsorte als Kulissen.

5. März – 16. Mai 2010 / I. OG Andreas Siekmann (Berlin) Nachverhandlungen aus: Faustpfand, Treuhand und die unsichtbare Hand (2005-2008)

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Andreas Siekmann. Nachverhandlungen. aus: Faustpfand, Treuhand und die unsichtbare Hand (2005-2008).