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Ort: Sammlung Falckenberg, Harburg

Andreas Schulze
INTERIEUR. Werkschau

Die Kunst des 54jährigen Andreas Schulze war und ist im besten Sinne unzeitgemäß. Nie hat er sich um die Trends im Betriebssystem Kunst geschert. Schulze malt Dinge, eigentümlich großformatige, farbintensive Motive mit Ornamenten, Kugeln, quadratischen und rechteckigen Formen, meist perspektivisch angelegt. Und er gestaltet Räume, Wohnzimmer mit Mobiliar, Lampen, Teppichen und Geschirr. Es sind Einblicke in eine altmodisch-naive Welt deutscher Gemütlichkeit, ein Design fernab modernistischer Vorstellungen.

Für die theorieorientierte, auf Gesellschaftsrelevanz setzende Kunst der 70er und die politisch ausgerichtete Kontextkunst der 90er Jahre war Andreas Schulze kein Thema. Seine Zeit als Erfinder neuer bildhafter Welten schien gekommen, als sich in den 80er Jahren unter dem Stichwort „Hunger nach Bildern" eine Renaissance der Malerei konstituierte. Es ging um die Mülheimer Freiheit, die jungen Wilden und international um Kunst der Transvanguardia. Andreas Schulze hat mit den Künstlern der Mülheimer Freiheit zusammengearbeitet und an deren Ausstellungen teilgenommen. Aber er blieb künstlerisch Außenseiter und persönlich Einzelgänger. Die neo-expressionistische Haltung dieser Jahre mit ihrem Hang zum Hedonismus und zur Selbstdarstellung war nicht seine Sache. Er ist seiner Überzeugung, den „Dingen", bis heute treu geblieben, dies auch gegenüber den neo-romantischen Tendenzen der Malerei der letzten zehn Jahre. Menschen haben in seinem Werk keinen Platz.

Andreas Schulze genießt unter Künstlern von George Condo, Fischli und Weiss, Thomas Grünfeld, Gary Hume bis Gert und Uwe Tobias als „Artist's Artist" und bei Ausstellungsmachern wie Lynne Cooke, Zdenek Felix, Robert Fleck, Udo Kittelmann, Kasper König und Ralph Rugoff hohe Anerkennung. Seine Räume erinnern an den Merzbau, jenes Refugium, das der Künstler Kurt Schwitters als die Kathedrale seines erotischen Elends bezeichnete. Der Merzbau ist für die junge Gegenwartskunst von Jonathan Meese bis Gregor Schneider zum Modell geraten. Es geht um Formen der Lebenspraxis, die sich der Gesellschaft nicht widersetzen, sondern Alternativen schaffen, letztlich um Modelle des Eskapismus.

Die Werkschau hat den Titel INTERIEUR. Der Titel steht für die Innensicht des Künstlers, der Kunst macht, um sich ein- und auszurichten, und kennzeichnet die eigenartigen, aberwitzigen Gegenstände seiner Umgebung. Andreas Schulze hat sich eine eigene skurrile Welt, ein Lebenshaus, geschaffen.

Seine Kunst mit ihren für die Postmoderne so typischen Referenzen auf Künstler der Avantgarde von Donald Judd, Richard Long, Cy Twombly bis Andy Warhol ist lange als Malerei im herkömmlichen Sinne verhandelt worden. Die Spurensuche, zumal wenn sie ernsthaft betrieben wird, führt aber nicht weiter. Andreas Schulze dekonstruiert die Zusammenhänge in der mal spielerisch-heiter, mal bösartig zum Ausdruck gebrachten Absicht, die hohen Ziele und die Bedeutung seiner berühmten Vorgänger auf Normalität zurückzuschrauben. Die Avantgarde-Kunst, so Andreas Schulze in einem Interview, würde sich zwischen Extremen - Intellektualität und grober Banalität - bewegen. Ihm gehe es um das „bürgerliche Mittelmaß", um Meissner Porzellan statt Brillo-Box oder Campbell-Dose.

Es ist Zeit umzudenken, und Andreas Schulze als konzeptuellen Maler mit dem Entwurf eines Lebensprogramms dadaistisch-surrealer Prägung zu begreifen. Von seinem Vorbild, dem wie er in Hannover geborenen Kurt Schwitters, stammt die Bemerkung: „Ich werte Sinn gegen Unsinn. Den Unsinn bevorzuge ich, aber das ist eine ganz persönliche Angelegenheit." Eine solche Einstellung steht auch für die Haltung von Andreas Schulze.

Es ist ein Katalog in Arbeit, der im September erscheinen wird. Er enthält Beiträge von Stephan Schmidt-Wulffen (Beurteilung im Kontext der Kunst der 80er Jahre), Margrit Brehm (Konzeptuelle Malerei) und Susanne Rennert / Michael Trier (Kölner Szene), ein Künstlergespräch zwischen Heinz-Norbert Jocks und Andreas Schulze, eine Einleitung durch Harald Falckenberg sowie Statements zum Künstler von George Condo, Fischli und Weiss, Thomas Grünfeld, Gary Hume, Gert und Uwe Tobias, Lynne Cooke, Zdenek Felix, Robert Fleck, Udo Kittelmann, Kasper König und Ralph Rugoff.

Andreas Schulze lebt und arbeitet in Köln und ist Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. Er wird seit den frühen 80er Jahren von der Galerie Sprüth Magers vertreten. Arbeiten des Künstlers befinden sich in zahlreichen privaten und institutionellen Sammlungen.