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Bill Viola, Tiny Deaths, 1993, 3-Kanal-Video-Klang-Installation

Beim Betreten des Raumes umfängt den Betrachter Dunkelheit, erst allmählich werden Einzelheiten wahrnehmbar. Auf drei Wände werden Gestalten projiziert. Es sind namenlose, alltägliche Menschen, die sich in Zeitlupe hin- und herbewegen, nahezu taumelnd, ohne erkennbares Ziel oder eindeutige Gesten. Sie bewegen sich fließend in einem scheinbaren Nichts: kein Raum, kein Gegenstand, keine Accessoires geben Halt oder Orientierung. Ebenso wie die Figuren sind auch die Stimmen nur undeutlich erkennbar, mehr Geräuschkulisse als wirkliche Monologe oder Gespräche. In unregelmäßigen Abständen kommt es auf einer der drei Wände zu einer unerwarteten plötzlichen Veränderung: Eine der nur unscharf sichtbaren Figuren verdichtet ihre Gestalt und ist klar zu erkennen. Sie steht für einen kurzen Moment wie im Rampenlicht, das immer heller wird, bis sich die Figur in einem gleißenden Weiß aufzulösen scheint. Parallel zu diesem Vorgang schwellen die Stimmen kurz an, doch weiterhin ist nicht zu verstehen, was sie sagen. Kurz darauf wiederholt sich dieser Vorgang auf einer der anderen Wände, der Wechsel vollzieht sich ohne erkennbaren Rhythmus.

Bill Viola (*1951), der in den 90er Jahren vor allem farbige bildgewaltige Installationen schuf, gab seiner Schwarzweißarbeit den Titel: „Tiny Deaths“, winzige Tode. Hiermit ist jedoch nicht der Tod im eigentlichen Sinne gemeint, so der Künstler, sondern die kurzen, seltenen Momente, in denen der Mensch für einen Augenblick ganz zu sich selbst findet. Es sind im Sinne des buddhistischen Glaubens die Momente reiner Erleuchtung, die, wird man sich ihrer bewusst, bereits vergangen sind.

  Gary Hill, Remarks on Color, 1994, 1-Kanal-Video-Klang-Installation

Seit über 20 Jahren umkreist das Werk von Gary Hill (*1951) die Prozesse der Wahrnehmung und des Bewusstseins, das Verhältnis von Bild und Sprache vor dem Hintergrund der Übermacht der technischen Bilder. In „Remarks on Color“, hier in der deutschsprachigen Fassung, erlebt der Betrachter ein junges Mädchen, das aus dem 1951 entstandenen Traktat „Bemerkungen über die Farbe“ von Ludwig Wittgenstein vorliest. Der Text besteht aus komplizierten, aphoristischen Fragen und Überlegungen zu der Möglichkeit, die farbige Erscheinungsweise der sichtbaren Welt sprachlich zu fassen, eine Möglichkeit, der der Philosoph selbst kritisch gegenüberstand. In den Verständnishorizont eines Kindes übertragen, das sich konzentriert und suchend bemüht, den Text zu verstehen und verständlich zu machen, werden Wittgensteins komplexe Reflexionen zu Fragen voll Sinn und Bedeutung transformiert. In der Projektion setzt Hill auf den Effekt des Blowups, um das Bild in seinem einfachen kompositionellen und farblichen Aufbau gegen den Text zu setzen. Die wenigen  markanten Farben (der grüne Pullover des Kindes, das Rot des Buches, der dunkle Hintergrund) nehmen als Ganzes Bezug auf den Text. Hill verwandelt in „Remarks on Color“ das technische Medium in ein poetisches Instrument der Welterfahrung und Selbstvergewisserung.

  Roni Horn, PI, 1998, 45teilige Fotoarbeit

„PI“ ist von mehreren Aufenthalten der Künstlerin Roni Horn (*1955) auf Island geprägt, das seit 1975 neben New York ihren Lebensmittelpunkt bildet. In alltäglich anmutenden, sich wiederholenden Motiven wie Landschafts- und Naturaufnahmen, ausgestopften Seevögeln, Porträts von Anwohnern, aber auch Fernsehbildern aus einer TV-Soap, zeichnet sie ein eindrückliches Bild der geographischen Situation und gesellschaftlichen Stimmung, der sie begegnet. Trotz des seriellen Charakters ist die Arbeit nicht narrativ aufgebaut, sondern macht in zahlreichen Facetten die spezifische Identität des von der Künstlerin erforschten Ortes anschaulich, der zugleich ihren selbst gewählten Lebensraum darstellt: „Island ist ein Verb und seine Tätigkeit besteht im Zentrieren“ (Roni Horn).

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Amerikanische Kunst der 90er Jahre
Sammlungspräsentation

Künstler:
Bill Viola, Gary Hill, Roni Horn

Kuratoren:
Inka Graeve Ingelmann