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„Gegen Ende März1845 borgte ich mir eine Axt, ging hinunter in den Wald zum Waldenteich, in dessen unmittelbarer Nähe ich mir ein Haus zu bauen beabsichtigte.“ (zit. H.D.Thoreau, Walden)

Der frühere Lehrer Henry David Thoreau lebte zweieinhalb Jahre in seiner einsamen Hütte unweit der Stadt Concord in Massachusetts und später schrieb er ein Buch (Walden oder ein Leben in den Wäldern) über dieses Experiment. Alois Mosbacher hat in seiner neuen Bilderserie „My Cabin“auch Thoreaus Hütte gemalt. Und auch das Blockhaus von Ted Kaczynski in Montana, in dem dieser über 20 Jahre lebte, nachdem er seine Karriere als genialer Wissenschaftler an der Universität von Kalifornien in Berkeley aufgegeben hatte und der, bevor seine Identität bekannt war, als Unabomber bezeichnet wurde. Er hatte im Zeitraum von 1978 bis 1995 Briefbomben an verschiedene Personen in den USA verschickt, wodurch drei Menschen getötet und weitere 29verletzt wurden. 1996 konnte Ted Kaczynski festgenommen werden. Seine Hütte wurde aus dem Wald abtransportiert und als Beweismittel zum Gericht gebracht.

Mosbachers Hütten stehen allein in einem meistens als Wald definierten Umfeld. Manche sind noch nicht fertig gebaut, oder sie sind schon wieder zerfallen und viele scheinen sich gar nicht für eine Bewohnung zu eignen. Das Serielle dieses Werkblocks ist durch das Sujet und durch die gleiche Bildgröße vorgegeben. Es geht jedoch über das rein Dokumentarische hinaus: manche Bilder evozieren ein mögliches Geschehen, das stattgefunden hat oder stattfinden wird. Auch der Malstil ändert sich mit der morphologischen Form der dargestellten Hütten, die Mosbacher meist aus anonymen Bildern des Internet bezieht. Die möglichen Bewohner oder Benützer dieser Hütten sind nicht dargestellt und müssen auch nicht Thoreaus oder Kaczinskis sein. Die Utopie einer alternativen und vielleicht besseren Welt muss sich der Betrachter selber bauen und Mosbachers Bilder dienen dafür als malerische Projektionsfläche.

Ein gezeichneter Maschendrahtzaun bildet den Rahmen für „Nachbarn“, so der Titel von Christian Schwarzwalds raumfüllender Zeichnungsinstallation. Man schlendert wie ein Flaneur an der Einzäunung vorbei, ist gleichzeitig eingesperrt wie ausgesperrt. Auf den verschieden hohen Zäunen, über denen ein blau gemalter Himmel thront, sind wiederum Zeichnungen angebracht, auf denen Gesichter und Tauben zu sehen sind.

Dass Schwarzwalds Zeichnungen oft nicht als solche erkannt werden rührt daher dass er sich an der Ästhethik reproduktiver Medien orientiert. Mal sehen sie aus wie frisch aus dem Kopierer, mal wie vom Computer ausgedruckt. Er kombiniertsie in der Hängung aber immer mit handgefertigten Grafiken, die dem Klischee einer Zeichnung gerecht werden – nicht zuletzt weil ihm dafür andere Zeichnungen als Vorlagen dienen.

Während der Zaun selbst zwar als illusionistisches Element wahrgenommen wird, kontrastiert Schwarzwald diesen Effekt durch die Hängung von Zeichnungen auf den Zaun. Einerseits verschwindet der in originalgröße dargestellte Zaun dadurch hinter seiner scheinbar statischen Funktion, andererseits werden die Zeichnungen durch die Verwendung gleicher Farbtöne mit ihm als Gesamtes gesehen - Schwarzwald kann damit den Status seiner Zeichnungen als Abbilder von Bildern verdeutlichen. Den Betrachter lässt er dabei als Spaziergänger im Ausstellungsraum zurück, der sich in dieser fremden Umgebung erst einmal mit den neuen „Nachbarn“ anfreunden muss.

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