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„All Creatures Great and Small“ im Salon d´Art

Ein extravagant schillerndes Kleinod in Kölns reicher Kunstlandschaft ist der „Salon d’Art“ von Karin Barth. „Comme ci Comme ca“ ist die nähere Bezeichnung des kleinen Ausstellungsraums für Gegenwartskunst, in dem Besucher mit heißem Tee empfangen werden und auf einem Sofa Platz nehmen dürfen. Die Gruppenausstellung „All Creatures Great and Small“ mit Werken von über 70 Künstlern zum Thema Tier und Tierisches sprengt allerdings den beschaulichen Rahmen. Besser als manch andere kuratorische Anleihe beim Renaissance-Wunderkammerprinzip, das mit der Postmoderne zu neuen Ehren gekommen ist, vermittelt diese kleine thematische Schau eine Ahnung vom Charme des Sammelns ohne Kategorienzwang.

Auf nur 15 Quadratmetern drängt sich an Wänden, in Nischen und am Fenstersims Tierisches - von Candida Höfers nachdenklichen Zoostudien über kunsthandwerkliche Objekte, Fundstücke von Jägerflohmärkten bis hin zum Vogelhäuschen in Kasper-König-Kopfform (mit dem Ohr als Schlupfloch) von Nils Norman und einem geteerten Flamingo von Mark Dion als Mahnmal gegen Umweltsünden. Von einem gewissen Thomas Wuff (Pseudonym) stammt das Porträt eines schwarzen Cocker Spaniels: ein Flohmarktfundstück. Der Hund ist in typischer Thomas-Ruff-Manier aufgenommen, vor schwarzem Hintergrund allerdings, weshalb man von dem aristokratisch wirkenden Tier nicht sehr viel sehen kann – was freilich der Witz dabei ist. David Hockney hat sich wegen seiner Schwäche für das Hundepaar „Stanley“ und „Heinz“ in einer unlimitierten Edition selbst aufs Korn genommen.

Das übertriebene Hätscheln der vierbeinigen Gefährten reizt Künstler ebenso zu Kommentaren wie die Kehrseite, die institutionalisierte Gefühlskälte und biopolitische Manipulation. In Abgrenzung zum technisch-industriellen Zugriff in Labors und Schlachtfabriken entwerfen viele Künstler heute wieder Tier- und Fabeltierbilder voller Rätselhaftigkeit. Das Tier als geheimnisvolles Wesen – wie man es aus Märchen kennt – erfährt zumindest in der Sphäre der Kunst eine Rehabilitation. Anders als bei den Gebrüdern Grimm sind die an den Rand gedrängten Vierbeiner heute jedoch schweigsam geworden. Ihren Bronzeabgüssen von überfahrenen Tieren, die sie an Autobahnrändern aufsammelt, gibt die Finnin Anne Koskinen feierliche Titel wie „Deus protector noster“. Die Technik ist uralt: Der tote Körper wird ummantelt. Beim Eingießen des heißen Metalls verflüchtigt sich die Körpersubstanz.

An mythische Fabeltiere wie Einhörner knüpft Trixi Groiss an. Piotr Dluzniewskis zart aquarellierten Alpenkühe wirken entrückt wie meditierende Yogis. Bettina Gruber hat aus Hunde-, Lammhaar und Draht das „Herz des San Franziskus“ geformt – eine zarte Hommage an den tierliebenden Heiligen. Pathos erlaubt sich auch Elke Baulig. Sie interessiert sich für Dioramen und Imaginationskästen in naturkundlichen Museen rund um die Welt, in denen tote Tiere mit aller Raffinesse von Präparatoren so arrangiert werden, als wären sie lebendig - eine alte Praxis, die naturkundliche Institute heute als Erlebniswelten in Walt-Disney-Manier wieder beleben. Baulig fügt mit ihren Fotografien der bereits interpretierten Natur der Dioramen eine weitere Interpretationsebene hinzu - und decouvriert die erbärmliche Künstlichkeit der brüchigen, nach Leichenkammer riechenden Arrangements. Candida Höfer begegnet in ihrer Zooserie hingegen dem Domestizierungs- und Klassifizierungsdrang, dem sich diese Institute verdanken, ihrerseits kühl-rational-seriell.

Ursprünglich hatte Karin Barth eine thematische Gruppenschau mit Künstlern des Salons geplant. Doch dann entwickelte sich eine Eigendynamik. „Viele Künstler empfahlen noch Kollegen, die sich ebenfalls mit dem emotional aufgeladenen Thema Tier befassen, und so kuratierten bald die Künstler das Projekt“, sagt die Galeristin. Museumsleute und Kuratoren steuerten ungefragt Mitbringsel bei – so entstand eine wild-wuchernde Wunderkammer, ein Plädoyer für den Eigenart-Erhalt, ein Lob der Vielfalt.

Johanna Di Blasi

Zu den frühesten Tierdarstellungen, ja den ältesten erhaltenen künstlerischen Schöpfungen der Menschheit überhaupt zählen die Höhlenmalereien aus Spanien und Frankreich vom Ende der letzten Eiszeit vor etwa fünfzehntausend Jahren. Die technisch raffinierte und ästhetisch auch heute noch überaus faszinierenden Beschwörungen von Mammuts, Bisons, Höhlen-bären, Höhlenlöwen, Hirschen, Wollnashörnern, Pferden oder Schlangen in Altamira und Lascaux zeugen vom frühen menschlichen Umgang mit Tieren als Feinden, Gefährten, gefürchteten und bewunderten, mystisch-beseelten Wesen. Der Mythos Jagd wird bis heute kultiviert, wenngleich – ohne die existentielle Notwendigkeit der Nahrungsbeschaffung und Verteidigung - heftig umstritten. Auch der Status von Tierschauen und Zoos zwischen Bildung und Belustigung, Arterhaltung und Kasernierung, unterliegt kritischer Revision.

Im Laufe der Jahrtausende haben sich durch Domestizierung, Erforschung, Züchtung und fast uneingeschränkte Nutzbarmachung, aber auch Ausrottung vieler Tierarten gesellschaftliche Sehweisen, moralische Haltung und Umgangsformen gegenüber Tieren grundlegend gewandelt. Geblieben ist eine – wenn auch meist unterschwellige, verdrängte - Faszination und Anziehung zur Tierwelt. Kaum ein Bereich des menschlichen Alltags kommt auch heute ohne Tierdarstellungen aus (Gebrauchsdesign, Spielzeug, Wappen/Logos, etc.), aus der Kunst sind Tiermotive in keiner Epoche ganz verschwunden. In Sagen, Märchen und Fabeln begleiten uns Tiere seit Jahrhunderten, in Comics und Filmen seit Jahrzehnten. Werbung und Psychoanalyse arbeiten noch immer mit den Symbolwerten einzelner Tiergestalten.

Die Einladung zu einer Themen-Ausstellung mit Tierdarstellungen erging zunächst an die einzelnen Künstler des Salons, ursprünglich war nur ein gutes Dutzend Arbeiten geplant. Der Gedanke löste jedoch eine unerwartete Lawine weiterer Vorschläge aus. Viele der Künstler empfahlen noch KollegInnen, die sich ebenfalls mit dem Thema befassen, und so kuratierten bald die Künstler das Projekt. - Der Ausstellungstitel bezieht sich auf eine beliebte englische Fernsehserie der 70er/80er Jahre, zu deutsch „Der Doktor und das liebe Vieh“, nach biografischen Erzählungen eines Land-Tierarztes, in der humorvoll Episoden über die Beziehung von Menschen zu ihren Haus-, Hof- und Schoßtieren geschildert werden.

Dem Charakter des Salons entsprechend werden eine Vielzahl von kleinformatigen (nicht nur Kunst-)Objekten und Bildwerken, etwa hundert Exponate von mehr als siebzig Künstlern (auf 15 qm!), der verschiedensten Sujets und Medien gezeigt, an die Tradition der Wunder-kammern und Kuriositätenkabinette der Renaissance anknüpfend, in denen mannigfaltige Fund- und Sammelstücke, exotische Pflanzen- und Tierpräparate, Miniaturen und Kunstobjekte nebeneinander, ohne die später erarbeiteten wissenschaftlichen Ordnungssysteme, zur reinen Belehrung und Ergötzung zur Schau gestellt wurden. Pressetext

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All Creatures Great and Small
Präsentationen des Kreatürlichen

mit Siegfried Anzinger, Abel Auer, Elke Baulig, Heiner Binding, Marion Blomeyer, Bob Braine, Clegg & Guttmann, Stephan Dillemuth, Mark Dion, Piotr Dluzniewski, Michaela Eichwald, Maximilian Erbacher, Ingeborg Gabriel, Björn Geipel, Ulrich Görtz, Trixi Groiss, Bettina Gruber, David Gründer, Anna Gudjónsdóttir, Robert Haiss, Frank Herzog, David Hockney, Candida Höfer, Gabriele Horndasch, Florian Hüttner, Leiko Ikemura, Anna Jacobsen, Katharina Jahnke, Dorota Jurzak, Ewa Sophie Kippels, Martin Krämer, Gisbert Lange, Marie-Luise Lebschik, Jochen Lempert, Leo Leowald, Christiane Löhr, Margit Löhr, Andreas Menn, Bärbel Messmann, Ellen Muck, Nils Norman, Ottjörg, Peter Pommerer, Thomas Rentmeister, Gunter Reski, Kim Reuter, Henrieke Ribbe, Tilo Riedel, Stefan Römer, Andreas Rüthi, Ralf Schauff, Matthias Schaufler, Jochen Scheid, Alexander Schmid, Barbara Schüttpelz, Hartwig Schwarz, Martin Seck, Jeff Sessel, Andreas Siekmann, Sima & Nic, Jürgen Stollhans, Peter Sutter, Sven Tadic, Volker Tobian, Rosemarie Trockel, Paloma Varga Weisz, Cornelius Völker, Ina Weber, Herbert Willems, Ralf Witthaus, Carl Emanuel Wolff, Thomas Wuff, Joseph Zehrer, Barbara Zenner