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Albrecht Schnider. Entwegte Landschaft

Kunstmuseum Thun, 29. Mai – 15. August 2021
Vernissage: 28. Mai, 18.30 Uhr

Das Kunstmuseum Thun zeigt mit dem Künstler Albrecht Schnider (*1958 in Luzern, lebt und arbeitet in Hilterfingen bei Thun) einen der wichtigen Protagonisten der Schweizer Malerei. Die Einzelausstellung präsentiert primär neue, zum Teil explizit für die Schau geschaffene Werke, die einen Überblick über das aktuelle Schaffen des Künstlers vermitteln. Dabei wird ein besonderer Fokus auf das Thema der Land- schaft gelegt – ein Sujet, auf das Schnider immer wieder zurückgreift und welches in Anbetracht seiner Rückkehr in die Schweiz im Frühjahr 2018 neu beleuchtet werden kann.

Die Suche nach dem Moment des Findens
Skizzen und Zeichnungen sind für Albrecht Schnider von grosser Bedeutung, denn sie stellen den «Fund» der Komposition dar und legen den Grundstein für die Erscheinung des späteren Bildes. Geht es in der Zeichnung vorrangig um die Linie, die Form und den kompositorischen Aufbau des Bildes, so muss sich der Künstler in der Malerei zudem für Farben entscheiden, die den Ausdruck des Bildes verstärken. Albrecht Schnider ist stets auf der Suche nach dem einen Moment, in dem das Bild, wie er sagt, «zurück- schaut» und bei den Betrachtenden etwas auszulösen vermag. Dieser Prozess des Suchens und Findens entsteht durch Wiederholung und Zufall sowie der künstlerischen Entscheidung, die durch das subjektive Gefühl bestärkt wird, die richtige Komposition «gefunden» zu haben. Trotz der klaren und reduzierten For- mensprache, die Schniders Werken zugrunde liegt, wie auch dem spurenlosen Duktus wirken seine Bilder tiefgründig und evozieren eine ungewöhnliche Intimität. Eine Wirkung, die nicht zuletzt aus diesem persönli- chen Findungsprozess hervorgeht.
Das Wechselspiel zwischen Zeichnung und Malerei bildet einen thematischen Schwerpunkt der Ausstellung und wird durch die Präsentation einiger Skizzenbücher des Künstlers aufgezeigt. Die Skizzen treten wie ge- zeichnete Gedanken in Erscheinung und ermöglichen eine tiefgründige Auseinandersetzung mit seiner Kunst.

«Entwegte Landschaft»
Schniders Landschaftsbilder sind von Widersprüchen durchzogen. Die immergrünen Hügel und Berge kön- nen überall und nirgends sein – jegliches natürliche Charakteristikum, welches auf eine spezifische Land- schaft schliessen liesse, bleibt den Betrachtenden verwehrt. Sind es Wiesen oder Wälder, die die sanften Bergrücken überziehen? Die Unbestimmtheit der Landschaft suggeriert den Anschein eines verschwom- menen Blickes und doch sind da diese klaren, bis zur Perfektion ausgearbeiteten Linien, die die Flächen um- reissen und dadurch die Landschaft Baustein für Baustein entstehen lassen. Auf diese Weise wird das uns zunächst so vertraute Landschaftsbild jeglicher Realität entrückt. Wie kann eine Landschaft so heimisch und fremd zugleich erscheinen?

Der Titel der Ausstellung umschreibt das zeitlose Erscheinungsbild von Schniders Landschaften auf ein- drucksvolle Weise. Die Betrachtenden finden keinen Weg in sie hinein. Vielmehr schweben sie über dieser unrealen, gar übersinnlichen Landschaft und lassen sich eher von ihr umhüllen als sie zu begehen, bis sie gänzlich in sie einzutauchen vermögen. Das Wort «entwegt» verdeutlicht diesen Eindruck der unberührten Landschaft, die weder Wege noch Pinselspuren aufweist und spielt zudem durch seine Etymologie leise, aber unverkennbar auf die Schweiz als die Heimat des Künstlers an. Die Einzelausstellung reiht sich in die monografischen Ausstellungen von Schweizer Kunstschaffenden im Kunstmuseum Thun ein, die ortsspezi- fisch arbeiten und sich in ihrem künstlerischen Schaffen mit dem Thema Landschaft auseinandersetzen.

Leere als Stilmittel und Metapher
Ein weiteres Charakteristikum in Albrecht Schniders Werken ist die Leere, die seine Kompositionen be- stimmt. Der Künstler setzt sich auf diese Weise mit der Schwierigkeit des Bildermachens und der Thematik auseinander, was ein Bild überhaupt sei. Die leere Leinwand als Ausgangspunkt eines jeden Werkes tritt hier als Subjekt in Erscheinung, welches nach dem Sinn und der Notwendigkeit jedes Pinselstriches fragt. Gleichzeitig lässt der Künstler aber auch Raum für Reflexionen und fordert die Betrachtenden in Anbetracht der ihnen entgegenspringenden Leere dazu auf, die Leinwand selbst mit eigenen Gedanken und Vorstellun- gen zu füllen.

CV Albrecht Schnider
Albrecht Schnider wurde 1958 in Luzern geboren. Nach dem Studium an der Schule für Gestaltung und der Universität Bern 1982–1987, folgten längere Aufenthalte in Follonica, Rom (Membro dell‘ Istituto Svizzero) und Florenz. 1993 ging Schnider nach Brüssel, 1998 erfolgte der Umzug nach Berlin. Seit 2005 ist er als Do- zent für Malerei an der Hochschule der Künste Bern HKB tätig. Im Frühjahr 2018 kehrte der Künstler zurück in die Schweiz. Er lebt und arbeitet in Hilterfingen bei Thun.
Schnider erhielt zahlreiche Preise wie (Auswahl) das Aeschlimann-Corti Stipendium, Bern (1989), den Aus- stellungspreis der Kunstgesellschaft Luzern (1989), das Eidgenössische Kunststipendium (1989/90/92), das Stipendium Istituto Svizzero, Rom (1900–92), das Werkjahr der Stadt und des Kantons Luzern (1991), den Ma- nor Preis, Luzern (1994), den Preis der kantonalen Kommission für Kunst und Architektur, Bern (1997) sowie den Förderpreis der Stiftung Graphische Kunst in der Schweiz (1999). Er ist in renommierten Galerien im In- und Ausland vertreten: Galerie Mai 36, Zürich, Galerie Thomas Schulte, Berlin, Marc Jancou Contemporary in New York, Genf und Rossinière, Galerie Leylâ Akinci, Amsterdam, Bernhard Knaus Fine Art, Frankfurt am Main, Galerie Kornfeld, Bern.
Einzelausstellungen (Auswahl): Helmhaus, Zürich (2014), Kunstmuseum Solothurn (2011, 1998), Haus am Waldsee, Berlin (2011), Aargauer Kunsthaus, Aarau (2006), Kunstmuseum Luzern (1994). Gruppenausstellun- gen (Auswahl): Musée de Pully (2020), Kunstmuseum Bern (2019), Aargauer Kunsthaus, Aarau (2019), Kunst- halle Palazzo, Liestal (2018), Kunstmuseum Solothurn (2018), Kunsthalle Bern (2016), Kunstmuseum Luzern (2016), Museum für Moderne Kunst, Bremen (2015), Kunstmuseum Luzern (2015), Bonnefantenmuseum Maastricht (2012), Stiftung Situation Kunst, Bochum (2010), Kunsthalle Krems (1997).

Katalog: Zur Ausstellung erscheint eine Publikation (D/E), die den Fokus auf das Sujet der Landschaft legt. Mit einem Vorwort von Helen Hirsch und Texten von Angelika Affentranger-Kirchrath und Susanna Koeberle; Herausgegeben vom Kunstmuseum Thun und dem Verlag Edizioni Galleria Periferia, Luzern 2021.