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11.02.2021 — 01.04.2021

Albert Oehlen

Der Zyklus der groß- und kleinformatigen Zeichnungen, der in der aktuellen Ausstellung bei Jahn und Jahn, München, präsentiert wird, entstand während eines Amerika-Aufenthaltes in Los Angeles im vergangenen Jahr (2020). Es sind ausnahmslos Schwarz-Weiß-Zeichnungen, für deren Ausführung Albert Oehlen Tusche auf Bütten gewählt hat. Zentrales Thema und zugleich alles bestimmendes Bildmittel dieser Zeichnungen ist die Linie, die der Künstler stark variieren lässt. Schwarze Linien, manchmal kalligrafisch exakt gesetzt, manchmal verwischt, stehen allein, überkreuzen oder verdichten sich, eröffnen oder verschließen Bildfläche und Bildraum. Mittels der gestischen und freien Formsprache fordern die Linien die Betrachtenden auf, genau hinzuschauen, ihrem Verlauf zu folgen; sie machen den spontanen künstlerischen Akt des Zeichnens fühlbar. Der Prozess des Zeichnens läuft schnell, direkt und intuitiv ab, dennoch kontrolliert Oehlen die Bildstruktur in jedem Detail.

Das grafische Werk Oehlens stellt innerhalb seines gesamten, über nunmehr 40 Jahre umfassenden, multimedial angelegten Œuvres eine eigenständige Kategorie dar. Trotzdem spielt auch hier die Aufhebung der Unterscheidung von Form und Inhalt, von Figuration und Abstraktion eine zentrale Rolle. Seit den 1970er-Jahren – als die Malerei für tot und als ein veraltetes Medium erklärt, "Bad Paintings" und bewusster Dilettantismus von den jungen Künstlern proklamiert wurden – setzt sich Oehlen kritisch und provokativ mit dem Medium auseinander. Zusammen mit Sigmar Polke, Martin Kippenberger, Werner Büttner, Georg Herold, seinem Bruder Markus und anderen sollte Kunst entstehen, die sich dem Status quo der Kunstrezeption widersetzt.

Albert Oehlen trieb das Medium Malerei mit seinen Behauptungen an die Grenze der Überforderung, um es bloßzustellen, Erwartungen ins Leere laufen zu lassen und letztlich die Kunst von den Ansprüchen zu befreien. Er hinterfragte von Beginn an Methoden, Mittel und Hierarchien der Malerei, aber – vergleichbar mit Gerhard Richter – artikulierte er seine grundsätzliche Skepsis innerhalb des Mediums und wandte sich nicht von der Malerei ab. Im Gegenteil: Unter Einbeziehung neuer Technologien – als ein Beispiel hierfür sind die in den 1990er-Jahren entstandenen Computer generierten Bilder zu nennen, die insbesondere der abstrakten Malerei neue Impulse gaben – und seinen immer wieder veränderten künstlerischen Ansätzen, hat er eine Erweiterung des Bewusstseins für das Medium der Malerei und des Kunstbegriffs im Allgemeinen bewirkt. Mit seinen Bildthemen und deren einhergehenden Problemlösungen ist Oehlen die Verwandlung von Wirklichkeit in eine reine autonome Malbehauptung gelungen, die ihn zu einem der international angesehensten zeitgenössischen Künstler haben werden lassen.