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Die Ausstellung „Abstraktion“ in den Kunstsaelen Berlin versammelt Gemälde und skulpturale Objekte aus der Sammlung Bergmeier und der Sammlung Oehmen, die der künstlerischen Praxis des Zusammenführens, Annäherns und Abstrahierens folgen. Die Zeitspanne der Arbeiten reicht vom Ende der 1960er Jahre bis 2010 – so präsentiert die Gruppenausstellung neben Rupprecht Geiger („455/67“, 1967) auch zeitgenössische Arbeiten wie die von Thomas Arnolds („rausspazieren (gross)“, 2010).

Abstraktion als Verzicht auf gegenständliche, figurative Darstellungen prägt seit Beginn des 20. Jahrhunderts die moderne Kunst. Historische Ausprägungen seit Mitte der 1940er Jahre sind etwa Abstrakter Expressionismus und Informel bis hin zur Minimal Art und Arte Povera. „Abstraktion“ verhandelt nicht allein das visuell Wirkende als Grundbedingung aller bildenden Kunst, so in den Gemälden von Michael Bette, Rolf-Gunter Dienst, Robert Schad, Frances Scholz und Robert Zandvliet, sondern erweitert den Terminus der Abstraktion auf Fragen des Medienbegriffes, des Verhältnisses von Malerei und Skulptur bei Ludwig van de Velde und des Verhältnisses von künstlerischer Praxis und Wissenschaft bei Michael Müller. Intention der Gegenüberstellung der einzelnen künstlerischen Positionen ist das Herausstellen der divergierenden Inhalte von Künstlern, die abstrakte Darstellungsformen nutzen.

Während etwa Robert Zandvliet (geboren 1970) die Aufmerksamkeit des Betrachters gezielt auf die bildnerischen Mittel und Fragen der Bildwahrnehmung lenkt, zielen Robert Schads (geboren 1953) Gemälde auf die Sichtbarmachung von Bewegung. Frances Scholz (geboren 1962) hingegen reduziert das Gesehene auf elementare Beziehungen von Farbe, Fläche und Raum. Neben diesen Verhandlungen visueller Wahrnehmungsvorgänge untersucht Michael Müller (geboren 1970) die Grenzen und Möglichkeiten wissenschaftlicher Kreativität, indem er das Verständnis des Menschen von seiner Umwelt hinterfragt. Bei der Malerei von Thomas Arnolds (geboren 1975), der sich jeder Dreidimensionalität verwehrt, geht es in erster Linie um Regelsystem, Wiederholung, Reihung, Schichtung, Rhythmus, Variation und Reduktion. Ludwig van de Velde (geboren 1957) wiederum befasst sich in seinen Objekten mit den konzeptuellen und minimalistischen Tendenzen der 1980er Jahre. Die Arbeiten von Michael Bette (geboren 1942) sind geprägt durch das künstlerische Klima der 1950er und 1960er Jahre in Düsseldorf. Darunter die Gruppe Zero, die im Gegensatz zum Informel den Ausstieg aus dem Bild propagierte. So sagt Bette über seine Bilder, dass ihre Unbestimmtheit das Ungewisse als Bestandteil des Daseins mit einschließe.

Ein weiterer Aspekt der in der Ausstellung gezeigten Arbeiten ist die Bedeutung von Farbe in der abstrakten Malerei. Farbe als sinnliches Stimulans mit intensivem Signalwert in Verbindung mit dem seriellen Kaligramm bestimmt die Gemälde von Rolf-Gunter Dienst (geboren 1942), der sich seit den 1960er Jahren mit dem doppelten Ursprung des Kunstwerks aus Sinnen und Verstand auseinander setzt. Für den Inbegriff der Farbe Rot in der abstrakten Malerei in Deutschland steht das Werk Rupprecht Geigers (1908-2009), dem in Berlin zuletzt 2008 die Neue Nationalgalerie eine Retrospektive widmete und der zu den bekanntesten Vertretern abstrakter Malerei in Deutschland gehört. Geiger war Gründungsmitglied der Gruppe ZEN49 in München, von 1965-1975 Professor an der Kunstakademie Düsseldorf und schuf für den Deutschen Bundestag den Bildfries des Kontrollraums im Reichstag. Seit 1950 ist Rot die dominante Farbe in Geigers Oeuvre, in das der viermalige Documenta-Teilnehmer ab Ende der 1960er die Form des Rechtecks einführt. Für Geiger ist „Farbe Element...Es geht mir um die Farbe, nur um die Farbe und deren Erkennbarkeit“.

Die Verweigerung der Mimesis in der abstrakten Malerei des 20. Jahrhunderts wird in der Ausstellung um das Verständnis von Abstraktion als ein Moment des Prozesses der Elementarisierung erweitert – formal und im Hinblick auf die künstlerische Produktion. Die formale Abstraktion der Exponate wird verbindendes Element und zugleich Ausdruck der verschiedenen inhaltlichen Herangehensweisen der Künstler, die einen Einblick in die Möglichkeiten und Thematiken abstrakter Kunst geben.