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Kunstwerke sind Artefakte und keine lebendigen Wesen. Diese vermeintliche Selbstverständlichkeit hat sich, zumindest psychologisch, immer wieder als Defizit erwiesen, dem schon der von Ovid überlieferte Pygmalion-Mythos mittels der Fiktion nachzuhelfen suchte. Pygmalion soll den Körper der Galatea so lebensecht aus Elfenbein geschaffen haben, dass Venus sich bewogen fühlte, die Statue zum Leben zu erwecken, damit sie Pygmalions Geliebte werden konnte.

Giorgio Vasari, der große Künstlerbiograph der Renaissance, wärmte die Pygmalion-Sage auf, als er den Bildhauer Donatello dafür lobte, dass er dem Marmor „Leben, Gefühl, Bewegung“ eingegeben habe. Die Illusion des Lebendigen wurde immer wieder mit größter Virtuosität nachzukommen versucht, und die Wachsfiguren der Madame Tussaud ahmten sogar die Weichheit der Haut nach.

Zu große Lebensnähe kann aber auch beunruhigende Züge annehmen, und im 20. Jahrhundert verbannte man sie weitgehend aus der Kunst. Am radikalsten unterdrückt wurde die vermeintliche Lebendigkeit der Skulptur durch das moderne Diktum der „Materialgerechtigkeit“ und die formale Selbstbezüglichkeit des Minimalismus. Abstraktion und Funktionalismus kommen ohne die Suggestion des Lebendigen aus, die für konsequente Modernisten sowieso unter Kitschverdacht steht. Doch die aus den Skulpturen und Objekten der bildenden Künstler zunehmend verdrängte menschliche Figur erlebt in den Zombies der Horrorfilme und in den plastinierten Leichen des Gunther von Hagens eine bizarre Wiederkehr, die vielleicht nur bezeugt, dass ein heutiger Pygmalion nur noch Untote produzieren könnte.

Aber vielleicht würde Pygmalion heute keinen weiblichen Körper, sondern einen affektiv besetzten Gegenstand fertigen, um ihn zum Leben erwecken zu lassen. Wenn das assoziative und narrative Potential von Skulpturen und Objekten wieder stark hervortritt, wird häufig, wie schon in der Objektkunst des Surrealismus, von der Magie und Verwandlungskraft der Dingwelt und der Materialien ausgegangen. Der menschliche Körper tritt weniger in seiner skulpturalen Nachbildung denn als Akteur in Erscheinung, als Performer, der auf ungewöhnliche Weise mit Dingen hantiert, von ihnen bedrängt wird oder sich wie eine Statue verhält. Die Ausstellung „A Touch of Life“ geht den aktuellen Tendenzen des Skulpturalen nach, auch im Spannungsfeld zwischen physisch erfahrbarem Gegenstand und den bewegten Bildern der Videokunst. Die Protagonisten sind Buchstützen, Glühbirnen, Kisten, Knoten, Nester, Reifen, Stühle, Wolken und viele andere Dinge, die nicht immer das sind, was sie scheinen. (Ludwig Seyfarth)

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A touch of life
Kurator: Ludwig Seyfarth

Künstler: Maria Jose Arjona, Björn Braun, Nezaket Ekici, Luzia Hürzeler, Alicja Kwade, Sofia Hulten, Harald Klingelhöller, Maik & Dirk Löbbert, Yves Netzhammer, Jenny Michel & Michael Hoepfel, Thomas Rentmeister, Michael Sailstorfer, Katrin Sigurdardottir, Haegue Yang