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Diese Ausstellung ist ein zweiter kompletter Guide/Führer zur Neuschreibung der Geschichte, ein Wunsch, eine all-umgebende Darstellung zu besitzen, mit der irgendjemandes Leben erklärt wird. Dieses Mal liegt der Fokus auf öffentlichen Monumenten als Zugang oder Ikonen des Kollektivgedächtnisses und auch: als Neuschreibung dieser gemeinsamen Identitäten und Referenzen.

Auf der 50. Biennale Venedig hat die Künstlergruppe Little Warsaw eine einzelne Statue mit dem Titel The Body of Nefertiti präsentiert. Es ist das zeitgenössische, fehlende Gegenstück zu dem berühmten weiblichen Portrait aus der Papyrussammlung des Ägyptischen Museums in Berlin. In Sparwasser HQ zeigen die Künstler eine Videoarbeit, die zeigt wie der Kopf auf diesem Körper platziert wird. In ihrer künstlerischen Arbeit findet Little Warsaw immer wieder neue Wege mit den historischen und kulturellen Referenzsystemen, der ausgewählten Objekte, zu spielen. Dies gelingt in ihnen vielfach und wird bewusst eingesetzt, um sie je nach Kontext ein- oder aufzulösen.

Das "öffentliche Monument", steht in seiner Funktion, als Platzhalter für das kulturelle Gedächtnis, seine Botschaft und das Erscheinungsbild, fungiert somit als ein Wert, dessen Inhalte scheinbar auf Übereinstimmung und Vereinbarung, über Ästhetik und auch über Inhalt, beruhen. Dort setzen die Künstler an, indem sie populäre und historische Objekte, aus ihrer Symbolhaftigkeit lösen, um sie in einen zeitgenössischen Kontext zu setzen, mit Konnotationen spielen, sie wiederbeleben oder aber auch abstreiten.

Das Spiel, dient der Geste, eine Verbindung zwischen der Gegenwart und der unmittelbaren Zeitlichkeit von Kunst herzustellen, um so zum Beispiel auch Potentiale für Meditation zu etablieren. Sie sind auf der Such nach Formen, deren Referenzen allgemein gültig sind, die jeder verstehen kann, fernab einer Geschichte, die nur von einer ausgewählten Minderheit verstanden werden kann. (Zsolt Petrányi)

Bei der Betrachtung, des gesamten Erscheinungsbildes des ägyptischen (modellierten) Frauenkörpers der erst durch die Ergänzung des Kopfes Vollkommen geworden ist, verändert sich das Bild von einer stilisierten Wahrnehmung: Das Körperbild wird zu einer Frau wie man sie auf der Strasse treffen könnte - lebendig, aus Fleisch und Blut. Das Bild eines Frauenkörpers, als "öffentliches Monument" ist meist geprägt durch Übercodierung und Symbollastigkeit, Jungfräulichkeit, Heiligkeit, Reinheit usw. verdrängen im "Kollektiv" jeglichen individuellen Charakter.

Die österreichische Künstlerin Carola Dertnig untersucht und reflektiert performative Strategien aus den letzten Jahrzehnten, wobei kritisch-feministisch geprägte Blickweisen sowie ein explizites Interesse an der Politisierung von Gender zu den zentralen Aspekten ihrer Arbeit gehören. Die in Sparwasser HQ ausgestellten Arbeiten setzten kaum beachtete weibliche "Modelle" der Wiener Aktionisten ins Zentrum. Künstlerisch sieht das so aus, dass Dertnig auf Aktionsfotos Bildausschnitte überzeichnet und so eine andere Sichtweise auf die legendären Bilder ermöglicht.

Auch Shakespeare hat seinen festen Platz im kollektiven Gedächtnis und könnte als Monument bezeichnet werden. In der Videoarbeit "Ham&cheesomelet" von 2002 reinterpretiert der Künstler Ming Wong aus Singapur die große existenzialistische Frage wie sie der dänische Prinz Hamlet "To be... or not to be ..." gestellt hat, als Ausdruck der Schwierigkeiten im Ringen diese Frage von Existenz und Identität in Worte zu fassen. Neue Lesbarkeiten werden aufgezeigt.

Francois Bucher (Columbia) reinterpretiert ein Stück europäischer Literatur, indem er Kafkas Allegorie "Vor dem Gesetz" über eine Life-Schaltung in die Telefonleitung von Katharine Gun interpretiert. Gun war die Übersetzerin für den britischen Geheimdienst, die sich entschloss geheime Informationen an die Presse freizugeben, aus denen hervorging, dass US- Geheimdienste die Delegation von sechs als "unentschlossenen" Mitgliedern des UN Sicherheitsrates bespitzeln ließ, um diese zu einer Pro-Krieg-Entscheidung zu veranlassen. Gun wurde der Prozess gemacht, der mit einem Freispruch der britischen Regierung endete, als deutlich wurde das ihr Prozess die Legalität des Krieges in Frage stellt.

Maryam Jafri ist eine Künstlerin mit einem pakistanisch, amerikanischen Hintergrund, die in Dänemark lebt. In der Ausstellung zeigt sie ein Poster, auf dem der Ausruf der britischen Truppen Invasion in 1917 zusammengebracht wird mit dem ikonischen Bild der Statue Saddam Husseins, wie sie von ihrem Podest gestürzt wird, als die Truppen 2003 in den Irak einziehen. Jafaris Arbeit ist eine Leihgabe der zurzeit gezeigten Ausstellung Rethinking Nordic Colonialism, die gerade erst in Reykjavík (Island) eröffnet wurde. Dieses Ausstellungsprojekt behandelt die fehlende öffentliche Auseinandersetzung mit dem Diskurs des Kolonialismus und dem heutigen Selbstverständniss der postkolonialen nordischen Regionen, und beginnt mit einer möglichen Geschichtsschreibung.

Eine weitere Arbeit der Ausstellung ist der Film The End of the Endless, ein Dokumentarfilm über die zunehmende Enttäuschung auf dem Arbeitsmarkt in Brasilien. Der Film ist von Lucas Bambozzi, Cao Guimaraes, Beto Magalhaes und ist ein Teil der Filmreihe "The Portrait in Film", die in der Ausstellung Again for Tomorrow, gerade eröffnet, im RCA in London zu sehen ist.

Mit dieser Ausstellung möchte Sparwasser HQ die vielen unterschiedlichen Aspekte hinsichtlich der Idee einer Orientierung zu 'to re-writing your history' erweitern, und an parallele Projekte und Fragen anschließen, wie zum Beispiel der Vortrag "Is Modernity our Antiquity?" von Roger Buergel, der im Programm von "Again for Tomorrow" im RCA am 18. März in London war.

"Re-thinking Nordic Colonialism" hat seine erste Station am 24. März in Reykjavik eröffnet, und wird in Sparwasser HQ präsentiert durch die Einbindung der immer wieder aktualisierten Homepage und des Ausstellunngsführes der vier Stationen vor Ort.

Durch das Projekt " Rethinking Nordic Colonialism: A Postcolonial Exhibition Project in Five Acts" wurden viele Fragen neue Aufgeworfen. Das Nifca- Projekt wird an fünf unterschiedlichen Stationen in den nordischen Regionen stattfinden (Ausstellungen und Konferenzen): Das Thema kolonialer Geschichte ist in den nordischen Ländern ein schwarzes Kapitel, das in Vergessenheit gedrängt wurde. Aber auch in den ehemals kolonisierten Ländern scheint es auf alarmierende Weise abwesend zu sein, bzw. auch dort im kollektiven Gedächtnis verdrängt.

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