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I'M JUST NOT IN THE RUNNING AS I STAND BESIDE THE TRACK. 1000 Couplets von Moondog

6. Juli — 1. September 2019

Der Kunstverein widmet diese Kabinettsausstellung dem blinden amerikanischen Komponisten und großen Nomaden Louis Hardin aka. Moondog (1916 – 1999), der als Ikone für Gegenkultur bis heute eine große Referenz für viele zeitgenössische Komponisten, Musiker und Musikliebhaber weltweit ist. Bekannt wurde Moondog nach seiner Musikausbildung ab den späten 1940er Jahren in New York, als er regelmäßig an der Ecke 6th Avenue und 54th Street als Straßenmusiker auftrat und mit seinem außergewöhnlichen Look aus eigens genähter Robe, Wikingerhelm, Speer und um Füße und Fesseln gebundene Lederstiefel seine Gedichte, Kompositionen und verschiedene andere Drucksachen verkaufte. In New York hospitierte er einige Zeit bei Arthur Rodzinski (Philharmonic Orchestra) und kam schnell in Künstlerkreise der Beat Generation, machte Gedichtlesungen mit Allen Ginsberg, Tiny Tim, Meggie Dominic und lernte Jazz-Größen wie Benny Goodman oder Charlie Parker kennen, dem er nach dessen frühem Tod sein bekanntes Stück „Bird‘s Lament“ widmete. Bei den Komponisten Philip Glass und Steve Reich galt Moondog als Begründer der Minimal Music. Nach einer Einladung des Hessischen Rundfunks für ein Konzert gemeinsam mit Kraftwerk in Frankfurt 1974 entschied er sich in Deutschland zu bleiben, lebte zunächst in Hamburg, später in Recklinghausen und Oer-Erkenschwick.

Seine Kompositionen, Gedichte, Theaterstücke, theoretischen und philosophischen Abhandlungen entstanden zunächst in Brailleschrift und wurden teilweise anschließend in Schrift übertragen. Seine Selbstständigkeit im Schaffen verdankte er einer extremen Systematik in Alltagsdingen, sowie der durchgängigen Unterstützung verschiedener Menschen in seiner Umgebung, in den USA und später auch in Deutschland.

I’m just not in the running as I stand beside the track, on which the rat-race never ends, but ever circles back.

Die Ausstellung im Kunstverein zeigt mit den kaum verbreiteten „1000 Couplets“ Moondogs dichterisches Lebenswerk, das von Wortwitz, Rhythmus, dem Genuss an dem Klang von Sprache aber auch von künstlerischer Strenge, seinem ungebundenen Nomadentum und von großer Einsamkeit geprägt ist. An drei Hörstationen sind zwei Fieldrecordings aus Hamburg sowie das Stück “Moondog‘s Monologue“, in dem er seine Gedichte zu getrommelten Rhythmen vorträgt, zu hören. Außerdem zeigen wir eine Auswahl von Notationen in Braille im Original, die Moondog in Ermangelung von Papier häufig in die Zeitschriften seiner Partnerin einprägte. Auf diese Weise schuf er unfreiwillig visuelle Begegnungen seiner Notation mit den Zeitschriftentexten und -bildern und damit interessante Zeitdokumente.

Für die Ausstellung schuf die Hamburger Künstlerin Cordula Ditz (*1972, Hamburg) eine von Moondog inspirierte Wandmalerei. Ihr visueller Umgang mit Schrift, Sprache und dem Unterbewussten bietet dem dokumentarischen Charakter der Ausstellung ein besonderes Gegenüber und nimmt verschiedene Couplets auf, setzt sie in Beziehung und ermöglicht neue Lesarten.
Im Wartehäuschen auf Gleis 1&2 des Harburger Bahnhofs sind Moondogs Couplets außerdem als Original Aufnahme aus seiner Hütte in Candor zu hören, aufgenommen Anfang der 1970er Jahre.

Das Schleswig-Holstein Musik Festival widmet dem Komponisten im August eine Konzertreihe mit Spielstätten u.a. im Thalia-Theater und dem Uebel & Gefährlich. Das letzte Konzert dieser Reihe wird im Kunstverein Harburger Bahnhof gegeben, mit Stefan Lakatos (Trimba), ClariNoir (Klarinettentrio), Omer Iran (Oboe) und Alexander Rauch (Fagott).