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Anlässlich des hundertsten Gründungsjubiläums der Brücke (1905–1913) zeigt die Kunsthalle Bremen aus ihrer Sammlung ausgewählte Werke der expressionistischen Künstler vereinigung – vornehmlich Arbeiten von Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Max Pechstein. Der erste Teil der Ausstellung präsentiert die kostbaren sieben Jahresmappen der Brücke(1906–1912), die in ihrer Abfolge eindrucksvoll die Kristallisation des kollektiven Brücke-Stils ablesbar machen. Mit rund 60 Druckgraphiken und Zeichnungen sowie Kirchners Gemälde der Schlafenden Milly konzentriert sich der zweite Teil der Ausstellung, der durch einige Leihgaben aus Privatbesitz bereichert wird, auf das Leitthema des Aktes. Über den Akt lösten sich die Brücke-Freunde besonders nachdrücklich von akademischen Traditionen und griffen ihn auch nach der Auflösung der Gruppe in facettenreichen Formulierungen immer wieder auf.

Am 7. Juni 1905 schlossen sich in Dresden Ernst Ludwig Kirchner, Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff zu der Künstler vereinigung Brücke zusammen und leiteten damit den deutschen Expressionismus ein, der sich – parallel zum französischen Fauvismus – zu einer der zentralen Bewegungen in der internationalen Kunst des frühen 20. Jahrhunderts entwickeln sollte. Alle vier Gründungsmitglieder waren damals zwischen 21 und 26 Jahren alt und hatten Architektur an der Technischen Hochschule in Dresden studiert. Bis auf Kirchner, der im Winter 1903/04 die Debschitz-Schule in München besucht hatte, waren sie auf dem Gebiet der Malerei und Graphik Autodidakten. Ihr knappes Programm lautete: „Als Jugend, die die Zukunft trägt, wollen wir uns Arm- und Lebensfreiheit verschaffen gegenüber den wohlangemessenen älteren Kräften. Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht das wiedergibt, was ihn zum Schaffen drängt.“ Damit formulierten sie keine konkreten künstlerischen Ziele, sondern gaben vielmehr eine antiakademische und antibourgeoise Stoßrichtung vor. In einer Zeit, in der Kaiser Wilhelm II. die Moderne als „Rinnsteinkunst“ verunglimpfte, suchten sich die jungen Künstler selbstbewusst gegenüber etablierten Kunstformen und überkommenen Moralvorstellungen zu behaupten und eine neue Einheit von Kunst und Leben herzustellen. Über die Freisetzung der Bildmittel gaben sie ihrem subjektiven Erleben spontanen künstlerischen Ausdruck und revolutionierten darin die bis dahin bestehenden Sehgewohnheiten: Die Farbe wurde ungebrochen freigesetzt, die Form radikal vereinfacht, die Fläche betont und der Bildraum verunklärt.

Die sieben Jahresmappen beinhalten mit den Druckgraphiken von Max Pechstein, Emil Nolde, Otto Mueller, Cuno Amiet und Axel Gallén-Kallela auch Arbeiten jener Künstler, die der Brücke erst später, nur kurz oder eher peripher angehörten. Neben Stillleben, Landschaften und Porträts enthalten die Jahresmappen vor allem Darstellungen des Aktes, ein zentrales Thema der Brücke-Graphik.

Den Akt betrachteten die Brücke-Künstler als „Grundlage aller bildenden Kunst“ (Kirchner). Bereits seit 1905 praktizierten sie das Zeichnen der so genannten „Viertelstundenakte“, bei dem sie die Modelle in ihrer zwanglosen Bewegung spontan erfassten. Im Sommer 1909 fanden sie mit den Moritzburger Teichen bei Dresden ein erstes arkadisches Refugium, wo sie die Akte in freier Natur und freier Natürlichkeit darstellten. Während die Brücke-Freunde den Akt in ihrer vitalistischen Aufbruchstimmung zunächst als Sinnbild einer noch nicht zivilisierten und damit noch nicht entfremdeten Natur verstanden, griffen sie – jeder für sich – das Sujet auch nach 1913 immer wieder auf, um – nicht zuletzt vor dem Hintergrund ihrer Kriegserfahrung – ein vergangenes Arkadien zu beschwören, aber ebenso Fragen des allgemein Humanen zu reflektieren.

Pressetext

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100 Jahre Die Brücke 
Druckgraphiken, Zeichnungen und Gemälde aus der Sammlung der Kunsthalle Bremen

Werke von Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Max Pechstein. u.a.