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Zum Beispiel „Les Immatériaux“ ist eine Ausstellung übers Ausstellen. Sie bezieht sich auf das mittlerweile mythische Ausstellungs- und Publikationsprojekt Les Immatériaux, das federführend von dem einflussreichen Postmoderne-Theoretiker Jean-François Lyotard kuratiert wurde.

Als seinerzeit von Fachwelt und breitem Publikum kontrovers aufgenommenes kuratorisches Experiment fällt es schwer, sich heute ein adäquates Bild davon zu machen. Das 1985 im Pariser Centre Georges Pompidou realisierte Projekt will auch im Rückblick nicht den Kategorien einer Kunst- oder Technikausstellung entsprechen; seine komplexe inhaltliche Thematik – die sprichwörtlich gewordenen „immatériaux“ als Beschreibung des technologischen und epistemischen Wandels in unserem Verhältnis zu ‚Material’ – lässt sich kaum auf einen einfachen Nenner bringen. Ganz aus der Philosophie heraus gedacht, entwarfen Lyotard und sein Team Les Immatériaux als Gesamtkunstwerk, das selbst noch die Ebene der Vermittlung – z. B. Audio-Guide, Publikationen und das Begleitprogramm zur Ausstellung – einbezog. In diesem Sinn wollte Les Immatériaux als Werk verstanden werden, sollte das philosophisch-kuratorische Szenario zur Dialektik von Fortschrittskonzepten für seine BesucherInnen als multimedialer Schock unmittelbar zu erleben sein.

Les Immatériaux exemplarisch heranzuziehen hat verschiedene Gründe. In der Art, wie Lyotard das Medium der Ausstellung zur Vergegenwärtigung seines theoretischen Projekts einsetzte, war – wie die darin formulierte Zukunftsperspektive selbst – ebenso treffend wie beispiellos. Gleichwohl fiel die Wirkungsgeschichte des damals Schlagzeilen schreibenden Projekts seitdem erstaunlich gering aus. Der seinerzeit erhoffte breite Diskurs über den im Format der Ausstellung skizzierten Wandel in Kunst, Technologie und Wissen an der Schwelle der Ära des Digitalen und dessen Effekte auf uns, verebbte schnell. Letztlich war der gezielt bis zur Überforderung getriebene kultur- und zeitgeschichtliche Parcours mit unterschiedlichsten Exponaten aus den Künsten sowie dem technologischen und wissenschaftlichen Bereich doch zu sehr ‚Ausstellung’.

Im gegenwärtigen Trend in der künstlerischen und kuratorischen Praxis historische Ausstellungen ihrerseits wieder zum Gegenstand von Ausstellungen zu machen, stellt Zum Beispiel „Les Immatériaux“ die Frage nach der Ausstellbarkeit generell. Ist es nicht der präsentische Charakter des Mediums ‚Ausstellung’ selbst, das unser Verhältnis zu ihrem Material, den gezeigten Objekten ebenso wie dem darin verhandelten Wissen zu klären hilft? Anders gefragt, was hat man eigentlich von einer Ausstellung zu erwarten?

Das Projekt des Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen ist in diesem Sinne ein Aperçu über das Kuratorische selbst. Indem Zum Beispiel „Les Immatériaux“ Elemente einer Studienausstellung – ein diskursiver Parcours aus Archivalien zum historischen Projekt und eine Auswahl originaler Exponate – mit der Präsentation aktueller künstlerischer Arbeiten experimentell verschränkt, ruft die Ausstellung immer wieder das Moment des ‚Präsentischen’ in Erinnerung, das freilich immer nur individuell zu vergegenwärtigen ist.

Mit Marie Angeletti, Michael Dreyer, Constant Dullaart, Florian Hecker, Alwin Lay, Rabih Mroué und Peter Weibel und mit originalen Arbeiten der Ausstellung Les Immatériaux von Giovanni Anselmo, François Morellet und Philippe Thomas.

Zum Beispiel „Les Immatériaux“ ist der Beitrag des Kunstvereins zur Quadriennale Düsseldorf 2014, die sich unter dem Titel Über das Morgen hinaus in dreizehn Ausstellungen künstlerischen Zukunftsperspektiven widmet.

Kuratiert von Hans-Jürgen Hafner und Christian Kobald.