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Seit 1994 steht Rohkunstbau für internationale Kunst im Wasserschloss von Groß Leuthen bei Berlin. 2006 entsteht erstmals eine Ausstellungstrilogie: drei Jahre, drei Themen, drei Farben, inspiriert von Krzysztof Kieslowskis Filmtrilogie Drei Farben: Blau, Weiß, Rot, in der der polnische Regisseur die Ideale der Französischen Revolution im Hier und Jetzt thematisiert. Wie Kieslowski setzt Rohkunstbau den gesellschaftspolitischen Phrasen private Geschichten entgegen, denn „die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern dass er nicht tun muss, was er nicht will." (frei nach Rousseau)

Inhaltlicher Kern des Konzeptes der Rohkunstbau-Trilogie DREI FARBEN - BLAUWEISSROT und damit auch des ersten Teils im Wasserschloss Groß Leuthen ist nicht in erster Linie die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung - der Prozess sollte bei jedem Einzelnen beginnen. Die Rohkunstbau-Trilogie orientiert sich deshalb ganz bewusst an Kieslowskis Trilogie, in der es um persönliche Schicksale, Erlebnisse und Geschichten geht. Das Private, das Individuum steht im Vordergrund. Dieser Aspekt ist in der sinnlichen Abgeschiedenheit Groß Leuthens für die Künstler klarer darstellbar. Viel persönliche Freiheit ist möglich - wie viel Freiheit ist wirklich nötig?

In ihren neuen Arbeiten, die speziell für Rohkunstbau und das Wasserschloss von Groß Leuthen entstanden sind, zeigen die Künstler

Vasco Araújo (Portugal) Sylvie Barré (Frankreich) The Blue Noses (Russland) Monica Bonvicini (Italien) AK Dolven (Norwegen) Hannah Dougherty (USA) Mona Hatoum (Großbritannien) Langlands & Bell (Großbritannien) Melanie Manchot (Deutschland) Gregor Schneider (Deutschland) Costa Vece (Schweiz) Michael Wesely (Deutschland)

ihre verschiedenen künstlerischen Artikulationen dessen, was es heißt, sich frei zu fühlen. Es sind individuelle Ästhetiken und künstlerische Positionen, die das für jeden von uns einzigartige Gefühl von Freiheit feiern.

Während des Festivals werden zahlreiche internationale KünstlerInnen, Choreografen, Musiker, Theaterleute und Performancekünstler in speziell für den Ort entwickelten Arbeiten oder in Neuadaptionen zusammen mit Kooperationspartnern wie HAU, Dock11, Sophiensaele und Fabrik Potsdam sehr frei mit dem Thema Freiheit umgehen.

Der Titel XIII. Rohkunstbau DREI FARBEN - BLAU folgt der Trilogie „Drei Farben: Blau, Weiß, Rot" des polnischen Regisseurs Krzysztof Kieslowski. Es ist zugleich der Start der Rohkunstbau Trilogie der Jahre 2006-2008.

Schirmherr von Rohkunstbau „DREI FARBEN - BLAU WEISS ROT" 2006 bis 2008: José Manuel Barroso, Präsident der EU-Kommission

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Ausgehend von den Gefühlen des Freiseins, hin zum Ideal der Freiheit, widmet sich der XIII. Rohkunstbau der Ambivalenz eines Begriffes, der oft missbraucht, fehl gedeutet und auf vielerlei Weise politisiert wurde. Wie verhält es sich mit der Freiheit heutzutage, vor allem, wie verhält es sich mit ihr in der Kunst, die gemeinhin als die letzte Bastion der Freiheit gilt? Welche Einschränkungen von Freiheit sind akzeptiert und sinnvoll, welche schränken positives Potenzial ein und dürfen keinesfalls akzeptiert werden?

Eine Gruppe von zwölf internationalen Künstlern wurde von Rohkunstbau ins Wasserschloss Groß Leuthen eingeladen, um sich mit den Formen von Freisein und Freiheitsentzug auseinander zu setzen, die für sie am wichtigsten sind. Ihre Installationen, Filme und Wandarbeiten spiegeln die Vielschichtigkeit und problematische Mehrdeutigkeit des Begriffs wider und lassen eine mögliche Kategorisierung nur in Teilen zu.

Der Blick der Künstler geht immer vom einzelnen Individuum aus. Welche gesellschaftlichen Mechanismen greifen jedoch bewusst oder unbewusst in die Freiheit des Einzelnen ein, welcher Art sind einerseits die Verbote, denen er persönlich ausgesetzt ist, welcher Art ist andererseits der schon einschränkende Überfluss an Freiheit? Mona Hatoum vermittelt in einer raumgreifenden Installation anschaulich die Bedrohung physischen Freiheitsentzugs in totalitären Regimen. Dabei umschmeichelt die Tochter palästinensischer Eltern, die in London aufgewachsen ist, den Besucher mit dem Zauber orientalischer Märchenwelten, deren Brutalität sich erst bei näherem Hinsehen erschließt. Selbst zum Gegenstand gesellschaftspolitischer Beschränkungen geworden, thematisiert Gregor Schneider in seiner Arbeit das Scheitern zweier eigener künstlerischer Entwürfe. Weder im Rahmen der jüngsten Venedig Biennale noch in Nachbarschaft des Hamburger Bahnhofs in Berlin durften seine CUBES, Arbeiten, für die er beauftragt wurde, letztendlich realisiert werden. Sein begehbarer CUBE in Groß Leuthen nun bietet dem Eintretenden einen Ort der Reflektion und führt ihm gleichzeitig vor Augen, wie stark religiös bedingte Strukturen die Sicht auf die Umwelt behindern können. Die Frage nach der Freiheit des Autors stellt Michael Wesely auf eine ganz andere Weise. Seine camera obscura hat über ein ganzes Jahr hinweg eine Aufnahme vom Groß Leuthener See gemacht, ohne dass der Fotograf während dessen Einfluss nehmen konnte. Der Wechsel der Jahreszeiten, die Summe von Momenten, Begebenheiten treffen in einem Anblick zusammen, bleiben aber nicht näher identifizierbar.

Der Frage nach sozialer und persönlicher sexueller Freiheit und ihren Unterschieden zwischen den Geschlechtern, aber auch der Frage nach Freiheit im ländlichen im Vergleich zum städtischen Raum wird ebenso nachgegangen wie der Beobachtung, dass bestimmte Verbote nur zu bestimmten Zeiten wirksam sind. Der portugiesische Künstler Vasco Araújo geleitet den Betrachter in die psychologischen Tiefen inzestuöser Begierden und identitätsbedingter Verstrickungen und rührt damit an ein Tabu sexueller Freiheit par excellence. Araújo inszeniert im Schloss ein kleines Kabinett, in dem die Geschichte einer latent zu großen Mutter-Sohn-Liebe mit Zeugnissen inzestuös-frivoler Lust-Kultur konterkariert wird. Die norwegische Künstlerin Anne Katrine Dolven hingegen stellt in ihrer meditativen Installation den Groß Leuthener See in direkten Zusammenhang mit einem See auf den Norwegischen Lofoten Inseln, 900 m über dem Meeresspiegel. Beide Naturparadiese transformieren zum romantischen Kontemplationsbild, in dem Vergangenheit und Zukunft bildhaft aufeinandertreffen. Monica Bonvicini bricht aus der Ordnung des Ablaufs der Ausstellungsräume aus. Ihr Ausstellungsraum zeigt den Anfang und das Ende von Freiheit: das Nichts. Sie wählte einen alten Baum auf der Schlossterrasse zum Ort ihrer Leuchtschriftarbeit, die nur von einem Zimmer des Schlosses aus gelesen werden kann.

Politische Freiheiten, wie die der Rede, der Wahl oder das Recht frei zu reisen und sich frei zu bewegen, spielen in einer Demokratie eine wesentliche Rolle und prägen das Verhältnis des Einzelnen zu seiner Heimat – ein Thema, das das Werk von Costa Vece stark beeinflusst. Als Kind einer griechisch-italienischen Migrantenfamilie, wuchs Vece in der Schweiz auf und lässt heute noch diese Einflüsse verschiedener Kulturen in seinen Installationen über Heimatverbundenheit und Nationalismus spürbar werden. Die russische Künstlergruppe The Blue Noses treibt in ihrer Installation pointenreich, anarchisch und provokativ das Recht auf freie Meinungsäußerung auf die Spitze. Hannah Dougherty wird für das ehemalige Gästezimmer ein Wandgemälde fertigen, um auf diese Weise der historischen Tradition der Dekormaler, aber auch dem Ort ihre Reverenz zu erweisen. Es wird das zweite Wandbild im Schloss sein, das bereits ein Deckenfresko im ehemaligen Musikzimmer beheimatet. Das Gemälde der jungen Amerikanerin wird im Unterschied zu diesem jedoch konkrete Anleihen an Groß Leuthen und seine Umgebung machen – einer Region, in der sich in den letzten zwanzig Jahren das Koordinatensystem der persönlichen Freiheit der Einwohner immer wieder gewandelt hat und weiter wandelt.

Wie sieht es mit den Freiheiten aus, wenn diese Region in Bezug zur Freiheit im städtischen Raum gesetzt wird, oder: Nach welchen Freiheiten verlangt es die Städter und welche benötigen die Bewohner in der ländlichen Provinz? Melanie Manchot hat in ihrem Video die Jugendlichen einer lokalen Theatergruppe um Groß Leuthen aufgefordert, in die Rollen futuristischer Freiheitskämpfer zu steigen und zu improvisieren. Mit ihren skurrilen Kostümen aber wirken sie eher als Verfechter vergangener Gesellschaftsformen denn als Kämpfer für eine neue befreite Welt und spielen ein Spiel im Grenzbereich von virtueller Realität und realer Projektion. Außerdem uniformieren sie sich dadurch und persiflieren die globale Markenuniformität. Die hoch erhobene Trikolore, das Symbol für die Freiheit des Volkes schlechthin, wird in dem Beitrag des britischen Künstlerduos Langlands & Bell zu einer Proklamation der Freiheit der Kunst. Die Flagge über dem Eingang des Schlosses referiert in diesem Fall zusätzlich auf die Installation der beiden im ersten Stock, die wiederum auf die Befreiungsaktionen in der Kunst der späten 1960er Jahre anspielt. Die junge französische Künstlerin Sylvie Barré schließlich schlägt die Brücke zu den Filmen von Krzyzstof Kieslowski, dessen Trilogie Drei Farben Blau, Weiß, Rot Vorbild für die gleichnamige Ausstellungstrilogie von Rohkunstbau ist. Ihre Text-Installation basiert auf einem Dialog zweier Filmfiguren Kieslowskis und handelt von der Suche nach persönlicher Freiheit, dem Metathema des ersten Teils der Rohkunstbautrilogie. Die Wörter werden in Form der Buchstaben spi angeordnet, was auf Polnisch bedeutet: sie schläft.

Teilnehmende Künstler: Vasco Araújo (P), Sylvie Barré (F), The Blue Noses (R), Monica Bonvicini (I), AK Dolven (N), Hannah Dougherty (USA), Mona Hatoum (GB), Langlands & Bell (GB), Melanie Manchot (D), Gregor Schneider (D), Costa Vece (CH) und Michael Wesely (D)

Künstlerischer Leiter: Arvid Boellert Kurator Ausstellung: Mark Gisbourne

Schirmherr von Rohkunstbau „Drei Farben – BLAU WEISS ROT“, 2006 bis 2008: José Manuel Barroso, Präsident der EU-Kommission

Die Ausstellung des XIII. Rohkunstbau wird gefördert von: Kulturstiftung des Bundes, Land Brandenburg, Landkreis Dahme-Spreewald, Mittelbrandenburgische Sparkasse in Potsdam, Stiftung Großes Waisenhaus, Observer, British Council

Veranstalter: Stiftung SPI, Niederlassung Brandenburg

Pressetext

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XIII. Rohkunstbau Drei Farben - BLAU
1. Teil der Rohkunstbau-Trilogie DREI FARBEN - BLAUWEISSROT 2006-2008
Ort: Wasserschloss Groß Leuthen / Spreewald
Künstlerischer Leiter: Arvid Boellert
Kurator Ausstellung: Mark Gisbourne

KünstlerInnen: Vasco Araujo, Sylvie Barre, The Blue Noses Group, Monica Bonvicini, A K Dolven, Hannah Dougherty, Mona Hatoum, Langlands & Bell, Melanie Manchot, Gregor Schneider, Costa Vece, Michael Wesely

weitere Projekte zum Thema Freiheit: Ina Senftleben, Matthijs Kouw, Dorothea Schroeder, Nina Gühlstorff, Martin Clausen, Serhat Köksal ...