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Rolf-Gunter Dienst / Dieter Krieg
Wörtliche Malerei
Kurator: Dieter Ronte

Stationen:
20.12.06 - 25.02.07 "Rolf-Gunter Dienst / Dieter Krieg" Kunstmuseum Bonn
20.12.06 - 25.02.07 "Dieter Krieg: Vorhänge" Arp Museum - Bahnhof Rolandseck

Mit dem Titel der Ausstellung Wörtliche Malerei werden in einer optischen Dialogform zwei künstlerische Œuvres verbunden, die man ohne diesen bindenden Titel nicht unmittelbar miteinander vergleichen würde. Diese Dialogform hat sich angeboten, da die Künstler Dienst und Krieg befreundet sind / waren, vieles gemeinsam unternommen und viel über Malerei nachgedacht haben. Beide hatten viele gemeinsame Aktivitäten, darunter auch lautes Reden, Diskutieren, Ausgehen, aber auch die Lust an dem höchsten Spiel aller bildenden Künste, dem Schachspiel, so wie es Marcel Duchamp formuliert hat, der im Schachspiel die legitime und einzige Fortsetzung aller Künste sah.

Mit wörtlicher Malerei soll eine Malerei benannt werden, die sich als Malerei über Worte versteht, obwohl sie auch Malerei als Malerei betreibt. Der Titel ist doppelsinnig, mehrdeutig, zwiespältig, wenn nicht gar zwielichtig. Denn verglichen werden Positionen der Abstraktion (Dienst) mit denen des Realismus (Krieg). Beide Positionen bedeuten in dieser Benennung abstrakt oder realistisch sehr wenig. Denn beiden Malern geht es schlichtweg um gute Malerei.

Rolf-Gunter Dienst (geb. 1942 in Kiel) hat sich nach vielen wortlistig betitelten Malereizyklen, in denen er sich mit Malerei als Malerei kritisch auseinandersetzt, in den letzten Jahren einem der ganz großen Romane des vorletzten Jahrhunderts gewidmet, Hermann Melville, Moby Dick. In dem Kapitel 42 des Romans, das Weiß des Wals, wird in einer unglaublich intelligenten, kultivierten und historischen Absicherung die Geschichte vom Weiß erzählt, wie sie ein Kunsthistoriker nicht bringen kann. Weiß ist auch eine der Grundfarben in den Überlegungen von Rolf-Gunter Dienst. Weiß gewinnt eine ikonographische Form, die scheinbar auch in die Bilder des malenden Künstlers überspringt. Die Malerei über Worte wird zur wörtlichen Malerei. An anderen Stellen wird dieses Weiß gefärbt, z.B. rot, z.B. blau usw. Es kontrastiert mit dem Blau des Meeres, mit dem Grau der Wellenlandschaften und den Himmeln, den blauen, den sonnigen, aber auch mit dem großen Leichentuch des Meeres.

Die Bilder sind nicht berechnet. Sie sind nicht konstruiert. Sie sind Worte über Bilder, nein Bilder über Worte, sie sind eigenwillige Zeichen einer buchstäblichen Malerei. Deshalb lassen sie sich nicht in die skripturale Malerei einordnen (z.B. Cy Twombly und z.T. Krieg). Sie diskutieren nicht unmittelbar das Verhältnis von Wort und Bild, sondern sie ereignen sich als ein bildnerischer Roman, dessen Ablesbarkeit keinem Verabredungscharakter unterliegt.

Die Vorhangbilder von Dieter Krieg (1937 – 2005) sind wichtige Arbeiten, große Formate, in denen das Thema des Blickes und des nicht durchdringenden Blickes, der Anschauung und Vortäuschung eines dahinter immer wieder neu formuliert wird. Krieg erwütet riesige, sozusagen fast naturgroße, also nichts vorspielende malerische Vorhangbilder mit der großen Wucht des Theatralischen. Einfach grüne, bis auf ein Beispiel schwarze, Vorhänge in wilden, gestischen und dick aufgetragenen Farben bezeugen Malerei. Hier ist das Wörtliche der Malerei das Thema des Theaters, der Poesie, der Schaustücke, der Schauspieler und des Publikums vor dem Vorhang in Erwartung der Vorgänge hinter dem Vorhang, vorgegeben.

„Hosen kaufen bis zum Tod“, so nennt Krieg eine andere Serie. Das ist kein Anspielen auf Bernhard und Peymann, sondern der Hinweis wiederum auf viele andere literarische Stellen (z.B. Samuel Beckett). Krieg drängt es zum Versuch, der aus einer existenziellen Erfahrung im Vorgriff auf ein zu kurzes Leben, Alltagsbeschreibungen erarbeitet und erzwingt, die wir nie bildlich realisieren, obwohl die Werbebilder sie uns täglich permanent vorspielen. Krieg formuliert den Vorgang, der auf einer erregten Malerei dargestellt wird, die aber keinen direkten visuellen Themenbezug aufweist. Stattdessen wird mit großen Buchstaben das Thema in extremen Querformaten, so als ob man eine Hose wie ein Bild von links nach rechts oder umgekehrt auf dem Bügelbrett erhitzt, gefestigt. Die Schrift dominiert. Wörtliche Malerei entsteht.

Das Thema der Ausstellung, dies soll noch einmal sehr exakt gesagt sein, ist die Malerei zweier internationaler Künstler. Ihre Wurzeln können intellektueller Natur sein. Der Künstler schreibt Bilder (Dienst). Sie können emphatischer Natur sein. Der Künstler geht über das Abbild, aber er kann nicht auf Worte verzichten (Krieg). Sie haben in ihrem freundschaftlichen Zusammenspiel über Jahrzehnte zwei Gegenpole aufgezeigt, die in der bundesrepublikanischen Bilderwelt der 60er, 70er, 80er, 90er Jahre virulent sind.

Für beide ist Malerei existenziell. Kriegs Anspruch und Aufbruch geht in sehr persönliche Gefährdungen. Seine Bilder sind Aufschreie, die als Gegenbilder zu verstehen sind. Dienst zeichnet auf. Er sensibilisiert Unsicherheit, er sucht durch das Mal-Schreiben eine persönliche Sicherheit.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Texten von Eduard Beaucamp, Samuel Beckett, Rolf-Gunter Dienst, Dieter Krieg, Herman Melville, Dieter Ronte, Hans Joachim Müller.

Kurator: Prof. Dr. Dieter Ronte

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