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In seiner ersten Einzelausstellung in der Galerie Nordenhake präsentiert der international renommierte Künstler Willie Doherty unter dem Ausstellungstitel “Apparatus” 40 neue Farbfotografien sowie seine jüngste Videoinstallation “Closure”. Das künstlerische Schaffen des 1959 in Nordirland geborenen Künstlers wurzelt in der konfliktreichen Geschichte seines Heimatlandes. Seine Arbeiten bringen eine unterschwellige Angst, Unterdrückung und Unsicherheit zum Ausdruck, die zur nordirischen Lebensrealität der letzten dreißig Jahre gehören. Trotz dieses spezifischen Entstehungskontextes sind seine Fotografien und Videos von zeitloser Qualität wie universaler Signifikanz. Sie weisen über den lokalen und nationalen Rahmen hinaus, indem sie allgemeinere Fragen der Repräsentation, Identität, Erinnerung und Wahrheit aufwerfen. Dohertys Werke bringen ein tiefes Misstrauen gegenüber einer journalistischen Arbeitsweise zum Ausdruck. Mittels Fotografie und Video bedient sich der Künstler zwar eines dokumentarischen Verfahrens und wendet dessen Codes an. Er greift jedoch auch auf die künstlerischen Strategien des Film noir zurück, um die Grenzen zwischen Fiktion und Realität zu unterwandern und erzeugt pointierte Erzählungen mit offenem Ende.

Im großen Ausstellungsraum sind die Fotografien mit dem Titel “Apparatus” zu sehen. Sie zeigen heruntergekommene, menschenleere Gegenden von Belfast, wo die immer noch anhaltende Gewalt zwischen den Konfessionen zu Ghettorisierung und Teilung führte. Die Bilder von verlassenen Straßen und zerstörten Häusern entstanden im Laufe des vergangenen Jahres. Wenngleich die Fotografien Aufschluss über die Folgen von politischer, sozialer und ökonomischer Deprivation geben, erlauben sie es gleichzeitig, die ästhetische Schönheit der dargestellten Details zu genießen. Auf den ersten Blick scheinen Dohertys Arbeiten in der Dokumentarfotografie verankert zu sein, bei näherer Betrachtung werden jedoch starke Bezüge zur Tradition der Landschaftsfotografie sichtbar. Mit ihren anonymen Motiven bewegen sich die Aufnahmen zwischen Abbild und Abstraktion, zwischen Panorama und Großaufnahme.

Im hinteren Raum der Galerie ist die Videoinstallation “Closure” zu sehen. Der Film zeigt eine Frau, die auf einem geschlossenen Gelände gefangen zu sein scheint. Trotzig schreitet sie das Innere des umzäunten Ortes ab, scheint jedoch über ihre unmittelbare Begrenzung hinauszublicken. Dieses Areal bildet einige der architektonischen Elemente ab, die auf den Fotografien zu sehen sind. Aber auch hier ist das Thema über das Dokumentarische hinaus angelegt. Erneut schwankt Dohertys Arbeit zwischen dem Realen und dem Imaginären. Eine Off-Stimme schildert den Abriss eines Gebäudes und deutet zugleich auf die Verwicklung der Frau in einen nicht näher erläuterten Vorfall hin. Ihre Bewegung und rätselhafte Präsenz bringen Widerstand zum Ausdruck. Indem “Closure” durch subtiles Ausbalancieren visueller Eindrücke und Sounds doppeldeutige Ebenen artikuliert, verhindert der Film gängige Zuschreibung der Frau als Opfer.

In seinen Arbeiten zwingt Doherty den Betrachter hinter die Oberfläche des Bildes zu schauen, um “Wahrheiten” zu hinterfragen und sich auf die erzählten Geschichten einzulassen. Er problematisiert dabei die Festschreibung von Individuen auf eine bestimmte Identität und inwieweit die Konstruktion von Identitäten an die jeweiligen Repräsentationen von Orten gebunden ist.

Willie Doherty wurde 1959 in Derry, Nordirland, geboren, wo er auch heute lebt und arbeitet. Er hatte zahlreiche Einzelausstellungen in Europa sowie Nordamerika und seine Arbeiten waren weltweit in einer Vielzahl von Gruppenausstellungen und Biennalen zu sehen. 1994 und 2003 wurde Doherty für den Turner Prize nominiert. Im Rahmen des DAAD Künstlerprogramms lebte Willie Doherty 1999 für ein Jahr in Berlin.

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WILLIE DOHERTY: APPARATUS

Galerie Nordenhake is pleased to welcome Willie Doherty back to Berlin with the exhibition “Apparatus”, our first solo show with him. The artist, born in Derry, Northern Ireland, in 1959, presents a suite of forty new photographic works together with a video installation called “Closure”. Doherty’s artistic practice is rooted in the history of Northern Ireland, and much of his work refers to undercurrents of fear, oppression and uncertainty that have been the daily experience of everyday life there over the last three decades. However, his photographs and films convey a timeless quality and carry a broader significance. While still based on his daily experience of division, his recent art has begun to transcend its political specifics to explore wider notions of representation, identity, memory and truth. His work reveals a deep mistrust of the journalistic approach. Through photography and video he adopts documentary codes and the strategies of film noir cinema to undermine the boundaries of truth and fiction and creates highly poignant open-ended narratives.

In the main gallery hangs Doherty’s new series “Apparatus”. The photographs reveal devastated areas of Belfast, where the ongoing sectarian violence has lead to ghettoisation and segregation. The pictures of deserted streets and blighted urban landscapes — blocked roads and abandoned houses — were made over the last year. Whilst presenting information on poverty of social and economic deprivation, the viewer is allowed to relish the aesthetic pleasure of the detail and texture of a painted wall. At first glance, the photographs appear to adopt a documentary mode but owe more to the tradition of landscape photography. His photographs are visually anonymous. They shift between representation and abstraction, panoramic and close-up.

In the back space, the video installation “Closure” shows a woman in a black coat seemingly trapped in a walled compound. She defiantly paces the space but her attention is on something beyond her immediate confines. The place echoes the architecture presented by the photographs but again moves the concern beyond the documentary. The work oscillates between the real and the imaginary. While examining this enigmatic woman a voiceover describes the breakdown of the fabric of a house but also reaffirms the female figure’s defiance and commitment to an unspecified cause. Her movement and presence are transformed into an act of resistance. By articulating dual meanings through the subtle balancing of the visuals and the soundtrack, “Closure” moves beyond any definition of the woman’s character as victim.

In his work Doherty is forcing the viewer to move beyond the surface of the image to interrogate the representation of “truth”. His works addresses the legitimacy of any position that ensnares the self in fixed categories of identity and difference and how such identities become encrypted in representations of place.

Willie Doherty was born in 1959 in Derry, Northern Ireland, where he still lives and works. He has exhibited in numerous solo exhibitions in Europe and North America and has contributed to group shows worldwide. Doherty has several times taken part in Biennials such as Venice in 2005 and Sao Paulo in 2002. In 1994 and 2003 he was short-listed for the Turner Prize. He did a year-long residency in Berlin with the Artist Program of the DAAD in 1999.

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Willie Doherty: Apparatus