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Unter dem Titel „Music Box“ widmet das Haus am Waldsee dem niederländischen Künstler-Komponisten William Engelen (*1964 in Weert) eine erste Einzelausstellung in Berlin.

Schokoladenriegel, Staubsaugertüteninhalte, Gummibäume, Tagebücher, Magenknurren oder Wetterdaten bilden die Parameter der Kompositionen von William Engelen. Wenn der niederländische Künstler und Komponist seine Partituren in Form von grafischen Notationen entwirft, geht sein Werk meist von kulturellen Erinnerungen unterschiedlicher Wahrnehmungsebenen aus. Sie reichen vom „Urknall“ bis zu den Schokoladenträumen der eigenen Kindheit. Sie nutzen die Wetterdaten im ersten Jahrzehnt des frühen 21. Jahrhundert oder erfassen die unbewusste Musikalität der eigenen Gedärme.

Sein Werk pendelt zwischen bildender Kunst, Architektur und Musik, Ausstellung und Performance, Installation, Skulptur und Komposition. Es entstehen temporäre musikalische Mischformen, die durch ihre besondere Ortsgebundenheit kaum reproduzierbar und meist vergänglich sind. Vor den Augen des Publikums findet eine Vereinigung des Unvereinbaren, von Statik und Dynamik, Dasein und Vergehen, Raum und Zeit statt.

Engelen geht in seinen Kompositionen nicht von Noten und Takten aus. Vielmehr arbeitet er mit situationsgebundenen Parametern, die sich im Wechselverhältnis von Visuellem und Akustischem ergeben: „Wenn ich Zeit ‚benutze‘, komponiere ich mit Klängen und Geräuschen, Objekten und Raum. Daraus entsteht etwas Multimediales. Indem meine grafischen Partituren den Musikern kreatives Mitspracherecht einräumen, komponiere ich darüber hinaus menschliches Handeln“, betont er. Den Ausgangspunkt bilden in der Regel Situationen des Lebensalltags. Das können Orte und Objekte sein. Etwa ein Stadt- oder Schrebergarten, ein leer stehendes Haus, eine Betonwand oder ein verstaubtes Klavier. Das können auch Dokumente sein, die gelebtes Leben dokumentieren, wie Tagebücher oder Biografien. Es können aber auch allgemeine Bedingungen sein, wie zum Beispiel das Wetter. Die Räume, mit denen Engelen arbeitet, sind keine abstrakt-architektonischen, sondern immer kulturell geprägte Räume.

Engelen ist in der Tradition der Neuen Musik des 20. Jahrhunderts zu Hause und nicht nur offen für ein hierarchieloses Hören - in der Tradition des Happenings bezieht er darüber hinaus die Zuhörer aktiv in seine performativen Klang-Installationen ein. So befragt er in seiner Arbeit „Fräulein Grosch“ Mitmenschen nach deren Erfahrungen mit dem ersten Klavierlehrer, um die Geschichten aufzuzeichnen und sie als Ritual „Klavierstunde“ - mit den dazugehörigen Verwandtenfotos, die die meisten Klavierdeckel zieren - als Audioloop in der Ausstellung vorzuführen. Die Qual des Einzelnen wird hier als kollektive Erfahrung nachvollziehbar.

In „Verstreiken“ bat Engelen einige Profimusiker, jeweils über zwei Wochen Buch darüber zu führen, wie lange sie geschlafen, gegessen, geübt oder pausiert hatten. Engelen setzte die Angaben in abstrakte Notationen um und bat dieselben Musiker, seine Partituren frei in einer vorgegebenen Zeit zu interpretieren. Dabei verzichtet Engelen, wie in allen seinen Stücken, auf Noten und Takte.

Seine experimentelle Welt der Klänge und Geräusche steht damit deutlich in der Tradition von John Cage und Morton Feldman, die die fortwährende Wiederholung klassischer Kompositionen als Kitsch ablehnten und unter Einbeziehung klassischer Instrumente sowohl das Instrumentarium auf Alltagsgegenstände wie Topfdeckel ausdehnten als auch die Notationen mit neuen abstrakten Zeichensystemen bereicherten. Bewusst zollt Engelen den amerikanischen Erneuerern der ernsten Musik Respekt, nicht zuletzt, indem er nach Wegen neuer Klangerlebnisse im 21. Jahrhundert sucht. Dabei bewegt er sich als Bildender Künstler und Klangkünstler heute auf einer globalen, überkulturellen und noch breiteren technischen Basis als seine großen Vorbilder vor 80 Jahren.

„Music Box“ wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler für das Haus am Waldsee entwickelt, um den Besuchern nicht nur einen Einblick in das Experimentierfeld von William Engelen heute zu ermöglichen, sondern auch die innovative Kraft zwischen Komposition und Installation, zwischen Tönen und Räumen seines Werkes seit den 90er Jahren nachvollziehen zu können. Die Ausstellung stellt das gesamte Spektrum des Werkes dar. So werden unterschiedliche Medien, wie grafische Partituren als visuelle Musik mit Audiobeispielen, Skulpturen, Modelle und Klanginstallationen zu erleben sein. Im Skulpturenpark des Hauses am Waldsee wird seit 2010 William Engelens hör- und begehbare Wetterstation „Meteophon“ gezeigt.

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William Engelen
Music Box