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Die Ausstellung macht deutlich, dass sich die Plastik der Moderne nicht wie im 19. Jahrhundert zeitverzögert gegenüber der Malerei entwickelt hat. Sie prägte vielmehr – teilweise von Malern besonders kühn vorangetrieben – die Erneuerungsschübe der Kunst wesentlich mit. Im Zeitalter der gegenstandslosen Kunst löste sich das uralte Bildhauerthema der menschlichen Figur keineswegs auf, sondern erweiterte sich mannigfaltig. Doch bezogen die Künstler nun auch den Raum als Bestandteil des Plastischen ein, der schließlich in technisch und architektonisch anmutenden Gebilden zum selbständigen Thema wurde.

An der Schwelle des 20. Jahrhunderts stehen Aristide Maillol, Auguste Rodin, Paul Gauguin und Henri Matisse. Maillol gelang noch einmal ein klassisch harmonisches Menschenbild. Es blieb auch für die jüngere Generation eines Georg Kolbe, Bernhard Hoetger oder Hermann Blumenthal eine Herausforderung und wurde von Wilhelm Lehmbruck, Ernst Barlach und Käthe Kollwitz mit existentiellem Pathos erfüllt.

Maillols älterer Kollege Rodin hatte der Plastik bereits vor 1900 Dynamik und gesteigerten psychischen Ausdruck verliehen – ein Impuls, der Umberto Boccionis stürmischen „Läufer“ ebenso beflügelte wie später Max Beckmanns geballte Gebärdensprache. Mindestens so folgenreich war Rodins Entscheidung, das Körperfragment für das Ganze stehen zu lassen. Der Torso wurde durch ihn zu einem der Leitmotive moderner Plastik.

Ähnlich prägend wirkte Gauguin, ohne dessen Hinwendung zu Formensprachen „primitiver“ Kulturen Amedeo Modiglianis Köpfe ebenso wenig denkbar gewesen wären wie die spröden Holzgestalten eines Heckel oder Kirchner. Dagegen komprimierte Matisse die plastischen Werte fast bis zur Abstraktion. Das gilt noch mehr für Constantin Brancusi, dessen Drang zur Ursprünglichkeit zu Urformen führte. Hans Arp gelangen mit seinen vollrunden Keimformen besonders eindrückliche Metaphern des Lebendigen.

Als radikale Antwort auf die Abstraktion lässt sich die Objektkunst begreifen. Marcel Duchamp löste Dinge des Alltags aus ihrem Funktionszusammenhang und verlieh ihnen durch Ausgrenzung künstlerischen Rang. Das ließ sich in solcher Konsequenz nicht steigern, inspirierte aber die dreidimensionalen Experimente der Futuristen, Dadakünstler und Surrealisten. Man Ray und Max Ernst sind in diesem Abschnitt mit markanten Beispielen vertreten. So kehrte der Fetisch, in der aufgeklärten Moderne vermeintlich überwunden, durch die Macht der Verfremdung zurück.

Am Ende stehen die bedeutendsten Wegbereiter aus der jüngeren Generation, die die Plastik nach 1945 prägen sollten, ihre bahnbrechenden Erfindungen aber bereits in den dreißiger Jahren formuliert haben: Henry Moore verband Anregungen „primitiver“ Kulturen und Naturformen mit der Reduktion organischer Körper. Durch Hohlformen verschränken sie Körper und Raum. Alberto Giacometti fand von surrealistischen Verfremdungen und Rückgriffen auf archaische Gestalten zu einer beispiellosen Gratwanderung. Nach zwei rätselhaft eindrücklichen Frauenfiguren der dreißiger Jahre schließt die Ausstellung mit einem Ausblick auf sein neuerliches Naturstudium und den Rückzug ins kleine Format – Körper, die sich im Raum aufzulösen scheinen und durch das Zugleich von statischer Haltung und lebhafter Oberfläche eine unnahbare Präsenz gewinnen. Als Zeichen des winzigen Ichs im Unfasslichen wurden sie zu Keimen eines existentiellen Menschenbildes, das nach 1945 der Vorherrschaft der gegenstandslosen Kunst entgegentrat.

Zur Ausstellung erscheint ein 360 Seiten starker Katalog im Kehrer-Verlag mit Texten von Kathrin Elvers-Svamberk, Siegmar Holsten, Christa Lichtenstern, Andreas Franzke, Ursula Merkel, Joachim Heusinger von Waldegg, Stefanie Poley u. a.

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Von Rodin bis Giacometti - Plastik der Moderne

Künstler: Alexander Archipenko, Constantin Brancusi, Marcel Duchamp, Alberto Giacometti, Pablo Picasso, Auguste Rodin ...