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HANS JÜRGEN KALLMANN ZUM 100. GEBURTSTAG: VON BÄUMEN UND MENSCHEN

Die Kunstsammlung des Deutschen Bundestages vermag mit vielfältigen Entdeckungen zu überraschen. Sie verwahrt bemerkenswerte Arbeiten sowohl deutscher Expressionisten als auch solche internationaler Künstler der unmittelbaren Nachkriegszeit oder zahlreiche zeitgenössische Fotoarbeiten. Zu diesen Entdeckungen zählen drei Porträts von Bundestagspräsidenten, die der heute zu Unrecht wenig bekannte Maler Hans Jürgen Kallmann geschaffen hat. Wohl stand er zweimal im Blickfeld der Kunstszene, zunächst in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Berlin. Obwohl er Autodidakt war, fand er schon als junger Künstler Zugang zu so bedeutenden Künstlern wie Max Slevogt, Emil Nolde, Käthe Kollwitz oder Max Liebermann, deren Wertschätzung er gewann. Im Jahre 1934 wurde ihm sogar den Rompreis der Preußischen Akademie der Künste Berlin verliehen, und kurz darauf der Preis der Abraham-Lincoln-Stiftung in Washington. Im Mittelpunkt seiner frühen Werke steht das abgründige Mysterium der Natur, das er in bedrohlich-unheimlichen Tierbildern expressiv zu fassen wußte. Diese erste, viel versprechende Karriere im Kreise der Berliner Expressionisten wurde jedoch jäh unterbrochen, als die Nationalsozialisten ihn in der Ausstellung »Entartete Kunst« anprangerten. Sein großes Ölbild »Hyäne in der Nacht« hing in der Ausstellung unmittelbar neben Bildern von Emil Nolde und Franz Marc. Nach Jahren in Tirol und Venezuela, die seiner Bekanntheit und Wertschätzung als Maler in Deutschland nicht förderlich waren, kehrte er 1952 in seine Heimat zurück und begann eine zweite Karriere in München. Er war der Figuration treu geblieben, malte also gegen den ästhetischen Trend des Zeitgeistes und erlangte gleichwohl Ruhm und Anerkennung als psychologisch einfühlsamer Porträtist bedeutender Zeitgenossen. Den ersten großen Erfolg trug ihm das allgemein bewunderte Porträt von Bundespräsident Theodor Heuss (1956) ein. Diesem folgten die nicht weniger aufsehenerregenden Porträts von Bertolt Brecht (1956), Papst Johannes XXIII. (1959), Konrad Adenauer (1963), Konrad Lorenz (1972) oder Carl Orff (1974). Die große Zahl seiner Porträtgemälde und -zeichnungen von Politikern, Künstlern und Wissenschaftlern jener Jahre lässt sowohl eine politische als auch geistig-kulturelle Physiognomie der ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik Deutschland Gestalt gewinnen. So war Kallmann einerseits erfolgreich, fand Anerkennung durch staatliche Ehrungen und die Verleihung einer Professur. Andererseits führte ihn diese Wertschätzung in ein Dilemma, insofern sein Werk in der öffentlichen Wahrnehmung auf die »Gesellschaftsporträts« verengt wurde und er mit seinem Bekenntnis zur gegenständlichen und figurativen Malerei gegen das zeitgenössische Credo der Abstraktion stand. So bleibt sein Lebenswerk noch zu entdecken, zum einen sein expressionistisches Frühwerk, von dem viele Arbeiten durch seine Verfolgung im Dritten Reich und durch Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg untergegangen oder zerstreut sind (das Kallmann-Museum in Ismaning bei München zeigt parallel zur Ausstellung im Deutschen Bundestag »Frühe Arbeiten«). Zum anderen muss aber auch sein Oeuvre aus der Nachkriegszeit mit seiner thematischen Reichhaltigkeit in den Blick genommen werden: Kallmann hat geradezu obsessiv Naturstudien betrieben und sie in herrlichen Serien von Landschaftsund Waldzeichnungen sowie beeindruckenden Gemälden ihren Niederschlag finden lassen. Eine Auswahl dieser Arbeiten ist im Kunst-Raum des Deutschen Bundestages zu sehen. Die Ausstellung zeigt, dass er die Urkraft des Lebens in Menschen wie in Bäumen gleichermaßen zu gestalten wusste. Gleichwohl bilden Porträts, allen voran die Porträts der Bundestagspräsidenten Hermann Ehlers, Eugen Gerstenmaier und Annemarie Renger aus der Kunstsammlung des Bundestages den Schwerpunkt der Ausstellung. Es ist dem frühen Studium der Medizin (1925 bis 1929 in Halle) geschuldet, dass Kallmanns Porträts von einer in der Porträtkunst selten erreichten psychologisierenden Durchdringung der Dargestellten gekennzeichnet sind – in dieser Qualität durchaus mit der Porträtkunst Oskar Kokoschkas vergleichbar, wiewohl in ihrer Expressivität zurückgenommen. So erlaubt die Ausstellung, einen Künstler und sein Werk neu zu entdecken, Porträtkunst wieder neu zu sehen und zugleich der politischen und intellektuellen Elite der jungen Bundesrepublik im wortwörtlichen Sinne ins Gesicht zu schauen.

Hans Jürgen Kallmann Von Bäumen und Menschen Kunst-Raum im Deutschen Bundestag 28. Mai bis 28. September 2008 Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Schiffbauerdamm, 10117 Berlin

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr Zugang über die Spree-Uferpromenade gegen- über dem Reichstagsgebäude Eintritt frei Information: 030 227-32027 oder kunst-raum@bundestag.de www.kallmann-museum.ismaning.de www.kunst-im-bundestag.de

Hans Jürgen Kallmann, geb. 1908 in Wollstein (ehem. preußische Provinz Posen), gest. 1991 Pullach bei München

Das Kallmann-Museum in Ismaning bei München zeigt vom 25. April bis 20 Juli 2008 eine Ausstellung zum 100. Geburtstag des Künstlers unter dem Titel „Frühe Arbeiten“

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To Hans Jürgen Kallmann’s 100th Birthday: Of Trees and Men

The many versatile discoveries of the art collection of the German Bundestag never cease to surprise. The collection holds many remarkable works, from German expressionists to international artists from the post-war period as well as many contemporary photographic works. Among these discoveries are three portraits of the Presidents of the Bundestag from the surprisingly little-known painter, Hans Jürgen Kallmann. Arguably, he stood twice in the art scene’s focus. The first time was in the 1930’s in Berlin. Despite being self-taught, already as a young artist, he had access to many important artists who held him in esteem such as Max Slevogt, Emil Nolde, Käthe Kollwitz and Max Liebermann. In 1934 he received the Rome Prize of the Prussian Art Academy in Berlin and shortly after he received the Abraham Lincoln Scholarship in Washington. The focus of his early works is the abysmal enigma of nature, which he captured with expressive, ominous, and sinister paintings of animals. However, this first promising career in the circles of Berlin’s expressionists was abruptly interrupted when the National Socialists denounced him in the exhibition “Degenerate Art”. His paintings hung in the exhibition directly next to those of Emil Nolde and Paul Klee. His piece “Hyena” is believed to have been burned with a personal decree from Goebbel in Berlin-Köpenick.

After years in Tyrol and Venezuela, the fame and esteem he had in Germany as a painter was long forgotten. He returned to Germany in 1952 and began a second career in Munich. He stayed faithful to figuration and painted against the aesthetic trend of the times and nevertheless achieved fame and recognition and was considered a psychologically insightful portraitist by his distinguished contemporaries. His first big success was the widely acclaimed portrait of the Federal President, Theodor Heuss (1956). Soon followed the no less spectacular portraits of Bertold Brecht (1956), Pope John XXIII (1959), Konrad Adenauer (1963), Konrad Lorenz (1972) and Carl Orff (1974). Most of his painted and drawn portraits of politicians, artists, and scientists of the time showed both a potitical as well as an intellectual-cultural physiognomy of the first decades of the forming of the Federal Republic of Germany.

Kallmann was successful finding acceptance through national distinctions and grants of professorship, but these esteems brought about a dilemma. His work was narrowed to a public perception of “society portraits” and he was constricted by his commitment to figurative and representational painting against the contemporary creed of abstraction. There is still much to discover in his life’s work: his expressionist early work, from which many works have been lost or scattered because of the persecution from the Third Reich and the destructions from World War II (the Kallmann Museum in Ismaning near Munich is showing his “Frühe Arbeiten” (Early Works) parallel to the exhibition in the German Bundestag), but as important is his oeuvre from the years after the war with its thematic richness taken into view. Kallman made downright obsessive nature studies and found expression in impressive paintings as well as superb series of landscape and forest drawings. A selection of these works is being displayed in the Kunst-Raum of the German Bundestag. The exhibition shows his intuition for the comparability of the elemental force in humans and trees. The focus of the exhibition is the portraits of the presidents of the Bundestag: Hermann Ehlers, Eugen Gerstenmaier, and Annemarie Renger from the art collection of the German Bundestag. His early study of medicine (1925-1929 in Halle) is perhaps responsible for the fact that Kallmann’s portraits achieve a pychological penetration that is rarely achieved in portraiture—A quality that is comparable with the portraits of Oskar Kokoschka though with subtler expression. This exhibition allows one to rediscover an artist and his work, to see portraiture in a new way, and at the same time it allows one to literally look into the face of the political and intellectual elite of the young German Republic.

Hans Jürgen Kallmann Of Trees and Men Kunst-Raum im Deutschen Bundestag May 28th through September 28th, 2008 Marie-Elizabeth-Lüders-Haus, Schiffbauerdamm, 10117 Berlin

Opening times: Tuesday through Sunday From 11:00 until 17:00 Entrance over the Spree-Uferpromenade across from the Reichstag Building

www.kallmann-museum.ismaning.de www.kunst-im-bundestag.de Information: 030 227-32027 or kunst-raum@bundestag.de

Hans Jürgen Kallmann, born 1908 in Wollstein (former prussian province Posen), died 1991 in Pullach near Munich

From April 25th until July 20th, 2008 the Kallmann-Museum in Ismaning near Munich is showing an exhibition to the artist’s 100th birthday called “Frühe Arbeiten” (Early Works)

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Von Bäumen und Menschen
Hans Jürgen Kallmann zum 100. Geburtstag

Kurator: Andreas Kaernbach