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Nach der erfolgreichen Einzelausstellung von Uwe Wittwer im Kunstmuseum Solothurn, welche ab dem 30. September im Ludwig Forum in Aachen zu sehen sein wird, zeigt die Fabian & Claude Walter Galerie in Zürich vom 28. August bis 22. Oktober neue Arbeiten des Schweizer Künstlers. Im Zentrum der Ausstellung steht eine Serie von Inkjet-Arbeiten mit dem Titel "Monsun II". Ausserdem werden Aquarelle sowie eine von dem Künstler eigens für die Ausstellung geschaffene Wandarbeit gezeigt.

Im theoretischen Diskurs zu Uwe Wittwers Werk ist in den vergangenen Jahren immer wieder der Begriff der Erinnerung an zentraler Stelle aufgetaucht. So auch in dem zu den Ausstellungen in Solothurn und Aachen erschienenen Buch, in welchem der Berner Kunstkritiker Konrad Tobler von den Inkjet-Arbeiten Wittwers als "Erinnerungsbilder" spricht und der deutsche Kunsthistoriker Harald Kunde die Gemälde Wittwers als von einer "Patina des Gewesenen" überzogen wahrnimmt.

Im Laufe der letzten 150 Jahre hat sich die die Fotografie als vorherrschender bildnerischer Träger von Erinnerung etabliert. Indem sie einen flüchtigen Moment scheinbar adäquat und mit immer geringerem Aufwand auf Papier bannt und somit für die Zukunft bewahrt, scheint sie hierfür nach wie vor ein ideales Medium zu sein. Auch Uwe Wittwer geht in seinen Arbeiten oft von Fotografien aus, so etwa in der ausgestellten Serie "Monsun II", welche auf Aufnahmen basiert, die während des Vietnamkrieges von amerikanischen Soldaten geschossen wurden und nun auf Veteranenwebsites im Internet publiziert sind. Diese fotografischen Vorlagen werden von Uwe Wittwer durch vielfältige Eingriffe wie die Wahl von Ausschnitten, die Veränderung der Farbe und Kontraste oder die Reduzierung der Schärfe einem komplexen Verfremdungsprozess unterzogen. Eine Transformation, welche ihre Parallelen in den vielfältigen Prozessen findet, welche sich in der menschlichen Erinnerung abspielen: auch hier sind die Bilder nicht fix, sondern verändern sich, werden überlagert, verzerrt, verlieren oder verändern ihre Farbigkeit und werden von neuen Blickwinkeln aus wahrgenommen.

Dementsprechend sind Uwe Wittwers Erinnerungsbilder trotz der figurativen Darstellung oft mehrdeutig. Weder Ort und Zeit des Dargestellten lassen sich klar bestimmen, so wie auch das menschliche Erinnerungsvermögen Bilder aus der Vergangenheit oft nur vage verorten kann. Die menschliche Erinnerung wird bei Wittwer als das verstanden, was sie ist, nämlich ein Labyrinth von unzähligen Verbindungen, Verzweigungen und Irrwegen, in welchen sich die Ereignisse der Vergangenheit ständig neu koordinieren.

Die Technik des Inkjet-Drucks eignet sich mit ihrem Zusammenspiel kleinster Farbpartikel ganz besonders zur Visualisierung des komplexen Erinnerungsgefüges, welches sich ebenfalls aus unendlich vielen einzelnen Fragmenten zusammenfügt. Dabei mischen sich Versatzstücke kollektiver Erinnerung mit solchen persönlicher Erfahrung. So gehen die Drucke aus der "Monsun II"-Serie von den sehr persönlichen Erinnerungen von Kriegsveteranen aus, welche in ihrer Gesamtheit wiederum einen Teil des kollektiven Gedächtnisses bilden.

Die Grausamkeit des Krieges ist in diesen Bildern allenfalls latent spürbar, einige davon wirken eher wie Urlaubsbilder oder Schnappschüsse aus dem Familienalbum. Diese assoziative Mehrdeutigkeit findet seine Entsprechung in dem von dem Künstler gewählten Titel der Ausstellung, "Swimming at South China Beach". China Beach, ein rund 30 km langer Strand in der Nähe der vietnamesischen Stadt Danang, diente während des Vietnam-Krieges den amerikanischen und australischen Streitkräften als ein inmitten des Kriegsgebietes gelegenes Naherholungsgebiet. Die für diese Nutzung charakteristische eigentümliche Mischung von Kriegsalltag und Urlaubsstimmung findet sich in den Aufnahmen von Veteranen und den Bildern von Uwe Wittwer wieder.

Mit seiner ganz eigenen künstlerischen Sprache und der optimalen technischen Verbindung von digitaler Bildbearbeitung und Inkjet-Druck ist es Uwe Wittwer gelungen, eine neue Variante der Vermittlung von Erinnerung zu schaffen, welche der Komplexität und Vielschichtigkeit dieses psychologischen Phänomens in grösstmöglichem Masse gerecht wird.

Neben der Technik des Inkjets auf Aquarellpapier, welche Uwe Wittwer seit 1999 zusammen mit seinem Mitarbeiter Kevin Mueller in intensiver Entwicklungsarbeit perfektioniert und für grosse Formate adaptiert hat, entwickelt der Künstler auch die Gattungen der Öl- und Aquarellmalerei kontinuierlich weiter.

Durch die Gegenüberstellung von Aquarellen aus den frühen 90er Jahren und aktuellen Arbeiten ermöglicht die Ausstellung in der Fabian & Claude Walter Galerie einen Einblick in die Entwicklung, welche diese Technik im künstlerischen Schaffen Uwe Wittwers erfahren hat. Beibehalten wurde das charakteristische Grossformat, in welchem der Künstler der traditionell diminutiv interpretierten Aquarelltechnik zu einem neuen, überzeugenden Selbstbewusstsein verholfen hat. Auch die atmosphärische Offenheit und assoziative Spannung lassen sich sowohl in Arbeiten aus den frühen 90er Jahren, als auch in den aktuellen Werken aus der Camp-Serie beobachten. Wie der Name ahnen lässt, beziehen sich auch die Arbeiten dieser Serie auf das Leben in den militärischen Lagern Vietnams.

Einige der aktuellen Aquarelle sind geprägt von einem starken Hell-Dunkel-Kontrast, welchen der Künstler selbst als Blendung bezeichnet. Tatsächlich wird der Betrachter dieser Werke geblendet, nicht nur durch die starke Lichtwirkung, sondern auch im Hinblick auf die Gleichzeitigkeit von intensiver Präsenz und suggestiver Rätselhaftigkeit, die Uwe Wittwers Werke eigen ist.

Zu der Ausstellung erscheint ein Katalog mit einem Text von Dr. Markus Stegmann.

Das zu den Ausstellungen in Solothurn und Aachen erschienene Buch "Uwe Wittwer. Geblendet – Werke 1990 bis 2005" mit Texten von Christoph Vögele, Harald Kunde, Konrad Tobler und Adrian LeBlanc sowie acht Gedichten von Klaus Merz wurde im Kehrer Verlag publiziert.

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