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Uwe Wittwer (*1954 in Zürich) gehört zu den bedeutendsten Schweizer Künstlern seiner Generation. Nach seiner Präsentation im Helmhaus Zürich (1998) widmet ihm das Kunstmuseum Solothurn nun die erste grosse Übersichtsausstellung. Neben der Öl- und Aquarellmalerei, mit der sich Wittwer einen Namen geschaffen hat, werden auch Inkjet-Drucke sowie die neueste multimediale Arbeit Museum (2005) gezeigt. In sieben Sälen sind Werke der letzten 15 Jahre zu sehen. Die Ausstellung wird anschliessend vom Ludwig Forum in Aachen übernommen.

Uwe Wittwers Schaffen beeindruckt sowohl durch die formale Qualität und Sinnlichkeit als auch durch die inhaltliche Konsequenz. Im Zentrum steht die Frage der Erinnerung. Damit ist zum einen seine Beschäftigung mit Vergangenheit und Vergänglichkeit, zum andern seine intensive Auseinandersetzung mit dem Bild als solchem angesprochen. Denn auch die Erinnerung ist ein Bild, das sich gleichsam einbrennt. Ab 1990 verwendet Wittwer die Kunstgeschichte als Bildquelle. Bei seinem ersten Studienaufenthalt in London, 1989, wirkt der regelmässige Besuch der National Gallery prägend. Die damalige Faszination der Alten Meister findet sich in der neuesten Arbeit Museum wieder, einem Bilderfluss von stark überarbeiteten Lichtbildern, die von Musik und Texten (Gedichten von Klaus Merz) begleitet werden. Die Verwendung kunsthistorischer Vorlagen wird seit einigen Jahren unter dem Begriff appropriation art wieder häufig diskutiert. Im Unterschied zur Postmoderne bedient sich Wittwer der Kunstgeschichte aber nicht für ironische Zitate, sondern thematisiert mit dem Rückgriff zugleich den sich öffnenden Zeitraum, Zeitenwandel und Zeitlichkeit. Die Frage, was im Bilderstrom des Medienzeitalters erhalten bleibt, zielt auf die Bedeutung der Erinnerung, die ihren Wert als überdauerndes Bild erheben darf.

Die Ausstellung führt verschiedene Motivgruppen der letzten 15 Jahre zusammen. Neben den kunsthistorischen Bezügen wendet sich Wittwer alltäglichen Sujets des häuslichen Lebens zu. Bemerkenswert ist der Ausdruck des Privaten und Stillen, ja Verschwiegenen, der nicht nur seine Interieurs und Stillleben, sondern alle Bilder bestimmt. Unabhängig von den eigentlichen Grössen, die oft museale Masse erreichen, wirken sie ausgesprochen intim. In den stimmungsvollen Werken kommt dem Licht primäre Bedeutung zu. Ihre Verführungs- und Suggestionskraft fasziniert, ihre rätselhafte Offenheit verstärkt ihre Wirkung. Mit dem vieldeutigen Ausstellungstitel Geblendet verbinden sich Vorstellungen der Sinnlichkeit wie der Blindheit, des wahren wie des falschen Scheins.

Die Macht der (Erinnerungs-)Bilder ist ein Grundthema: Was sehen wir? Was erinnern wir? Wie nehmen wir wahr? Das Brechen von Realitäts- und Zeitebenen ist nicht nur bei Wittwers Bildern von Bildern Alter Meister offensichtlich. Seit einiger Zeit wird auch das Internet zur Bildquelle. So verwendet er Fotomaterial von der Homepage einer amerikanischen Veteranen-Vereinigung. Obwohl die privaten Schnappschüsse aus Vietnam einer rigorosen Abstrahierung unterzogen wurden, behalten sie ihre unheimliche Wirkung. Ohne eine Geschichte zu erzählen oder Inhalte zu bestimmen, gelingt es Wittwer, uns zu „verführen“.

Eine ähnliche Offenheit zeigt sich im Umgang mit den Medien und Techniken: Wittwers riesige Inkjet-Drucke können nur auf den zweiten Blick von Tusch-Zeichnungen unterschieden werden. Trotz vieler Arbeitsgänge strahlen die Blätter unmittelbare Sinnlichkeit aus. Die Beschäftigung mit Original und Kopie, mit Bildern von Bildern, zielt auf die philosophische Frage von Realität und Wirklichkeit, die sich Uwe Wittwer immer neu stellt.

Zur Ausstellung erscheint im Kehrer-Verlag Heidelberg ein reich bebildertes Katalogbuch mit vier Aufsätzen.

Christoph Vögele

Pressetext

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Uwe Wittwer
Geblendet
Werke 1990 bis 2005