press release only in german

Die neuen Medien Fotografie, Film, Video und - als jüngster Zugang - der Computer gehören schon lange zum "Handwerkszeug" der Kunst. Doch ist ihr Gebrauch nach wie vor nicht so selbstverständlich wie das Handhaben von Pinsel und Farbe. Fast immer geht die künstlerische Nutzung des kreativen Potenzials dieser neuen Medien einher mit einer kritischen Untersuchung ihrer vielschichtigen Wirkungsmechanismen.   Die Ausstellung "TV / Cinema / Video" in der Galerie Thomas Zander dokumentiert anhand von zehn internationalen Künstlern unterschiedliche Formen der reflexiven Auseinandersetzung mit den drei Genres bewegter Bilder. Da gibt es zunächst die direkten künstlerischen Arbeiten mit und am bewegten Bild: das Abfotografieren des Fernsehapparates und seiner Bilder oder das fotografische Herauslösen von Einzelbildern aus dem filmischen Zusammenhang. Andere Künstler, insbesondere Künstlerinnen, thematisieren das komplexe Zusammenspiel von Realität und Fiktion. Vorgestellt werden auch Positionen, in denen das Medium Film beziehungsweise Video verbunden wird mit literarischen oder skulpturalen Werkansätzen.   Die Galerie Thomas Zander präsentiert die Werke der zehn Künstler in einer aufwändigen Inszenierung verschiedener Medien. Die Ausstellung beginnt mit dem scheinbar Banalsten: LEE FRIEDLANDERS "Little Screens". Friedlander (1934, Aberdeen/Washington) fotografierte in den Jahren 1962/63 Fernseher in Hotel- und Wohnzimmern. Mit laufendem Programm, versteht sich. Mit seinem perfekten Gespür für Bildkomposition, gepaart mit einer gehörigen Portion Humor, hielt er den Auftritt der Fernsehbilder in Wohn- und Schlafzimmern fest. Man wundert sich, zu welch komplexen und abgründigen Momenten eine simple Fernsehübertragung im häuslichen Ambiente geraten kann - wenn man nur ein wenig Abstand nimmt, die Gesamtsituation im Blick behält und dann im richtigen Moment auf den Auslöser drückt.   Ein anderer "Fernsehfotograf" ist MOCHIZUKI MASAO. Mitte der 1970er Jahre begann der Japaner, in einer Dunkelkammer fernzusehen und die aus dem Apparat flimmernden Bilder zu fotografieren. Er zeichnete ein Raster von 35 Feldern in seinen Sucher, das er dann Bild für Bild "abfotografierte". Innerhalb von zwei Jahren entstanden rund 7000 Aufnahmen, collageartig montiert auf 200 Bildtafeln. Festgehalten hat Mochizuki verschiedenste "Genres", die alle als flirrender Lichtstrom aus dem kleinen Kasten in die Dunkelkammer drangen: Den großen Herbstkampf der Sumo-Ringer, den Besuch von Queen Elizabeth in Japan, Wetterberichte, Akira Kurosawas Spielfilm "Die sieben Samurai" oder einen Dokumentarfilm über den damals 73jährigen Salvador Dalí.   Während Mochizuki den Fluss der Fernsehbilder durch selektionierendes Abfotografieren veränderte und dem historischen Moment der Ausstrahlung eine fragmentarische, aber dauerhafte Präsenz verlieh, widmet sich der Franzose ÉRIC RONDEPIERRE (1950, Paris) seit über zehn Jahren dem Zerlegen und Sezieren von Filmen. Mittels eines Videorecorders oder Filmbetrachers sucht er die Filme Standbild für Standbild ab, bis er das findet, was er sucht: Schwarze Bilder, die lediglich einen Untertitel tragen oder die bei der Restraurierung des Films einfach hinzugefügt wurden, Bilder aus Vorschauen, in denen der Text in einer noch nicht entzifferbaren Form erscheint, durch Zeit und Lagerungsbedingungen erzeugte Veränderungen im Material oder den Montageeffekt zweier aufeinanderfolgender Bilder. Indem Rondepierre Filmbilder aufspürt, die man normalerweise nicht wahrnimmt oder nicht zu sehen bekommt, holt er etwas von der verborgenen Substanz des Mediums ans Licht.   Zurück zum bewegten Bild. MARGUERITE DURAS (1914, Saigon - 1996, Paris) ist vor allem durch ihre Bücher bekannt, obwohl sie ebenfalls an die zwanzig Filme inszeniert hat. Der hier gezeigte Kurzfilm "Die negativen Hände" (1979, 35 mm, Farbfilm, 18 Min.) lässt sich nicht den üblichen Film-Kategorien zuordnen. Gezeigt wird ein Spaziergang durch Paris, unterlegt von einem gesprochenen Monolog der Schriftstellerin. Ihre Stimme, ernst und fest, erzeugt den Rhythmus zu den Bildern. Sie ist die Hauptdarstellerin. 1979 entstanden, markiert dieser Kurzfilm das Ende der filmischen Tradition, in der die Erzählung durch das Bild erfolgt. Tatsächlich befindet sich im Duras'schen Film das Bild nicht mehr im Mittelpunkt der Geschichte; ihr Film ist eher die Feststellung der Unmöglichkeit, das Bild in das Herzstück der filmischen Narration einzureihen. Duras verzichtet auf eine visuelle Darstellung zu Gunsten von Bildern, auf denen sich (fast) nichts ereignet: " (…) Das Kino war wieder ins Gleichgewicht gebracht, den Regisseuren und Schauspielern (etwas) entrissen und wieder zur Schrift zurückgeführt worden - in der eigenen Sprache der Schriftstellerin." (Dominique Noguez).   Nicht um die literarische Sprache, sondern um die Sprache des Körpers geht es in den filmischen Arbeiten von REBECCA HORN (1944, Michelstadt, Odenwald). Die Installations- und Performance-Künstlerin begann Anfang der 1970er Jahre, Video-Filme zu drehen, um ihre Performances zu dokumentieren. In der Ausstellung wird das 1974/75 entstandene Filmprojekt "Berlin" gezeigt. Die "Übungen in neun Stücken", so der Untertitel, sind eine geschlossene Serie von Performance-Abläufen. Sie wurden als Ganzes und exakt für einen Raum entworfen, den die Künstlerin eigens dafür angemietet hatte. Gezeigt wird die filmische Entwicklung einer intensiven Beziehung zwischen einer Skulptur und dem Raum, den sie neu bestimmt und einnimmt. Die "Berlin-Übungen" sind eine von Rebecca Horns ersten größeren Rauminstallationen. Der Film umfasst die Dokumentation von acht Performances und einen Epilog.   Die Inszenierungen von CINDY SHERMAN (1954, Glen Ridge, New Jersey) scheinen auf den ersten Blick so perfekt, dass man sich an Hollywoodfilme der 1950er und 1960er Jahre erinnert fühlt, in denen man diese oder verwandte Szenen bereits gesehen zu haben glaubt. Trügerisch und nostalgisch zugleich eignen sich die "Untitled Film Stills" aus den Jahren 1977-80 Ästhetik und Atmosphäre des Schwarzweißfilmes an und ahmen die Standardszenerie des B-Movie sowie die dafür typischen weiblichen Rollenklischees nach. In der betonten Künstlichkeit der Situation, der leichten Exzentrik des Modells sowie den kleinen Abweichungen wie der belassenen Sichtbarkeit des Selbstauslösers lassen sich Shermans "Film Stills" jedoch als Nachstellungen entlarven und die Konstruktion des Theaters im Theater erkennen. Rosalind Krauss schrieb zur Struktur des Scheinbildes bei Sherman: "Das Kennzeichnende von Shermans Arbeit bei den Stills - und Teil ihrer Aussage, so könnten wir sagen - ist das scheinbildhafte Wesen dessen, was sie enthalten, die Eigenschaft, eine Kopie ohne Original zu sein."   Im Mittelpunkt der Inszenierungen von SOPHIE CALLE (1953, Paris) steht die Psychologie zwischenmenschlicher Beziehungen: die Erfahrung von Distanz und Abwesenheit, Anonymität und Intimität, Exhibitionismus und voyeuristischer Neugierde. In verschiedenen Aktionen, die sie selbst als "Rituale" bezeichnet, dringt die Künstlerin in die Privatsphäre von Fremden ein, gewährt dem Betrachter aber auch sorgsam inszenierte Einblicke in ihr eigenes Leben. Ihr Werk beruht nicht zuletzt auf der These des französischen Psychoanalytikers Jacques Lacan, dass sich das Subjekt nur von außen, durch den Blick des anderen konstituiert. Doch bleiben ihre Arbeiten, in denen Fiktion und Realität verschmelzen, auf beunruhigende Weise doppelbödig und setzen den Betrachter einer fundamentalen Verunsicherung über die Authentizität des Gesehenen aus. In der Ausstellung wird ihr Film "No Sex last Time" gezeigt.   SLAVICA PERKOVIC (geboren in Zagreb, lebt und arbeitet in Paris) hat "Sechs Geschichten für vier Männer" verfasst. Wobei "Sechs" "Geschichten" "für Männer" natürlich sofort eine bestimmte Erwartungshaltung evozieren: man ahnt schon, was es zu lesen geben wird (und zu sehen, denn die Geschichten sind bebildert). Doch verwickelt Perkovic den gutgläubig auf ihr Angebot eingehenden Leser in komplizierte Geschichten, in denen es zwar um das Gesehen-Werden, um Schaulust und das Spiel mit den Bildern geht, jedoch weit hintergründiger, als es der Titel vermuten lässt. In ihren Geschichten entwirft Perkovic Beziehungen zwischen Männern und Frauen, in denen Fotos und Filme nicht unbedeutende Rollen spielen. Illustriert hat sie die Storys mit unscharfen und uneindeutigen Fotografien - Bildern, die offen sind für noch viele andere "Geschichten für Männer".   Einen Voyeurismus der speziellen Art praktiziert LARRY SULTAN (1946, New York) in seiner Fotoserie "The Valley". Sultan streift durch die Kulissen von Porno-Produktionen und beobachtet die Crew im häuslichen Ambiente der für diesen Zweck angemieteten Privatvillen. Dabei geht es ihm nicht um das "scharfe" Bild. Der Fotograf klemmt sich nicht hinter die Kameraleute, um "Stills" der bewegten Szenen zu erhaschen. Sein Blick erfasst vielmehr die vielschichtig verwobene Szenerie aus Fiktion und Realität: wenn die Sexindustrie sich im gediegenen Interieur eines komfortabel eingerichteten Wohnhaus breit macht und sich platinblonde Damen in High-Heels auf dem Sofa räkeln, wenn Kameraleute versuchen, die gemimten Ekstasen in Nahaufnahme einzufangen, wenn die männlichen Akteure Power zum nächsten Kraftakt sammeln. Fasziniert beobachtet Sultan die Produktion des "Verbotenen" im Rahmen des "Alltäglichen" und es gelingt ihm, die spannungsgeladene Opulenz dieser Momente in seinen Bildern festzuhalten.   Einen ganz besonderen Film über das Sehen und Gesehen-Werden, über die Transformation von Realität in Kunst hat LEWIS BALTZ (*1945, Newport Beach) gedreht. Der Fotokünstler filmte eine Frau, die dem Maler Balthus lange Jahre Modell gesessen hat. In einem Hotel in Rom erzählt Miquelina von ihrer Erfahrung. Pressetext