press release only in german

Sprüth Magers Berlin freut sich die von Todd Levin kuratierte Gruppenausstellung mit Arbeiten von Tony Conrad, Sol LeWitt, Gordon Matta-Clark, Anthony McCall und Dorothea Rockburne zeigen zu können. Mit den in den 1970er Jahren entstanden Arbeiten widmet sich die Ausstellung neuen Verfahren des Zeichnens, die ganz bewusst die zeitliche Dimension mit einbeziehen. Die gezeigten Werke, die Art und Weise ihrer Installation und die in ihnen angelegten Konzepte bringen den Besuchern einen anderen Ort und eine andere Zeit nahe: die New Yorker Kunstszene der 1970er Jahre.

Der Titel der Ausstellung Time Out of Mind leitet sich von dem gleichnamigen Lied der US-amerikanischen Rock Band Steely Dan ab, das auf ihrem 1980er Album Gaucho veröffentlicht wurde. Der Text des Liedes verweist unterschwellig auf den Gebrauch der Droge Heroin, deren Wirkung häufig als ein kompletter Ausbruch aus der Alltagswirklichkeit beschrieben wird. Als eine gewissermaßen ausserkörperliche Erfahrung, verbunden mit eben dem Gefühl, Zeit in einer vom Selbst abgekapselten Dimension zu verbringen. Die Ausstellung zeigt fünf Künstler bei ihren Versuchen, der Realität zu entkommen, und sich zugleich neuen Erfahrungen zu öffnen, indem sie sich alternativen Formen künstlerischen Arbeitens, speziell der des Zeichnens, zuwenden.

War das Zeichnen auch schon immer eine grundlegende Form künstlerischer Praxis, so begannen in den 1970er Jahren Künstler die Zweidimensionalität der Zeichnung aufzubrechen, um sie mit dem Konzept der Zeitlichkeit zu konfrontieren. Eine Reihe von zu dieser Zeit in New York lebenden Künstlern wandte sich in lebhaftem Austausch miteinander von der rein repräsentativen Qualität der Zeichnung ab und verlagerte ihr Interesse zunehmend auf die technischen und performativen Aspekte dieser Form künstlerischen Ausdrucks.

Einer jener Künstler, der in London geborene Anthony McCall (*1946), wird heute weltweit geschätzt für ein innovatives Werk, das sich in einem Feld zwischen Skulptur, Film und Zeichnung bewegt. Nach seiner Übersiedlung nach New York im Jahre 1973, begann der Künstler zunächst als Filmemacher zu arbeiten. Nutzte McCall anfangs den Film nur dazu, performative Arbeiten aufzuzeichnen, entwickelte sich daraus eine eingehendere Auseinandersetzung mit dem Medium, die zu der Idee führte, Filme zu machen, die nur im Hier und Jetzt existieren. Während der Eröffnung der Ausstellung wird Anthony McCall seine 1974 zum ersten Mal gezeigte Performance Five - Minute Drawing wiederaufführen, die in Echtzeit den Akt kreativen Schaffens dokumentiert. Der Betrachter sieht den Künstler, wie er mit einer zuvor mit einem Bleistift eingeschwärzten Schnur einen Bogen auf weiße Papierbögen zeichnet, die in aufsteigender Folge auf die Wand montiert sind. Diese Arbeit steht exemplarisch für McCalls Auseinandersetzungen über die Einbindung und Darstellbarkeit von Zeit, insbesondere unter dem Aspekt der Dauer.

Auch der als experimenteller Filmemacher, Komponist, Musiker und Klangkünstler bekannte Tony Conrad (*1940) experimentiert mit einer Vielzahl verschiedenster Medien. Conrad versucht in seiner Arbeit die Lücke zwischen institutionellen und diskursiven Praktiken im Bereich von Kunst, Film und Musik zu schließen. So verwendet er Elemente aus dem einen Bereich, um die Konventionen eines anderen Bereichs damit aufzubrechen. Für die in der Ausstellung gezeigte, fünfteilige Serie selbstklebender Fotoecken auf Papier, die auf einen musikalischen Hintergrund verweist, ist Zeit ein zentraler Aspekt. Die Anordnung der Collagen an der Wand, drängt eine zeitliche Abfolge auf, die das Grundmuster einer Partitur reflektiert. Der sequentielle Aspekt in Conrads Collagen zielt auf Themen wie Produktion, Performance und Betrachtung.

Sol LeWitt (1928-2007) gilt als einer der maßgeblichen Vertreter des Minimalismus und der Konzeptkunst. Seine 1968 begonnenen Experimente mit raumbezogenen Wandzeichnungen galten als radikal, da diese gänzlich neue Form des Zeichnens, die zeitliche Dimension ganz bewusst einsetzte und thematisierte. So sind LeWitts Wandzeichnungen per se performative Akte, da sie nicht vom Künstler selbst, sondern von Dritten anhand vorgegebener Regeln und einfacher Diagramme ausgeführt werden. Ähnlich wie bei McCalls Five - Minute Drawing, ist auch hier der technische und performative Aspekt dem repräsentativen Wert der Arbeit gleichwertig.

Auch Gordon Matta-Clark (1943-1978) bezog aus seinem Interesse für Architektur wichtige Impulse für seine künstlerische Praxis. Bekannt geworden ist er mit Arbeiten, in denen er Gebäude zerteilte, in sie hinein schnitt und diese so öffnete. Von seiner Ausbildung her Architekt, verwandelte Matta-Clark Gebäude in verworrene, der Schwerkraft trotzende, begehbare Skulpturen. In der Ausstellung werden Schnittarbeiten gezeigt, die in Zusammenhang mit seinem A W-Hole House Projekt aus dem Jahr 1973 entstanden sind. Das Projekt A W-Hole House Projekt ist ein quadratisches, rot-gekacheltes Haus in Genua, Italien, dem Matta-Clark ein Atrium hinzugefügt hat, und in dessen Innern er eine Reihe paralleler, horizontaler Schnitte vorgenommen hat. Die kraftvollen Zeichnungen des leeren Raums entstanden durch das Abtragen und Entfernen des Materials aus den Putz- und Kartonelementen. Diese von Matta-Clark 'Datum Cuts' genannten Zeichnungen, dienten ihm dazu, einen anhaltenden Ausdruck seiner komplexen Vision wiederzugeben.

Das bevorzugte Medium der kanadischen Künstlerin Dorothea Rockburne (*1932) ist Papier in den verschiedensten Formen, sei es Kohlepapier, Packpapier, Pergament oder Papyrus. Vor allem ihren Erfahrungen als Tänzerin verdankt sich ihr Verständnis von Kunst als Prozess, aber auch ihre Studien in Mathematik und Physik stellen wesentliche Inspirationsquellen für ihre Praxis dar. Die ausgestellten Arbeiten belegen, wie die Künstlerin bei der Erschaffung eines Werks durch die Eigentümlichkeiten des verwendeten Materials gesteuert wird. Die aus sich selbst generierten Zeichnungen Conservation Class #5 und Conservation Class #9 aus dem Jahr 1973 entstanden durch das streng nach einer geometrischen Regel vorgenommene Falten und Schneiden des Papiers.

Die ganz bewusst zeitbezogenen Arbeiten dieser fünf in der Ausstellung gezeigten Künstler überführten das altmodische Konzept der Zeichnung in eine neue Zeit und hin zu einem neuen Selbstverständnis, das in der Kunstgeschichte bis dahin unbekannt war.