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Als erste deutsche Institution zeigt das Georg-Kolbe-Museum eine Einzelausstellung des in Hamburg lebenden Künstlers Thorsten Brinkmann (*1971). Sein noch junges, aber höchst eigenständiges und unkonventionelles Werk changiert zwischen den Gattungen Fotografie, Bildhauerei, Performance und Installationskunst. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit besteht aus fotografischen Selbstinszenierungen, in denen der Künstler in Personalunion als Darsteller, Regisseur und Fotograf fungiert und die mit einem zeitgesteuerten Selbstauslöser in der Einsamkeit seines Ateliers entstehen. Verpackt in gebrauchte Kleidungsstücke und gefundene Alltagsgegenstände verwandelt er sich dabei in anonyme, zum Teil geschlechtlich ambivalente Gestalten, die im Zitat altmeisterlicher Kompositionen als verdinglichte, skulpturale Figuren in Erscheinung treten. Die Fotografien stehen in der Tradition des Künstlerselbstporträts, doch ist der damit verbundene Mythos gleichsam entleert durch das verdeckte Gesicht und die Unkenntlichkeit der Individualität. Thorsten Brinkmann lotet in ihnen die Beziehung des Menschen und seines Körpers zur Dingwelt aus und baut dabei auf die von der Imagination überformte Spannung zwischen Objekt und Subjekt. Alles an diesen Fotos ist real und zugleich fiktiv. Die vormals seelenlosen Dinge entfalten am Körper des Künstlers ein Eigenleben, werden zu Prothesen und Masken mit rätselhaftem physiognomischem Ausdruck.

Neben den fotografischen Selbstinszenierungen erstreckt sich Brinkmanns Werk auch auf Objekte, die aus diversen Fundstücken kombiniert sind und immer wieder das Thema der Sockelung plastischer Arbeiten aufgreifen. Dabei entstehen sowohl skulptural arrangierte Ready-Mades als auch fotografische Stillleben, deren Kompositionen ebenfalls kunstgeschichtliche Bezüge aufweisen. Eine neue Werkserie verbindet die Ready-Made-Skulpturen mit Abformungen von Körperteilen des Künstlers; teilweise angezogen mit selbst getragenen Kleidungsstücken. In größeren Ausstellungszusammenhängen werden die Fotos und Objekte mit einem installativen Environment aus Teppichen, gemusterten Tapeten, furnierten Holzplatten und diversen Möbeln umfangen. Dabei befindet sich der Betrachter im selben Setting wie die Figuren auf den Fotografien, während zum Teil die Requisiten aus den Bildern in den Ausstellungsobjekten verarbeitet sind.

Brinkmanns Lust an der Verkleidung und Verstellung des Körpers mit Gegenständen lässt sich im Kunstkontext auf Hugo Balls Züricher Cabaret Voltaire oder auf Oskar Schlemmers Kostüme im "Triadischen Ballett" zurückverfolgen. Im Hinblick auf die Grenzüberschreitungen zur Welt der Mode und der Popkultur sind Parallelen zum legendären australischen Performer und Selbstdarsteller Leigh Bowery (1961-94) zu entdecken, dessen schrille Verkleidungen die Londoner Kunstszene der 1980er Jahre prägten. In Brinkmanns fotografisch inszeniertem Umgang mit den Dingen, wie sie auch in mehreren Videos festgehalten wurden, ist der Moment einer slapstickhaften Performance gegenwärtig, die an den anarchischen Humor Buster Keatons oder der Monty Python-Gruppe erinnert.

Thorsten Brinkmann hat in den letzten Jahren eine beträchtliche Sammlung verschiedenster Dinge vom Sperrmüll, von Flohmärkten und Second-Hand-Läden angehäuft, die als Absonderungen unserer Zivilisation in seinem Hamburger Atelier in deckenhohen Regalen gelagert werden und als Fundus sowohl seiner Selbstinszenierungen als auch seiner Skulpturen und Installationen dienen. Konzeptioneller Ausgangspunkt der Ausstellung im Georg-Kolbe-Museum ist die Verlagerung eines Teils von Brinkmanns Objekt- und Kleidersammlung in das ehemalige Atelier von Georg Kolbe als raumgreifende Installation. "Studiomove" bezeichnet dabei einerseits den Umzug von Brinkmann mit seinem Atelier von Hamburg nach Berlin ins Georg-Kolbe-Museum, verweist jedoch ebenso auf die dauernde Bewegung der Dinge im Studio und die Bewegungen des Künstlers mit den Dingen als Leitmotiv seiner Arbeit.

Anlässlich der Ausstellung hat Thorsten Brinkmann ein Künstlerbuch gestaltet, das im Revolver-Verlag erscheint. Preis in der Ausstellung 14,- Euro

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